Kampf mit den Tloxi. Matthias Falke

Kampf mit den Tloxi - Matthias Falke


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Muster war immer dasselbe. Die Maschinen tauchten irgendwo weit draußen über dem Meer auf, als seien sie vom Himmel gefallen. Bei Höchstgeschwindigkeit rasten sie in die Stadt hinein, unterliefen sämtliche Vorwarnzeiten unserer Abwehr, die ohnehin auf einen unbedeutenden Rest zusammengeschmolzen war, und klinkten ihre Torpedos aus. Den Platz selbst griffen sie nicht mehr an. Die riesige Freifläche war im Moment militärisch uninteressant und der Enthymesis konnten sie keinen Schaden zufügen, vielmehr waren deren Geschütze so ziemlich das Einzige, was sie noch fürchten mussten. Dafür belegten sie unsere in Auflösung begriffenen Brückenköpfe mit Aerosolbomben und beschleunigten so ihren Zusammenbruch. Und im Augenblick gab es nichts, was wir dagegen tun konnten.

      Jennifer saß neben mir auf dem unangenehm bequemen Sofa und verfolgte die Vorgänge auf der Gefechtssimulation. Ich sah mit einem Auge zu, während ich krampfhaft überlegte, wie wir die aussichtslos erscheinende Situation in den Griff bekommen konnten. Dabei fiel mir auf, dass die interaktive Holografie immer wieder erlosch und sich neu aufbaute. Hatte ihr Kom eine Macke? Aber dann merkte ich, dass ein Eingabefehler die Ursache war. Jennifer hatte auf ein falsches Symbol getippt.

      Jennifer Ash produzierte Fehleingaben, und zwar am laufenden Band!

      Ich wischte mit der Hand durch das Statusfeld des Hologrammerzeugers. Die Darstellung erlosch. Jennifers Rechte schwebte in der Luft, der ausgestreckte Zeigefinger wollte eben wieder ein Symbol aktivieren. Die Hand zitterte.

      Ich nahm Jennifers Hand in die meine. Sie war eiskalt und nass von Schweiß.

      »Was ist mit dir?«, fragte ich.

      »Es geht mir gut«, sagte sie bestimmt. Aber wir wussten beide, dass das gelogen war. Nach einigen Sekunden, in denen sie erfolglos versucht hatte, mir ihre Hand zu entwinden, gab sie den Widerstand auf.

      »Bist du krank?«, fragte ich.

      Sie sah mich in ihrer traurigen und melancholischen Art an, bei der ich mir immer wie ein dummer Junge vorkam.

      »Es ist alles ein bisschen viel«, sagte ich. »Das gebe ich zu. Wir können einfach in die Enthymesis steigen und zur Marquis de Laplace fliegen.«

      Mit leicht schräg gelegtem Kopf musterte sie mich.

      »Ich bin schwer traumatisiert, Frank«, sagte sie leise.

      »Das weiß ich.«

      »Es ist in mir. Ich weiß nicht, wie lange ich es noch kontrollieren kann.«

      »Du hast gesagt, du hättest das in einem – Bereich in dir versiegelt.«

      »Das ist richtig.«

      »Ich weiß ja nicht, wie – dicht dieser Bereich ist.«

      »Nicht sehr dicht.« Sie sah mich auf eine nackte und schutzlose Weise an, die wehtat. »Es zerfrisst mich von innen her.«

      »Wir können jederzeit abhauen. Ich glaube nicht, dass sie der Enthymesis hinterherkommen, wenn Commodora Ash erst einmal richtig durchstartet.«

      Sie legte die Hand auf meine Wange. »Du bist süß, aber du brauchst nicht versuchen, mich aufzuheitern.«

      »Es ist, wie ich sage.«

      »Das ändert ja nichts an der Situation«, sagte sie. »Hier unten sterben unsere Leute!«

      »Ich weiß«, seufzte ich. »Ich überlege ja auch pausenlos, was wir machen können.«

      »Gib mir fünf Minuten.« Ihr Blick war unstet, flackernd. Der Blick einer gebrochenen Frau. Dann schloss sie die Augen und legte die Handflächen aneinander. Sie sank in eine leichte Prana-Bindu-Trance. Es dauerte ungewöhnlich lange, bis die Konzentration ihre Wirkung entfaltete. Ich hatte ihr oft genug dabei zugesehen, um ihre Atemzyklen zu kennen. Jetzt vergingen mehrere Minuten, ehe ihre Atmung ruhiger und tiefer wurde und das nervöse Rollen ihrer Augäpfel unter den geschlossenen Lidern aufhörte. Dann konnte ich spüren, wie sich ein Kraftfeld um sie aufbaute. Sie zapfte geheime Energiequellen an und lud sich neu auf. Aber es war nicht mehr viel Saft in diesem Akku. Ein letztes Aufbäumen würde noch möglich sein, ein Strohfeuer, eine Verzweiflungstat, und danach würde sie in eine tödliche Erschöpfung fallen, körperlich und seelisch ausgebrannt, wie sie es niemals gewesen war.

      Ich nahm meinen HandKom.

      »Norton ruft Enthymesis.«

      Der Erste Pilot war sofort dran.

      »Hier Enthymesis«, sagte er.

      »Meldung, Statusbericht!«

      »Geschützturm II bemannt und voll einsatzbereit. Alle übrigen Systeme arbeiten ebenfalls einwandfrei. Solange sie nur diese Aerosoldinger schmeißen, können sie uns nichts anhaben.«

      »Ist gut. Bleiben Sie auf Ihrem Posten.«

      »Wie Sie vielleicht gesehen haben, haben wir einen von ihren Jägern abgeschossen.«

      »Sehr gut. Ich werde Sie für den großen Stern der Union vorschlagen, wenn das hier ausgestanden ist.«

      »So war es nicht gemeint.«

      »Doch, das war eine saubere Sache.«

      »Commodore Norton, Sir?«

      »Pilot?« Ich musste mir endlich seinen Namen merken. Der Mann war besser, als ich gedacht hatte. Er hatte unsere schäbige Behandlung nicht verdient.

      »Ich weiß, dass das meine Kompetenzen überschreitet, aber ist es nicht schade, ein solches Pfand wie die Enthymesis ungenutzt hier herumstehen zu lassen?«

      »Sie haben vollkommen recht. Wir überlegen gerade, wie wir sie am effektivsten einsetzen.«

      »Danke, Sir.«

      »Halten Sie sich bereit. Es kann sein, dass es plötzlich ganz schnell geht.«

      »Die Crew ist auf Posten.«

      »Sie hören von mir!«

      Etwas anderes beanspruchte meine Aufmerksamkeit: Ein einzelner Unionssoldat schleppte sich über den Platz, schien mitgenommen, aber zumindest nicht schwer verletzt. Immerhin konnte er ohne fremde Hilfe aufrecht gehen. Und er marschierte, leicht auf dem linken Bein hinkend, quer über den riesigen Platz, ohne Deckung, ohne sich nach einer solchen auch nur umzusehen.

      Irgendetwas fesselte mein Auge an ihn und ich behielt ihn im Blick, ohne sagen zu können, warum eigentlich. Es war ein einfacher Infanterist, höchstens Corporal oder Sergeant. Seine Uniform war ziemlich zerfetzt und er trug einen Rucksack, wie er bei den Stoßtruppen üblich war, an einem Gurt über der rechten Schulter. Das Ding schien schwer zu sein und der zweite Gurt war anscheinend kaputt. So hatte seine Erscheinung etwas Quälendes, wie sie so über den kilometerweiten Aufmarschplatz gehumpelt kam.

      »Sehen Sie diesen Mann?«, fragte ich den Ersten Piloten der Enthymesis.

      »Er ist ja nicht zu übersehen«, kam es von der Brücke unseres Explorers, sechzig Meter über dem zu Ruß gebrannten Pflaster der Independence Plaza. »Was ist mit ihm?«

      »Ich weiß nicht«, gab ich wahrheitsgemäß zurück. »Irgendetwas stimmt nicht mit ihm.«

      »Er scheint verletzt.«

      »Können Sie ihn scannen?«

      »Wenn Sie meinen.«

      Es war nur ein akustischer Kanal von geringer Bandbreite, den wir über den Handkommunikator hielten. Ich konnte hören, wie er die entsprechenden Eingaben vornahm.

      »Corporal Tandor Palacci«, sagte der Pilot nach wenigen Sekunden. »Zweites Korps des Dritten Bataillons unserer Eingreiftruppe.«

      »Haben Sie seine Daten?«

      Anstelle einer Antwort erschien die Akte des Soldaten auf meinem Display. Ich ging auf mediale Wiedergabe. In meiner Handfläche schimmerte das Bild eines groß gewachsenen, gut aussehenden blonden Jünglings von neunzehn Jahren.

      Ich sah durch den knisternden Energievorhang auf den Platz hinaus. Der Mann, der sich dort heranschleppte, konnte gar nicht so viel mitgemacht


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