Brennpunkt Balkan. Christian Wehrschütz

Brennpunkt Balkan - Christian Wehrschütz


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Wirklichkeit und in ihr Wesen einzudringen und sie nicht durch ein Prisma vorgefertigter Stereotype zu betrachten. Der Balkan muss sich nicht nur mit sich selbst aussöhnen, sondern auch mit der übrigen Welt. Daher ist die Rolle eines jeden Journalisten sehr wichtig, der an diesem Prozess teilnimmt. Christian Wehrschütz ist einer von ihnen. Er bringt Themen des Balkans der breiten Öffentlichkeit näher, verweist auf politische Fortschritte auf dem Balkan, aber auch darauf, welche Probleme noch immer ihrer Lösung harren. Durch seine Tätigkeit als Autor und Journalist trägt Christian Wehrschütz zweifellos dazu bei, dass der Balkan ein Teil Europas wird.

       Boris Tadić, Präsident Serbiens von 2004 bis 2012

      Danilo Türk

      Ich habe immer gern mit Journalisten gesprochen, die sich ihrem Themenkreis gründlich widmen. Ein Publizist, der die Achtung und das Vertrauen der Öffentlichkeit und damit auch der Politiker erwirbt, benötigt freilich ein grundlegendes Wissen und muss systematisch arbeiten können. Christian Wehrschütz ist einer dieser Journalisten. In der Zeit meines Präsidentenamtes in den Jahren 2007 bis 2012 bin ich ihm mehrmals begegnet und jedes Mal waren seine Fragen durchdacht, weshalb ich ihn auch immer wieder nach seiner Meinung fragte. In der Regel kam er meist am Ende einer Reise durch den Balkan nach Laibach. Und da brachte er seine Eindrücke und Überlegungen zu den diversen politischen Ereignissen mit, wie das beispielsweise anlässlich der Anerkennung des Kosovo der Fall war, über die wir am Beginn des Jahres 2008 gesprochen haben.

      In das vorliegende Buch, das ich mit großem Interesse lesen werde, sind die langjährigen Erfahrungen des Autors eingeflossen und es veranschaulicht sehr plastisch den Weg der Balkanstaaten in ein vereintes Europa. Denn heute sind die Staaten des Westbalkans die am stärksten europäisch orientierten des gesamten Kontinents. Ihre Sehnsucht wird mit dieser Lektüre noch verständlicher. Ich bin davon überzeugt, dass jeder Leser, der sich für den Balkan und seine Bewohner interessiert, einen perfekten Überblick über diesen schönen und interessanten, aber auch problematischen Teil Europas bekommt.

       Danilo Türk, Präsident Sloweniens von 2007 bis 2012

      Aleksandar Vučić

      Als guter Journalist sollte man, wenn es nach dem Willen der internationalen Machthaber geht, im Orchester der Gegner Serbiens mitwirken. Doch der Autor dieses Buches zeigte sich als Meister seines Faches, der gegen die Pauken antiserbischer Gefühle auf einer Klaviatur der Objektivität so lange anspielte, bis ein Verständnis sowohl für unsere Fehler wie für unsere positiven Fortschritte in der Öffentlichkeit entstand. Wir hatten nicht viele Freunde unter ausländischen Journalisten in den vergangenen 20 Jahren, doch Christian Wehrschütz kennt die Menschen und die Gegebenheiten in Serbien und auf dem Balkan so gut, dass wir ihn als Freund bezeichnen dürfen. Tatsächlich ist er einer der am besten unterrichteten Journalisten der Region des Balkans, der hartnäckig und unendlich starrköpfig als Journalist der alten Schule an seinen Berichten arbeitet, um der Wahrheit gerecht zu werden. Das kennzeichnet einen anständigen und guten Journalismus, der wichtig ist, nicht nur für Serbien, sondern für die gesamte Region. Das ist vor allem in einer Welt notwendig, wo der Journalismus ein großes Geschäft und Spielball der Mächte geworden ist, bei dem die Person nicht mehr gewürdigt wird.

      Wehrschütz, dessen Leben voll von fantastischen Geschichten ist, kennt die Kultur, die Kunst, die Geschichte und die Besonderheit eines jeden Teils Serbiens und weiß von unserem Land meist oft mehr als wir selbst. Das führt letztlich auch dazu, dass wir ihn sogar fragen können, in welches Restaurant wir gehen und was wir dort essen sollen – wohin auch immer wir in Serbien fahren. Christian ist ein anständiger und guter Journalist. Davon gibt es nicht viele, weder in Serbien noch in der gesamten Region.

       Aleksandar Vučić, Erster stellvertretender Ministerpräsident Serbiens

      

      Nicht wenige Intellektuelle des Balkans fragen sich, ob ihr künftiger „Retter“ überleben wird: Karikatur von Jovo Skomac

      DER W(R)ESTBALKAN UND DIE EU

      Hängepartie statt dynamische Annäherung

      Am 1. Juli 2013 trat Kroatien der Europäischen Union bei. Die Feiern am kleinen Ban-Jelačić-Platz im Zentrum von Agram ließen wegen der aufgebauten Bühnen nur wenig Raum, sodass die Zahl der Kroaten, die tatsächlich mitfeiern konnten, wahrlich überschaubar war. Doch den meisten war ohnehin nicht zum Feiern zumute, und von einer EU-Euphorie konnte wahrlich nicht die Rede sein. Das Fehlen einer Feierlaune kam nicht überraschend, hatte sich diese Stimmung doch bereits beim Referendum zum EU-Beitritt gezeigt, das am 22. Jänner 2012 stattfand. Dabei stimmten etwa zwei Drittel der teilnehmenden Bürger für die Mitgliedschaft in der EU. Mit 43 Prozent war die Beteiligung an der Abstimmung jedoch gering, und zwar noch geringer als in Ungarn. Dort stimmten beim Referendum am 12. April 2003 nur knapp 46 Prozent der Stimmberechtigten ab, wobei damals 84 Prozent für den Beitritt votierten. Selbst wenn man die außerordentlich ungeordneten Wählerlisten in Kroatien in Rechnung stellt, so dürfte gerade einmal jeder zweite Kroate an der Abstimmung teilgenommen haben. Dagegen lag die Beteiligung im Nachbarland Slowenien bei 60 Prozent und für die EU stimmten sogar 90 Prozent der Slowenen.

      Während die niedrige Beteiligung in Ungarn auch auf die bereits damals nicht rosige Wirtschaftslage zurückzuführen war, macht der Unterschied zwischen Slowenien und Kroatien die ungleichen Rahmenbedingungen deutlich, die zwischen den Jahren 2004 und 2012 liegen. Denn der kroatische EU-Beitritt fand unter bisher einzigartigen Vorzeichen statt, steckt doch nicht nur Kroatien, sondern auch die EU in einer tiefen Krise. Insbesondere die Euro-Zone hat ihre Probleme noch nicht überwunden. Dass die Mehrheit der Kroaten trotzdem für die EU stimmte, hatte vor allem drei Gründe: Erstens sahen die Bürger keine vernünftige Alternative zum Beitritt; zweitens war praktisch die gesamte politische Elite dafür, und drittens hofften die Kroaten auf einen Geldsegen aus Brüssel, um ihr Land – von der Mülldeponie bis hin zur Verwaltung – modernisieren zu können.1) Auf dem Weg Richtung EU war Kroatien ein Nachzügler. Das hängt mit der nationalistischen Politik von Staatsgründer Franjo Tudjman zusammen, der sein Land nicht nur in die Unabhängigkeit, sondern auch in die politische Isolation führte. Somit war Kroatien nach Griechenland (1981) das bisher einzige Land, das allein in die EU aufgenommen wurde. Die Verhandlungen dauerten fast sechs Jahre. Sie begannen wegen der mangelnden Zusammenarbeit mit dem Haager Tribunal mit einer Verspätung von sechs Monaten und waren durch den Grenzstreit mit Slowenien fast ein Jahr lang blockiert, obwohl auf technischer Ebene natürlich weiter gearbeitet wurde. Anders als bei der Erweiterung von 2004 galt für Kroatien das sogenannte „Benchmark-Verfahren“. So forderte die EU von Kroatien im Unterschied zu den bisherigen Beitrittsbedingungen für die Eröffnung und die Schließung eines jeden Verhandlungskapitels zumindest den Beginn der Umsetzung von Maßnahmen noch vor dem Beitritt – wie beispielsweise die Reform und die Entpolitisierung der Ernennung von Richtern und Staatsanwälten. Auch diese erstmals angewandte Form der Verhandlungen macht die kroatischen Erfahrungen für die anderen Beitrittswerber so wertvoll. Anders als im Fall Kroatiens wurden für Montenegro, dessen Beitrittsverhandlungen formell am 29. Juni 2012 begannen, nun die Kapitel 23 und 24 (Justiz und Grundrechte sowie Justiz, Freiheit und Sicherheit) sofort eröffnet. Das wird auch in künftigen Fällen so gehandhabt werden. Denn diese beiden Kapitel sind besonders schwierig und sensibel, und die Umsetzung der verhandelten Maßnahmen soll von einem regelmäßigen Monitoring der EU-Kommission begleitet werden. Dieses Monitoring galt in abgeschwächter Form für Kroatien sogar bis zum Beitrittstermin.

      Kroatien als Beispiel und Vorbild

      Welche positiven und auch negativen Lehren lassen sich nun aus dem kroatischen


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