Welche Farbe hat der Wind. Aleksandar Žiljak

Welche Farbe hat der Wind - Aleksandar Žiljak


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zu stechen, aber Sie meinte es nicht so. Er sprang zur Seite und näherte sich Ihr erneut, leckte Sie und rieb Seinen kräftigen Körper an Ihrer Flanke.

      Sie zog sich von Ihm zurück und musterte Ihn aus einiger Entfernung, verschaffte sich einen genauen Eindruck von Ihm. Dann wandte Sie sich von Ihm ab und gab sich desinteressiert. Sie ging etwas tiefer in den frischen Wald hinein und suchte nach etwas Saftigem, an dem sie herumknabbern konnte. Und Er folgte Ihr auf dem Fuße. Wo immer sie hineinbiss, biss auch er hinein. Je wärmer der Tag wurde, um so näher kamen sie sich, Leib an Leib beim gemeinsamen Festmahl.

      Hier waren sie vor neugierigen Blicken versteckt, in Sicherheit vor hungrigen Kiefern mit scharfen, gezackten Zähnen. Außerdem war es hier still. Die einzigen Geräusche, die Sie hörte, war das Summen von Insekten und die schlagenden Flügel von Pterosauriern. Sie hatte das Gefühl, es war genau der richtige Ort, um ein Nest in den weichen Boden zu scharren und mit trockenen Blättern zu polstern. Der richtige Ort, um Eier zu legen und sie unermüdlich zu bewachen, bis die Jungen schlüpften. Er beobachtete Sie, als Sie zu dem Schluss kam, dass es tatsächlich der ideale Ort war, um Junge großzuziehen, sie wachsen zu sehen, bis sie groß genug waren, um sie sicher in die feindliche äußere Welt zu führen.

      Den ganzen Tag über zeigte Er Ihr Sein Revier im Wald am Meer, bis die Schatten länger wurden und der Wald in Dunkelheit versank.

      Und dann blieb Sie stehen, drehte sich um und folgte dem Fluss zurück zum Strand. Als Sie die Wellen brechen hörte, rannte Sie durch die Schatten. Und Er lief Ihr hinterher, dass der Boden unter ihnen bebte.

      Am Strand, genau am Rande des Meeres, blieb Sie stehen und wartete, dass Er zu Ihr aufschloss. Dann richtete Sie sich auf den Hinterbeinen auf. Sie sah Ihn an, ein Männchen in seinen besten Jahren, und Er sah Sie an, ein junges Weibchen, das bereit war, mit Ihm eine Herde zu gründen. Auch Er richtete sich auf, und sie berührten sich mit den Vorderbeinen und fingen an, sich instinktiv in kleinen Kreisen zu drehen. Sie drehten sich immer wieder, nach den Regeln eines uralten Rituals, dessen Bedeutung sie beide nicht verstanden, das aber ihre Vereinigung für immer besiegeln würde. Sie drehten sich immer weiter umeinander, einem urzeitlichen Instinkt in ihnen folgend, und ihre kräftigen Beine hinterließen Fußabdrücke im Sand.

      Sie drehten sich immer noch, als die großen Pterosaurier durchs Dämmerlicht segelten, über den tanzenden Geliebten Kreise zogen, bevor sie ihre nächtlichen Ruheplätze weit draußen auf den Klippen aufsuchten. Sie und Er tanzten, und das Meer war die einzige Musik, die sie brauchten. Die Wellen sangen für sie, der Wind flötete, die Pterosaurier schlugen mit ihren ledrigen Flügeln. Sie tanzten, wie sie in den kommenden Jahrzehnten tanzen würden, wie ihre Eltern getanzt hatten und auch ihre Kinder tanzen würden.

      Das hungrige Brüllen eines Fleischfressers schallte durch den Wald, aber sie beachteten es nicht, hielten keine Sekunde inne. Sie waren zusammen, stark und unzertrennlich. Kein Räuber konnte ihnen etwas anhaben. Sie tanzten für neue Generationen, so harmonisch, als hätten sie ihr ganzes Leben miteinander getanzt, als hätten sie sich nicht erst heute morgen kennengelernt. Sie tanzten in einem langsamen, schwerbeinigen Rhythmus, zwei dunkle Gestalten vor dem dämmernden Himmel, der in Rot- und Orange- und feurigen Goldtönen glühte.

      Und dann, als unter den funkelnden Sternen die Nacht einbrach, hörten Sie und Er auf zu tanzen und ergaben sich einander. Unter Seiner keuchenden Masse vergaß Sie Ihre alte Herde und Zähne und Tod und Schrecken. Ihr Instinkt führte sie in die Zukunft, zu einem großen Nest mit Eiern und Jungtieren, die aufwachsen und eines Tages denselben Tanz zum Rhythmus des Lebens tanzen würden.

      *

      Vesna schmiegt sich an die Brust des Professors. Seine sanfte Hand liegt auf ihren Brüsten. Die Herbstabende sind kühl, doch die Wärme des Professors breitet sich angenehm über Vesnas Rücken aus, und sie genießt seinen ruhigen Atem in ihrem Haar.

      Heute Nacht hat es sie einige Zeit gekostet, um zu verstehen. Zeit, um die Proportionen der Tiere in Betracht zu ziehen, ihre Anatomie und wie sie sich bewegten. Zeit, um das Offensichtliche zu akzeptieren, wie unmöglich es auch erschien. Aber so sehr sich ihr Verstand sträubte, so sehr ihr innerer Wissenschaftler ihr zuflüsterte, dass es nicht sein könnte, konnte es am Ende keinen Zweifel mehr geben. Ihre und Šarićs Fußabdrücke am Strand, im Sand, die Eindrücke, die ihre Schuhe hinterlassen hatten... Vesna tauschte sie in Gedanken gegen die Fußabdrücke der Iguanodons in ihren Zeichnungen aus.

      Vor vielen, vielen Millionen Jahren hatten zwei Iguanodons miteinander getanzt. Sie hatten nicht bloß uralte Rituale des Umwerbens, Rufens und Zurschaustellens durchgeführt und ritualisierte Kämpfe ausgetragen, die gelegentlich in etwas Ernstes umschlagen konnten - das wäre nicht mehr gewesen als das, was Paläontologen seit Jahrzehnten angenommen hatten. Nein, diese beiden hatten getanzt! Sie hatten sich einander zugewandt, sich an den Vorderbeinen gehalten und sich umeinander gedreht, Kreise gezogen und einander umhergewirbelt, wie Menschen es tun. Sie hatten getanzt!

      Warum? Auch dafür hatte das Experiment an diesem Nachmittag eine Erklärung geliefert. Als Vesna, begeistert über ihre Entdeckung, den Professor umarmte und, ohne sich recht bewusst zu sein, was sie tat, küsste. Und als sie sich dann gegenseitig in die Augen sahen, nun erst ganz begriffen, was sie hier taten, und sich wieder küssten. Nur um schließlich, nach dem besten Abendessen, das Vesna je zu sich genommen hatte, im Apartment des Professors zu landen, in seinem Bett, in einer heißen, schweißigen, keuchenden Umarmung, das auf Dauer Vesnas Einstellung zu älteren Herren veränderte.

      »Schläfst du nicht?« Die Frage des Professors ist ein Flüstern in ihrem Ohr. Er beginnt sich sanft an ihrer Hüfte zu reiben, und die junge Frau nimmt mit Freude zur Kenntnis, dass diese Nacht noch längst nicht vorbei ist.

      »Irgendetwas beunruhigt mich.« In einem Winkel ihres Kopfes fragt sich Vesna, warum sie so störrisch darauf beharrt - gewöhnlich mit katastrophalen Konsequenzen -, jede Beziehung zu analysieren, die sie eingeht. Warum kann sie es nicht einfach geschehen lassen, von Anfang bis Ende, ohne etwas zurückzuhalten? Warum kann sie nicht auf ihr Herz hören, wenn es ihr zuflüstert, dass sie endlich gefunden hat, wonach sie suchte?

      »Was?« Der Professor küsste Vesna auf die Wange. Seine Hand streichelt ihre Brust, eine erregende Berührung, die ihren ganzen Körper vor Verlangen beben lässt. Sein und ihr Atem beschleunigen sich. Vesna dreht ihm das Gesicht zu und sieht ihm in die Augen. Sie küssen und küssen sich immer wieder, bis sie sich ihm öffnet, die Beine spreizt und sich atemlos der Leidenschaft ergibt, stöhnt, als seine Lippen sich um ihre Brustwarze schließen und sein Schnurrbart die weiche Haut kitzelt. Und als der Professor mit langsamen Stößen in sie eindringt, dankt Vesna den beiden urzeitlichen Ungetümen, die ihr geholfen haben - Äonen nach ihrem Tod, Millionen Jahre nach dem Aussterben ihrer Spezies -, eine neue Liebe zu finden.

      Und später, sehr viel später, mit einem Gefühl von Behaglichkeit und Erfüllung, als sie dem Professor das verschwitzte Haar zerzaust und ihm einen sanften Kuss auf die Stirn drückt, fragt sie: »Die Iguanodons. Wer hat ihnen ihren Walzer gespielt?«

      Deutsch von Michael K. Iwoleit

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