Welche Farbe hat der Wind. Aleksandar Žiljak
wir uns ziemlich sicher. Aber wir wissen nicht, was diese hier bedeuten. Niemand hat je etwas Vergleichbares gefunden! Schauen Sie, wie die Erde zertrampelt wurde.« Vesna nimmt ihm die Zeichnung ab und zeigt aufgeregt auf die entsprechenden Stellen. Der Blick des Professors folgt ihrem Finger, während er das Papier überfliegt. »Dies hier war ein Tier. Es hat sich dem zweiten, kleineren Tier genähert. Sehen Sie - das ist diese Spur. Und jetzt schauen Sie hier...« Vesna überblättert mehrere Zeichnungen. »Sie haben sich gegenüber gestanden. Das ist für sich genommen nicht so bemerkenswert, nicht wahr? Aber schauen sie genauer hin! Als ob sie sich in diese Richtung umgedreht hätten, aber immer noch einander zugewandt...«
»Vielleicht haben Sie gekämpft«, vermutet Professor Šarić.
»Nein, das glauben wir nicht.« Vesna betrachtet die Zeichnung. »Dafür sieht es zu geordnet aus. Seit einigen Woche schon versucht das gesamte Team, sich einen Reim darauf zu machen. Aber es ist uns nicht gelungen. Vielleicht werden wir nie erfahren, was es zu bedeuten hat«, seufzt sie.
Der Professor studiert die Zeichnungen genauer und runzelt konzentriert die Stirn. Das Muster der Fußabdrücke kommt ihm irgendwie bekannt vor. Bis...
Verdammt, es kann nur... Aber das ist unmöglich!
Trotzdem - wenn es menschliche Füße wären, gäbe es nicht die Spur eines Zweifels, keinen Moment lang. Er beginnt kaum hörbar eine Melodie zu summen, und Vesna sieht ihn verwirrt an.
Ja, das ist es! Es kann gar nichts anderes sein, ganz gleich, was andere dazu sagen. Und das arme Kind sieht es nicht. Aber wie auch. Diese Jugend von heute...
Schließlich gibt der Professor die Zeichnung Vesna zurück, nachdenklich, ohne ein Wort zu sagen. Er lächelt nur auf eine rätselhafte Art.
*
Ihr Herz bebte! Sie erkannte sofort den Ruf eines Männchens Ihrer eigenen Spezies. Sie antwortete, machte eine Pause, um zu horchen, und erhielt gleich eine Antwort. Durch die Wellen stapfend, die an den Strand spülten, eilte Sie über den feuchten Sand und scheuchte mehrere Pterosaurier auf, die mit wild schlagenden Flügeln und protestierenden Schreien empor stoben. Wo war Er? Warum konnte Sie Ihn nicht sehen? Schließlich blieb Sie aufgeregt stehen und rief Ihn erneut.
Er trat unter den Baumfarnen hervor. Solang Er sich nicht bewegte, machte das Spiel von Sonnenlicht und Schatten, die von Blättern auf Seinen kräftigen braunen Körper mit den schmalen weißen Streifen geworfen wurden, Ihn nahezu unsichtbar. Er beobachtete Sie aufmerksam. Sie blieb wie angewurzelt stehen. So gern Sie Ihn auch begrüßen wollte, so sehr Sein Anblick Sie freute, blieb Sie aus Vorsicht stehen und kam keinen Schritt näher. Sie wusste, dass Sie Ihm nicht vertraut war, eine Fremde. Vielleicht bewachte Er Seine Herde. Wenn dies der Fall war, würde Er Sie angreifen, um Sie von Seinem Territorium zu vertreiben.
Sie standen einander fast bewegungslos gegenüber und nahmen sich eine ganze Zeit gegenseitig in Augenschein. Keine anderen Iguanodons traten aus den Schatten. Sie hörte keine anderen Herdenmitglieder. Das Männchen war allein, ebenso wie Sie. Beide allein, beide unsicher. Jede plötzliche Bewegung konnte als ein Akt der Aggression aufgefasst werden. Daher ihre Unsicherheit. Misstrauen. Einsamkeit.
Und schließlich kam Sie zu dem Schluss, dass Sie nicht mehr allein sein konnte.
*
Vesna steigt die steinernen Stufen hinab. Der Professor sitzt auf einem Felsen unter der Wand, die über einer kleinen Einbuchtung aufragt. Das Meer streicht sanft über den Sandstrand. Es ist spät am Nachmittag, und einige Spaziergänger oben auf der Promenade unterhalten sich laut und lachen über einen Scherz, den einer von ihnen gemacht hat. Über ihnen stößt ein kleiner Dinosaurier einen klangvollen Schrei aus, während er die Krone einer Flaumeiche systematisch nach dem einen oder anderen Insekt durchsucht. Er hat einen grünlichen Rücken, eine gelbe Brust und einen Bauch mit einem schwarzen Streifen in der Mitte, außerdem eine schwarze Krone und Kehle und weiße Wangen: eine Kohlmeise.
Als er Vesna herabsteigen sieht, stockt Professor Šarić der Atem. Er erstarrt wie versteinert und bringt kein Wort heraus.
»Stimmt etwas nicht?« fragt Vesna, besorgt über seinen Anblick. Sie trägt ein einfaches cremefarbenes Kleid mit einer weißen Strickjacke, die sie sich über die Schultern geworfen hat, und einen weißen Schal um den Hals geschlungen. Nichts Besonderes, nichts Kalkuliertes. Die Herbstnachmittage und -abende sind kühler geworden.
»Haben Sie...« Der Professor machte eine Pause, ohne den Blick von Vesna abzuwenden. »Haben Sie schon einmal etwas - jemanden - so Schönes gesehen, dass es weh tat? So sehr, dass es ihr Herz zusammengekrampft hat und...«
Für einige verlegene Augenblicke weiß Vesna nicht, was sie antworten soll. Ohne den Schmerz in den Augen des Professors würde sie seine Worte als simple Schmeichelei oder Neckerei abtun. Aber so... Irgendwie hat sie das Gefühl, dass die Dinge nicht so laufen werden, wie sie es erwartet hat. Wie und warum konnte etwas, das einfach eine harmlose, angenehme Gesellschaft sein sollte - nur gedacht, um die Bitterkeit wegzuwischen, die nach Wochen voller Kämpfe und Tränen zurückgeblieben ist - sie so kalt erwischen? Und hat sie das Recht, so mit einem alten Mann zu spielen? Sollte sie sich nicht besser entschuldigen, umdrehen und gehen?
Nein, das würde es noch schlimmer machen, ihn noch mehr verletzen. Sollte sie...
»Verzeihen Sie.« Professor Šarić nimmt Vesna an der Hand und führt sie von der Treppe zum Strand. Ihr Füße sinken leicht in den feuchten Sand ein. »Ich wollte Sie nicht beunruhigen oder dergleichen. Ich rede manchmal Unsinn. Das hier ist der Grund, warum ich Sie hergebeten habe.« Erst jetzt bemerkt Vesna den CD-Spieler, den der Professor unter den Überhang gestellt hat, geschützt vor den Wellen. »Vielleicht sind Sie ein wenig enttäuscht, aber ein Plattenspieler mit einem Hornlautsprecher war wirklich ein bisschen zu schwer zum Tragen.« Vesna lacht über den Scherz des Professors, während er die Abspieltaste drückt. Unter der Wand klingt Musik hervor. Ein Walzer. Vesna kann sich nicht erinnern, ob sie ihn je zuvor gehört hat. Jedenfalls ist es kein Stück, das in Clubs oder im Radio gespielt wird.
»Tschaikowsky. Manche finden das Stück etwas süßlich, aber ehrlich gesagt langweilt Strauß mich schon seit Ewigkeiten. Darf ich?« Der Professor hält Vesna eine Hand hin. Sie zögert und weiß nicht recht, was sie als nächstes tun soll.
»Ich fürchte, ich habe noch nie zu solcher Musik getanzt«, gesteht sie und wird rot.
»Es ist ganz einfach - lassen Sie sich einfach gehen.« Der Professor lächelt, als Vesna seine Hand fasst. Die Wärme vergangener Zeiten strömt durch ihre Handflächen. Nicht so ferne Zeiten wie die, die sie in ihrer Mappe skizziert hat, aber dennoch für immer vergangen. Zeiten, die weder besser noch schlechter waren als die Gegenwart, aber verloren sind und nie wiederkehren werden. Der Professor legt Vesna einen Arm um die Hüfte und führt sie über den Strand. Nach einigen unbeholfenen Schritten finden Vesnas Füße ihren eigenen Rhythmus, und sie und der Professor fliegen über den Sand, im Einklang mit der Melodie des Walzers, bezaubert von den schwungvollen Bewegungen des Tanzes. Die Welt um den Professor und Vesna existiert nicht mehr. Verschwunden sind der warme Nachmittag und die glucksenden weißen Dinosaurier am Himmel, das Meer und die flüsternden Bäume. Geblieben sind nur die beiden Tänzer, eingesponnen in einer eigenen Zeit, die nie vorübergehen wird...
Doch dann endet der Walzer, und der wirbelnde Tanz erlahmt und bricht ab. Vesna taumelt, errötet und außer Atem, hält sich aber auf den Beinen, gestützt von den Händen des Professors. Sie bricht in ein freudiges Lachen aus. Es ist Ewigkeiten her, seit sie sich zuletzt so amüsiert hat.
»Und jetzt werfen Sie einen Blick auf die Fußabdrücke, Vesna.« Der Professor lächelt wissend, wie ein Lehrer, der sich über den Anblick eines Schülers freut, der kurz davor ist, neues Wissen zu erwerben, eine neue Ebene der Erkenntnis zu erklimmen.
*
Sie verbrachten den ganzen Tag miteinander, Sie und Er, durchstreiften die Küste und den Wald, stillten ihren Hunger mit Massen saftiger Sprossen, tranken aus dem kühlen Fluss. Gelegentlich, zwischen zwei Bissen, anfangs schüchtern und dann immer mutiger, berührte Er Ihren Hals mit Seinem Schnabel. Dann