Brennpunkt Balkan. Christian Wehrschütz

Brennpunkt Balkan - Christian Wehrschütz


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      Misswirtschaft und Korruption führten zu Massendemonstrationen und Ausschreitungen in Marburg

      Scheiterte an Korruptionsvorwürfen: Janez Janša

      

      Die allgemeine Polarisierung zeigt sich auch bei der Einstellung zur Vergangenheitsbewältigung: Skalpe aus einem Massengrab in Huda Jama bei Laško

      Schweres Erbe – erste Erfolge – viele offene Fragen

      Die in Cilli in der slowenischen Steiermark geborene Alenka Bratušek übernahm nicht nur ein wirtschaftlich und sozial katastrophales Erbe, sondern auch ein Land, das immer stärker den Eindruck erweckte, politisch nicht konsensfähig zu sein. Dazu gehört der in der politischen Elite zum Dauerbrenner zählende Konflikt um die Rolle der politischen Vorväter im Zweiten Weltkrieg (Partisanen versus Domobranzen), der abgesehen von persönlichen Eitelkeiten nicht unwesentlich dazu beiträgt, dass in Slowenien eine große Koalition auch in Krisenzeiten nicht möglich ist. Diese Polarisierung zeigt sich bei allen Gedenktagen, die jeweils nur von einem politischen Lager besucht werden, sie zeigte sich bei der Öffnung des Massengrabes (Huda Jama) bei Laško und auch bei Ordensverleihungen, die ebenfalls Anlass für Auseinandersetzungen bieten, wenn der Geehrte dunkle Punkte in seiner Biografie aufweist, die der jeweils anderen Fraktion nicht passen. Fast 70 Jahre nach Kriegsende und angesichts der massiven Krise wäre es für Slowenien hoch an der Zeit, diesen Gegensatz zu überwinden.

      

      Konnte mit Krediten aus den USA ihrem Land eine Atempause verschaffen: Alenka Bratušek, Ministerpräsidentin Sloweniens

      Dazu kommt, dass Referenden so leicht zu erzwingen waren, dass damit aber praktisch jede schmerzliche Reform blockiert werden konnte. Und die weltanschaulich sehr unterschiedlichen Koalitionspartner (wirtschaftsliberal versus postkommunistisch), zu denen fast immer die Rentnerpartei zählt, die reine Klientelpolitik betreibt, tragen auch nicht zu einem Konsens bei. Generell ist die Kompromissbereitschaft der meisten dieser Kleinparteien dann am größten, wenn sie Neuwahlen fürchten müssen, wie das auch im Sommer 2013 nach Umfragen der Fall war. Abgesehen davon wirkt der Umstand positiv, dass bei Politik und Bevölkerung kein Zweifel mehr an der Krise herrscht, und Slowenien darum kämpft, seine bei der Bankenreform bereits eingeschränkte Souveränität nicht vollends an Brüssel zu verlieren.

      Unter dem „Galgen“ konnten nur erste Schritte in die richtige Richtung unternommen werden. Dazu zählt die Verankerung der „Schuldenbremse“ in der Verfassung, die ab 2015 in Kraft tritt. Sie schreibt vor, dass das Budget ausgeglichen oder im Überschuss sein muss. Beschlossen hat das Parlament eine Novelle zum Gesetz über Volksabstimmungen, wonach Referenden über Budget- oder Steuerthemen nicht mehr möglich sind. Das schränkt auch den Handlungsspielraum der Gewerkschaften etwas ein. Ein Referendum kann nur mehr durch 40.000 Unterschriften von Bürgern eingeleitet werden, sodass die beiden Parlamentskammern keine Referenden mehr beantragen können. Das Parlament beschloss eine Erhöhung der Mehrwertsteuer, Vorrückungen und Zuschläge für Beamte werden eingefroren, und bis Ende 2014 werden die 155.000 öffentlich Bediensteten um 0,5 bis 5 Prozent niedrigere Gehälter hinnehmen müssen. Ende Juni verabschiedete das Parlament außerdem einen Nachtragshaushalt, der 900 Millionen Euro als Kapitalaufstockung für die Banken und 3,3 Milliarden Euro für die so genannte „Bad Bank“ vorsieht, in die schlechte Forderungen der Banken eingebracht werden, während die Banken im Gegenzug eine Kapitalaufstockung erhalten. Erst wenn die Bewertung aller Forderungen abgeschlossen ist, wird ein genaues Bild über das Ausmaß der Bankenkrise vorliegen. Grünes Licht gab das Parlament Ende Juni zum Verkauf von 15 Staatsfirmen. Dazu zählen die Telekom, der Flughafen von Laibach oder die Fluglinie „Adria Airways“, um drei Beispiele zu nennen. Bratušeks größter Erfolg war jedoch, dass sie auf dem amerikanischen Markt Anfang Mai durch eine Anleihe frisches Geld im Ausmaß von 3,5 Milliarden Euro beschaffen konnte. Damit gewann die Regierung eine Atempause bis zum Sommer 2014. Das große Aber liegt zunächst darin, dass die Wirtschaft 2013 um 2,4 Prozent schrumpfen dürfte. Weiter ansteigen wird wohl die Arbeitslosigkeit. So will die größte Bank des Landes, die NLB, binnen zwei Jahren 700 Stellen streichen und Filialen schließen. Derzeit zählt die Bank 3.550 Mitarbeiter. Die geplante Privatisierung der zweitgrößten slowenischen Bank NKBM wird in Krisenzeiten kaum möglich sein, wobei generell Zweifel bestehen, ob Slowenien ohne Finanzhilfe aus dem Ausland seinen Bankensektor überhaupt sanieren kann. Auskunft darüber wird wohl der Stresstest ergeben, dem im Herbst zehn der 18 Banken unterworfen sind. Die Ergebnisse sollen bis Jahresende 2013 vorliegen. „Slowenien hat 30 von 100 Stufen auf dem Weg aus der Krise zurückgelegt“, sagte der neue Gouverneur der Nationalbank, Boštjan Jazbec, beim „Strategischen Forum“ Anfang September in Bled. Ob das Land die restlichen 70 selbständig meistern wird, könnte sich am 19. Oktober 2013 entscheiden, wenn dieses Buch bereits erschienen sein wird. An diesem Tag soll Alenka Bratušek den Vorsitz in der Partei „Positives Slowenien“ von Zoran Janković übernehmen. Tritt Janković aber wieder an und wird gewählt, drohen Koalitionspartner bereits mit dem Platzen der Regierung. Das käme in dieser Krise einem politischen Selbstmord gleich, weil Neuwahlen jede weitere Sanierung Sloweniens um gute sechs Monate verzögern würde. Damit wäre eine Übernahme der Budgetkontrolle durch die EU wohl unausweichlich, die viele (linksorientierte) Slowenen ohnehin bereits als eine Art des „Neokolonialismus“ empfinden, wie das Titelbild von „Mladina“ auf Seite 24 anschaulich zeigt. Unserem südlichen Nachbarn Slowenien, der einer unserer wichtigsten Handelspartner ist, stehen spannende Monate bevor. Trotzdem ist eines klar: Slowenien wird auch danach kein Griechenland oder Zypern sein, weil es eine gute Exportwirtschaft und eine weit geringere Verschuldung kennzeichnet. Was immer Medien schreiben mögen, mit den wirklich großen Sorgenkindern der EU kann Slowenien nicht in einem Atemzug genannt werden.

      

      Beitritt ohne Euphorie: Auslagendekoration anlässlich des kroatischen EU-Beitritts in Agram/​Zagreb

      KROATIEN

      Der lange Marsch in die EU als Vorbild für den Balkan

      Der kroatisch-slowenische Grenzübergang Bregana/​Obrežje liegt nur zwölf Kilometer nordwestlich von Zagreb/​Agram. Mit mehr als zwölf Millionen Reisenden ist das der am stärksten befahrene Grenzübergang Kroatiens. Auch ich habe ihn auf meinen Dienstreisen sehr oft passiert und mehrmals für Beiträge gefilmt. Festlich geschmückt war Bregana nur einmal in all diesen Jahren, und zwar in der Nacht vom 30. Juni auf den 1. Juli, als es galt, den Beitritt Kroatiens zur Europäischen Union zu feiern. Eine Kapelle der ungarischen Zoll- und Finanzbehörde spielte auf, waren doch zur Feier neben dem kroatischen Finanzminister Slavko Linić auch der ungarische Minister für nationale Wirtschaft Mihály Varga und der slowenische Finanzminister Uroš Čufer gekommen. Am Buffet vor dem Zollgebäude feierten kroatische und slowenische Zöllner mit einer Freude, die an die Zeiten erinnerte, als beide Staaten noch im kommunistischen Jugoslawien in „Brüderlichkeit und Einheit“ verbunden waren. In trauter Zweisamkeit geteilt wurden auch kleine Geschenke für zwei PKW, die die Grenze passierten. Das erste erhielt der letzte kroatische Fahrer, der vor Mitternacht noch eine „Zollkontrolle“ über sich ergehen lassen musste, das zweite bekam ein Slowene, der unmittelbar nach Mitternacht bereits ohne Überprüfung durch Zöllner nach Kroatien einreiste. Beide Fahrzeuge und ihre Insassen hatte das Protokoll vorher festgelegt, ein schönes Beispiel dafür, dass Ereignisse für die Medien inszeniert werden. Um Punkt 00 : 00 Uhr am 1. Juli 2013 entfernte Slavko Linić von der Wand des Gebäudes die Tafel des kroatischen Zolls, die ungarische


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