Takkos langer Weg zurück (Kidschi Poseidon und Neptuns Takko, Band 2). Siegrid Graunke Gruel
Oh, so viele Sprechworte auf einmal, ohne dass Takko deren Sinn erfassen kann! Ja, da ist das Zuhören schon anstrengend. Aber er gibt sich dennoch Mühe, denn – Unhöflichkeiten duldet Neptun, sein Vater aus der Meereswelt, nicht. Doch die vielen Sprechworte wollen ja kein Ende nehmen …
So muss Takko jetzt an seine Familie in der Meereswelt denken, an Miria und Rollmart und an die kleine Kidschi …
Oh, was da wohl jetzt los ist … zu Hause …
Deshalb verhallen nun all die vielen Worte, bevor sie in seine Ohren eindringen können und deren Sinn er nicht versteht und die kein Ende nehmen. Sie klingen jetzt wie das Rauschen des Whirlpools in der Felsenhöhle … da, wo Kidschi immer so gern badet …
Und darüber wird Takko so müde, dass er direkt auf dem Stuhl, auf dem er sitzt, einfach einschläft.
So bleibt Sonja und Henry also erst mal nichts anderes übrig, als Takko auf ihre Couch zu legen und sich selbst in ihre Zimmer zu begeben.
„Morgen bringe ich ihn zum Arzt“, sagt Henry etwas erbost zu Sonja. „Was glaubt der eigentlich, wer er ist!“
„Ja, gut, wahrscheinlich hast du recht“, sagt Sonja dazu, weil ihr jetzt auch nichts Besseres mehr einfällt.
Was Sonja und Henry aber nicht ahnen, ist, dass Takko schon sehr bald wieder aus seinen Träumen erwacht und kurz darauf den Entschluss fasst, wieder nach Haus zurückzukehren – weil die Ferien nun wohl endlich zu Ende sind. So macht er sich auf, das Haus von Sonja und Henry wieder zu verlassen. Er lässt ihnen aber, als Abschiedsgeschenk, einen seiner Grünfaserhandschuhe da, damit sie ihn nicht vergessen mögen, denn er hat ja eine schöne lustige Zeit mit ihnen verbracht.
Er geht über den ‚Autuweg‘, denn wie eine Straße genannt wird, hat er wieder vergessen. Alles kann sich ja selbst ein schlauer Meeresbewohner nicht merken.
Oh, die Menschenleute fahren aber mit vielen ‚Autus‘ hin und her …!
Außer Takko sind auch einige von ihnen zu Fuß unterwegs. Doch da sieht er auch schon den Strand, als er drüben auf der anderen Seite ankommt. Und er entdeckt voller Freude sein blaues Meer dahinter!
Oh u hu! Wie gut, dass es noch da ist!
Natürlich denkt Takko nicht wirklich, dass sein blaues, weites, tiefes Meer nicht mehr da ist, aber es jetzt wieder so nah vor sich zu haben, das ist einfach nur – wunderbar!
Und da läuft er, so schnell er es mit seinen Grünflossen kann, vorbei an den Strandkörben, direkt hinein in das blaue Ostseemeer.
2
‚Leckere‘ Neuigkeiten
Tief unten, unter der Meeresoberfläche, inmitten zwischen Helgoland und England, liegen Poseidons schöne Heimgärten.
Denn das Reich von Neptun, dem großen Meeresgott, erstreckt sich weit um alle Landesküsten herum. Und Neptuns Vetter Poseidon bewohnt dort, mit seinen Töchtern Kidschi und Miria, eine der besten Gegenden.
An diesem Abend, noch weit vor der Mitternachtsstunde, sitzen Poseidon, Miria und die kleine Kidschi seit vielen Stunden zusammen, beieinander in Poseidons Privatbereich. Alle sind sehr beunruhigt, weil Takko seit seiner letzten Tauchfahrt in die nördliche Region noch immer nicht zurück ist.
Was sie aber nicht ahnen, ist, dass Flavian, das Meerland- und Luftpferdchen, stattdessen zurückgekehrt ist. Es trägt Neptuns Sprechmuschel um den Hals und lässt sie direkt in Poseidons privaten Wohngrottenbereich hineinfallen. Einen privaten Wohngrottenbereich können wir uns etwa so vorstellen wie ein großes Wohnzimmer von einigen sehr begüterten Menschen – aber dafür müssen wir unsere besondere Fantasie etwas anstrengen, denn nicht ein einziger Wohnbereich der Menschen kommt dem von Poseidon wirklich gleich.
Flavian, das Meerland- und Luftpferdchen, lässt also die Sprechmuschel, welche es um den Hals trug, einfach fallen, als es den privaten Wohngrottenbereich Poseidons überfliegt – denn es hat doch den Auftrag von Neptun, dem großen Meeresgott, nicht ganz erfüllt. Ist es doch ohne Takko zurückgekehrt und außerdem von einem Menschen erschreckt worden …! Ja, da ist es doch nur verständlich, dass sich ein Meerland- und Luftpferdchen sogleich weiter in die Lüfte erhebt, in ferne Höhengebiete, die es leicht überflügeln kann …
‚Oh, was senkt sich denn da von oben nach unten direkt vor uns herab?‘ Kidschi sieht es mit Erstaunen zuerst, denn Papa Poseidon und Miria sind in ernstliche Gespräche vertieft – wegen Takko natürlich.
Oh, eine Sprechmuschel …! Und eine besonders schöne, kostbare, edle sogar!
Kidschi nimmt sie vorsichtig auf und kann sofort die leuchtenden großen, blaugrünen Buchstaben GN daran erkennen, die in den schimmernden Perlmut eingraviert sind. Oh, oh …
Da hat sie ja jetzt wohl die Sprechmuschel von Neptun, ihrem großen Meeresgott, gefunden! „Was hältst du denn da in deinen Händen?“, fragt Miria sie aber schon, denn sie hat Kidschi immer irgendwie im Blick, wie eine Mutter ihr kleines Kind. Das kommt sicherlich davon, weil sie und Kidschi ohne Mutter aufgewachsen sind, denn die ist ja leider nicht mehr am Leben. Ja, so traurig es ist, aber dennoch ist es wahr. Ein schrecklicher Hai hat ihre Mutter getötet, als Kidschi noch ein Kleinmeerkind war und gerade ihr erstes Lebensjahrzehnt vollendet hatte.
„Lass mich das mal sehen, Schwesterchen“, sagt Miria, und schon ist die wunderschöne edle Sprechmuschel in ihren geschmeidigen Händen.
„Papa, ich habe die Sprechmuschel von Neptun zuerst gesehen!“, mault Kidschi gleich drauflos. Doch ihr Papa kann sie gar nicht hören, denn er ist kurz hinaus aus der Wohnraumgrotte, weil er mal Pipi muss.
„Poseidon ist eben mal raus“, sagt Miria. „Er kann dich also nicht hören, Dummchen.“ Und da tippt sie auch schon an den verschieden farbigen Blinklichtern herum.
Im nächsten Moment sind rauschende Töne zu hören und kurz darauf – Takkos Stimme! Die beiden Meermädchen hören nun ganz überrascht eine Nachricht von ihm ab, die aber eigentlich für Neptun, ihren Meeresgott, gedacht war …
„Es – geht – mir – gut. Kann – noch – nicht – mit – Fla-vi-an – zu-rück-kom-men. Es – sind – noch – Fe-ri-en.
Gu-te – Meer-grüs-se – an – al-le. Bis – bald, dein – Tak-ko.“
Das waren die Worte seiner Nachricht.
Und jetzt müssen sich erst mal zwei überaus frohe Meeresmädchen umarmen, denn nun wissen sie, dass Takko lebt und nicht von den schrecklichen Haien bedroht worden ist! Ja, und dass es ihm sogar gut geht, auf einem Strandland wo Ferien sind.
„Was sind Ferien, Miria?“, will Kidschi neugierig wissen, doch bevor Miria darauf eine Antwort finden kann, naht auch schon Poseidon wieder von der hinteren Felsenwand heran.
„Pscht … Wir sagen es Poseidon noch nicht“, sagt Miria schnell zu Kidschi und lässt Neptuns Sprechmuschel in ihrer kleinen Tasche aus Korallenseide verschwinden. „Wir sagen es ihm erst später.“
„Und warum?“, fragt Kidschi natürlich gleich.
„Darum“, sagt Miria, aber als sie dann Kidschis böse funkelnde Augen sieht, fügt sie noch schnell hinzu: „Und weil es darum bestimmt noch leckere Schaumdominos vor dem Schlafengehen von mir gibt.“
Ja – deshalb muss Kidschi auch nicht lange überlegen, denn leckere Schaumdominos schmecken einfach soo lecker!
Die guten Neuigkeiten kann sie ihrem Papa ja auch am morgigen Tag noch erzählen …
3
Dankbart
Takko taucht weit und immer weiter durch