Stiefmütterchen Ost und Königskerze West. Jott H. Wangerin
Wie ich doch noch zu einem Elektroherd kam
1985
So lange hatten wir Gas zum Kochen. Und es ging auch ganz gut damit. Das Malheur fing eigentlich damit an, dass meine Frau eine neue Spüle brauchte. Braune Spülen waren gerade modern, und die alte war auch nicht mehr die beste. Also musste eine neue Spüle her. Wir begaben uns auf Spülensuche. Aber was wir fanden, waren hübsche Dielenschränke, Exportartikel für England, an dem unaussprechlichen Namen „Hawk“ als solche erkennbar, holzfurnierte Spanplatten mit Bleiverglasung, wirklich hübsch, das Stück für 860 Mark. Bei uns sprach man noch nicht von formaldehydverseuchten Spanplatten, die Engländer hatten die Sendung sicherlich deshalb beanstandet. Jedenfalls uns stachen diese Schränke ins Auge. Wir kamen einfach nicht an ihnen vorbei. Die Verkäuferin glaubte ihren Ohren nicht trauen zu dürfen, als wir ihr klarmachten, dass wir davon drei Stück haben wollten. Nunmehr brauchten wir nicht schlechthin eine neue Spüle, sondern eine zu den Schränken passende. Mit etlichen Abstrichen fanden wir sie dann schließlich auch.
Bis zur Anlieferung der sechs Kisten Bretter vergingen fast vierzehn Tage. Die Spüle war wenigstens vormontiert, lediglich noch die unterschiedlichsten Zu- und Abflussstücke mussten angeschraubt werden. Dazu war die selbst für mich unverständliche Anleitung gedacht. Mir blieb zähneknirschend nur noch übrig, die Spüle erst einmal provisorisch, d.h. über einen Eimer zu betreiben. Aus meinem Betrieb holte ich mir am nächsten Tag das entsprechende Wissen, sodass die Spüle benutzt werden konnte. Als dann auch endlich die drei Dielenschränke in der Küche standen, freuten wir uns an unserem „Esszimmer mit Kochgelegenheit“. Doch dann das böse Erwachen: Wie lange würden die hübschen Schränke den ständigen Gasangriffen standhalten? Wir brauchen unbedingt einen Elektroherd! Dann haben wir auch eine saubere Küche. Aber auf normalem Weg gibt es schon lange keinen Elektroherd mehr. Die Bürokratie hat mittlerweile sämtliche Schleichwege im Gesetzesdschungel geschlossen. Bevor überhaupt ein neuer Herd von der Wohnungsverwaltung genehmigt wird, muss der alte erst einmal gesperrt sein. Das geschah abends bei einer Flasche guten Kognak. Davon hatte der Herd eine defekte Backröhre bekommen und musste deshalb ersetzt werden. Für einen Elektroherd ist aber eine Energiebezugsgenehmigung nötig, und nach Anmeldung gab es vom Energiekombinat einen abschlägigen Bescheid: „Wo Gas ist, muss Gas bleiben, der Tribseer Damm ist ohnehin schon überlastet, ein weiterer Anschluss deshalb unmöglich.“ Nun war guter Rat teuer. Da kam mir der rettende Gedanke, meinen asthmakranken Sohn vorzuschieben. Ich ging also mit Attest vom Arzt und Sperrschein für den alten Gasherd erneut zur Gebäudewirtschaft und fand nun offene Ohren. Der Elektromeister wurde informiert, und drei Wochen später konnten wir elektrisch kochen. Was lehrt uns diese Geschichte? Im Leben kommst du mit Anstand und Ehrlichkeit nur mühsam voran. Die Bürokratie hat zwar die Macht, Genehmigungen auszusprechen oder abzulehnen, aber die revolutionären Umwälzungen werden von der Basis unbürokratisch vollzogen. Und an dem dazu erforderlichen Treibstoff mangelt es zum Glück noch nicht.
Der „Admiral“
Der Admiral führt keine Kriege,
Er hat nur Lust auf süßen Saft,
Und flüchtet selbst vor einer Fliege,
Und wird vom Sturmwind fortgeschafft.
Besser als nichts!
Wer in Zitronen Falten legt,
muss ein Zitronenfalter sein.
Und ewig lockt das Weib
Das Bäumchen biegt sich,
Nicht der Baum,
Des Mannes Sehnsucht formt den Traum,
Dazwischen liegt Glückseligkeit,
Des jungen Burschen beste Zeit!
Unerreichbare Liebe
Die kuschelige Kuhschelle Punsatilla und die stattliche Königskerze Verbascus waren ineinander sehr verliebt. Sie sah bezaubernd aus in ihrem purpurroten kurzen Kleid und dem bis an die Erde reichenden dunklen Haar. An Verbascus bewunderte Punsatilla ganz besonders seinen geraden, kräftigen Wuchs und sein weithin leuchtendes blondes Haar.
Aber sie standen zu weit voneinander entfernt, als dass sie sich in die Arme schließen konnten. Und was sie sich an Zärtlichkeiten auch zuflüstern mochten, der Wind trug es weit weg. Als ihnen eines Morgens nach schlafloser Nacht wieder die Tränen über das Gesicht kullerten, kam plötzlich eine dicke Hummel angeflogen und wischte Punsatilla die Tränen aus ihrem verweinten Gesicht und streichelte sie ganz lieb mit ihren samtweichen Pfötchen. Danach trug sie ihren zarten Duft auf das stolz erhobene Haupt von Königskerze. Er tanzte vor lauter Glückseligkeit stundenlang im Wind, öffnete seine Blüten dabei ganz weit, sodass sich viele Bienen, Käfer und Schmetterlinge auf ihnen niederließen, ihn streichelten und liebkosten und danach zu Punsatillas verlockender Blütenpracht weiterflogen und ihr seine zärtlichen Küsse überbrachten. Und wenn sie inzwischen nicht schon verblüht sind, lieben sie sich noch heute.
Lonely Love
So glücklich, wie ich früher war,
Bin ich nicht mehr, seit ich dich sah!
Dich anzublicken und zu wissen,
Nie schaff’ ich’s, diesen Mund zu küssen,
Dein pochend Herz ertasten,
Fortwerfen bindend’ Lasten,
Einfach von vorn beginnen,
Beraubt mich meiner Sinnen,
Verursacht stechend Schmerz,
Ganz tief im hoffend Herz.
Doch dann geschah das Wunder,
Du stiegst zu mir herunter,
Aus tanzend’ Elfenreigen,
Begleitet nur von Geigen,
Zogs’t du mit festem Griff,
Mich zu dir auf dein Riff,
Und fragtest untertänig,
Als wäre ich ein König,
Ob ich enttäuscht jetzt sei?
Welch töricht’ Spielerei!
Tatsächlich warst du tadellos,
Von Haares Spitze bis zum Schoß,
Das hatt’ ich gerade noch geklärt,
Als mich der laute Wecker stört.
Phasenverschiebung
Hörst du tatsächlich zu,
Nicht nur ‘was raus’?
Deine Meinung dazu
Eilt schneller voraus!
Was kannst du verstehen,
Wenn du gar nichts hörst?
Mein Wort mir umdrehen
Ist, was mich stört!
Man redet im Leben
So vieles dahin,
Doch meist fehlt dem Ganzen
Der tiefere Sinn.
Jetzt muss ich’s dir sagen!
Für