Brennpunkt Balkan. Christian Wehrschütz
Krise sind wirtschaftliche und politische Gründe verantwortlich. Den Ausgangspunkt bildete der 1. Jänner 2007, als Slowenien als 13. Land den Euro einführte. Damals war ein großer Teil der Wirtschaft nicht privatisiert, Geld war billig auf dem Kapitalmarkt zu beschaffen und viele Manager griffen zu. Sie nahmen Kredite auf, gaben die Aktien ihrer Unternehmen als Sicherheit, die sie mit dem Kredit kauften. Dieses „Management Buy-out“ praktizierten etwa Boško Šrot bei der Brauerei „Laško“, Igor Bavčar bei „Istrabenz“, einem Mischkonzern, und Bine Kordež bei der Baumarktkette „Merkur“. Alle drei Firmen sind mittlerweile im Konkurs, während Šrot und Bavčar, die bekanntesten Tycoons, im Sommer 2013 noch nicht rechtskräftig zu fünf Jahren und sieben Monaten Haft beziehungsweise zu sieben Jahren Haft verurteilt wurden. Doch ein derartiges Ende war 2007 und 2008 nicht zu erwarten, weil die Aktienkurse stiegen und auch immer mehr Holdings aus dem Boden schossen, die mit dem Kerngeschäft des Mutterbetriebs oft kaum etwas zu tun hatten. Mit der internationalen Finanzkrise Ende 2008 fielen die Kurse und damit die Bonität der Kreditnehmer, und das Kartenhaus begann einzustürzen. Außerdem platzte die Immobilienblase, und die Bauwirtschaft brach ein, die noch 2007 und 2008 einer der Motoren des Wirtschaftswachstums war. Große Baufirmen („Vegrad“, „SCT“) gingen in Konkurs.
Konkursfall Kirche
Den spektakulärsten und größten Konkursfall bildet die katholische Kirche, ein finanzieller Zusammenbruch, der aber praktisch nur die Erzdiözese Marburg an der Drau (Maribor) betrifft. Der Aufbau ihres Finanzimperiums begann mit der spezifisch slowenischen Privatisierung, als jeder Slowene für Staatsbetriebe Zertifikate bekam. Solche Zertifikate sammelte auch die Kirche über eine Gesellschaft von Gläubigen. Außerdem erhielt die Kirche im Zuge der Restitution vom Staat Immobilien und Ländereien zurück. Anfang der 1990er Jahre gründete sie schließlich die „Krekova banka“, die sie 2002 an die österreichische Raiffeisen-Gruppe verkaufte, und die ihrerseits damit in Slowenien Fuß fasste. Mit diesem Erlös und durch neue Kredite, die im politisch und gesellschaftlich verfilzten Slowenien auch „auf Zuruf “ gewährt wurden, wie es ein Insider beschreibt, übernahm die Kirche die gesammelten Zertifikate. 2005 folgte die Übernahme der beiden Holdings, die die Kirche dann „Zvon Ena“ (Glocke eins) und „Zvon Dva“ (Glocke zwei) nannte. Hinzu kam eine dritte Gesellschaft „Gospodarski Rast“ (Wirtschaftswachstum), die zu 100 Prozent den drei Diözesen Marburg, Murska Sobota und Cilli/Celje gehörte. Nach 2005 war „Gospodarski Rast“, die für die Abwicklung der Finanztransaktionen zuständig war, auch zu mehr als 50 Prozent Eigentümer der Holdings.5)
31. Juli 2013, Tag der Rücktritte: Der Erzbischof von Marburg, Marjan Turnšek (li.), und Anton Stres, Erzbischof von Laibach (Mitte), mit dem Abgesandten des HeiligenStuhls Juliusz Janusz vor der Pressekonferenz
Prominenter Kreditgeberan die katholische Kirchenführung: „Nova Ljubljanska Banka“
Zum Wirtschaftsimperium der Kirche gehörten Anteile an Leitbetrieben wie die Bank „Abanka“, der Farben- und Lackhersteller „Helios“, die Druckerei „Cetis“, ein Chemiebetrieb, ein Autozulieferer und vor allem die Telekommunikationsfirma „T2“. In diese Unternehmen investierte die Kirche mehr als 100 Millionen Euro. Insgesamt gaben der Kirche nicht nur slowenische, sondern auch so mancheösterreichische Banken Kredite. Einige sollen bereits mit der Pfändung begonnen haben, während die slowenische Tochter der Raiffeisen Bank International (RBI) die Erzdiözese Marburg Anfang September 2013 klagte, und zwar mit einem Streitwert von 7,6 Millionen Euro. Denn die Kirche hörte die Alarmglocken nicht, und seit 2012 laufen vor einem Gericht in Marburg Konkursverfahren gegen alle drei Gesellschaften; die anerkannten Forderungen sollen insgesamt weit mehr als eine Milliarde Euro betragen. Die realen Verbindlichkeiten der Erzdiözese Marburg dürften dagegen bei max. 70 Millionen Euro liegen. Trotzdem ist die Kirche wegen ihrer Gesellschaften „Gospodarski Rast“, „Zvon Ena“ und „Zvon Dva“ der bei weitem größte Konkursfall Sloweniens. Betroffen sind etwa 50 Firmen mit 10.000 Mitarbeitern; für die Verbindlichkeiten der drei Gesellschaften haftet die Erzdiözese Marburg nicht. Zwar hat der Vatikan bereits zwei Mal reagiert und die Kirchenführung praktisch abgesetzt. Doch der Weg zur Sanierung, bei dem die Diözese Graz-Seckau federführend mithilft, wird noch ein weiter sein. Ein prominenter Kreditgeber war übrigens die „Nova Ljubljanska Banka“ (NLB), die bei weitem größte Bank Sloweniens. Sie soll durch die Kirche mehr als 100 Millionen Euro verlieren. Auf die NLB, die „Nova Kreditna Banka Maribor“ (NKBM), und die „Abanka“ entfallen etwa 70 Prozent des Marktanteils; gleichzeitig sind sie überwiegend im Staatsbesitz, sodass die Bankenkrise, die der internationalen Finanzkrise folgte, nicht nur die slowenischen Banken, sondern auch den Staat direkt betraf. Sloweniens Banken sollen auf faulen Krediten von etwa sieben Milliarden Euro sitzen, etwa 15 Prozent aller Kredite sollen notleidend sein.
Wirtschaftskrise und politische Instabilität
Auf der anderen Seite hat die starke slowenische Exportwirtschaft die Krise sehr rasch und sehr viel besser gemeistert. 2012 verkaufte sie Waren im Wert von 21,5 Milliarden Euro ins Ausland, das ist mehr als vor Beginn der Krise, denn 2008 waren es knapp 20 Milliarden Euro. Das zeigt zwar, dass Vergleiche mit Griechenland oder Zypern schon aus diesem Grund völlig verfehlt sind, doch der Exportmotor allein kann die Krise nicht bewältigen, weil grundlegende Reformen von der Politik kommen müssen.
Im September 2008 verlor der konservative Ministerpräsident Janez Janša die Parlamentswahl, und eine Mitte-Links-Regierung unter dem Sozialdemokraten Borut Pahor übernahm die Führung des Landes. Janša hatte in guten Zeiten nicht gespart und hinterließ Pahor eine Gesamtverschuldung, die sich in vier Jahren auf fast 40 Milliarden Euro verdoppelt hatte. Nach zwei Jahren und sechs Monaten war die Regierung Pahor am Ende: Ihren Supergau bedeutete das Scheitern von drei Reformen, darunter der Pensionsreform bei drei Referenden im Juni 2011. Pahor war an seinem Stil, vor allem aber an der Opposition und den Gewerkschaften gescheitert, die das wahre Ausmaß der Krise nicht erkennen wollten, obwohl die Wirtschaftsleistung um acht Prozent schrumpfte und die Arbeitslosigkeit weiter anstieg. Nach sechs Monaten Agonie siegte bei der Wahl im Dezember 2011 nicht der favorisierte Janez Janša, sondern der Bürgermeister von Laibach, Zoran Janković, mit seiner erst wenige Monate zuvor gegründeten sozialdemokratischen Partei „Positives Slowenien“. Doch Janković scheiterte bei der Regierungsbildung, und Ende Jänner 2012 wurde Janez Janša Ministerpräsident. Er leitete eine Fünf-Parteien-Koalition, die einen harten Sparkurs zu fahren begann, der massive Einsparungen bei den 155.000 Staatsbediensteten vorsah. Ein Jahr später, Ende Jänner 2013, war seine Karriere zu Ende. Janša scheiterte nicht am Sparkurs, sondern an massiven Korruptionsvorwürfen.6) Hinzu kamen Massenproteste, die in Marburg ihren Ausgang nahmen, weil dort unter Bürgermeister Franc Kangler eine ganz besondere Mischung aus Misswirtschaft und Korruption herrschte. Kangler musste schließlich zurücktreten, doch der Unmut unter den Slowenen war so groß, dass die Demonstrationen von Marburg aus auf das ganze Land übergriffen und auch gewalttätige Formen annahmen. Janez Janša goss mit provokativen Kommentaren noch zusätzlich Öl ins Feuer. Die gegen ihn erhobenen Korruptionsvorwürfe wies er zwar zurück, konnte sie aber nicht entkräften. Daher kamen Janša seine Koalitionspartner abhanden, und unter Führung der Partei „Positives Slowenien“ bildete sich ein neues Mitte-Links-Bündnis. Da auch gegen Zoran Janković beträchtliche Korruptionsvorwürfe erhoben wurden, konnte der Laibacher Bürgermeister nicht in das Amt des Regierungschefs wechseln. Daher wurde seine Vertraute Alenka Bratušek Ende Februar vom Parlament in Laibach gewählt. Die 43-jährige Bratušek gilt als Finanz- und Budgetexpertin, ist aber politisch ziemlich unerfahren, weil sie nur wenige Monate Abgeordnete war. Ihr Auftreten unterscheidet sich bisher wohltuend von alten politischen „Hasen“, obwohl ihr ein gewisses Maß an Unsicherheit weiter anzumerken ist.
An der Opposition und den Gewerkschaften gescheitert: Borut Pahor mit seiner Mitte-Links-Regierung, hier