Der Samurai-Manager. Reinhard Lindner

Der Samurai-Manager - Reinhard Lindner


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dem Platzen der IT-Blase, gefolgt von der Finanzkrise, haben auch die Japaner gemerkt, dass „lifetime employment“9 selbst Toyota, Hitachi oder auch Mitsubishi auf Dauer nicht bieten können.

       Worauf achten Sie im Umgang mit Ihren Mitarbeitern?

      Ich achte auf stilvolle Manieren. Hier zählt die gute alte Schule noch. Anstand und traditionelle Werte werden hier noch großgeschrieben. Tödlich wäre es, die Beherrschung zu verlieren oder laut zu werden, da disqualifiziert man sich hier nur selber und das ganz schnell.

       Wie motivieren Sie Ihre Leute?

      Ich zeige jedem einzelnen, dass er/sie hier eine Zukunft in unserem Unternehmen hat. Ich rekrutiere die Manager, wenn irgendwie möglich, aus den eigenen Reihen. Es gibt wenige, aber dafür attraktive Incentives.10 Zum Beispiel läuft im Vertrieb ein Wettbewerb für eine Reise nach Hawaii. Die Wettbewerbe sind so angelegt, dass jeder gewinnen kann und nicht nur die Stars. Dies ist eine globale Vorgehensweise von Würth. Zusätzlich bringe ich etwas europäischen Führungsstil mit ein, indem ich den Mitarbeitern mehr Eigenverantwortung gebe.

       Was ist wichtig, wenn man auf den japanischen Markt will?

      Die Devise laute hier „think big“: ein Konzept ausfeilen bis ins Detail und dann groß umsetzen, keine Halbherzigkeiten. Viele Unternehmen machen den Fehler, dass sie hier eine Niederlassung gründen, meist um auf der Landkarte einen Haken dranzusetzen, sie machen dann aber den zweiten Schritt nicht.

      IKEA war bereits vor 35 Jahren auf dem japanischen Markt. Damals waren in einigen Department-Stores IKEA-Abteilungen eingerichtet, wo bereits zusammengebaute Schränke und Regale standen. Denn die Japaner sind keine Hobbybastler, war die allgemeine Überzeugung. IKEA schlummerte über zwei Jahrzehnte in der Bedeutungslosigkeit. Bis 2004 der damals drittgrößte IKEA-Store der Welt mit über 40.000 m2 Verkaufsfläche eröffnete und das IKEA-Prinzip konsequent umgesetzt wurde. In der Zwischenzeit gibt es in Japan schon fünf solche Stores und IKEA läuft prächtig im Land der aufgehenden Sonne. Starbucks-Gründer Howard Schultz war der Erste, der in Japan ein Nichtraucherlokal eröffnete. Niemand glaubte an seinen Erfolg. Doch er hatte die Starbucks-Idee konsequent umgesetzt, und heute ist er ein Big Player und Japan ist sein zweitwichtigster Markt geworden.

       Was können Sie ausländischen Unternehmen noch empfehlen?

      Verlassen Sie sich nicht zu sehr auf Ihre Partner, wenn Sie nach Japan gehen. Der Partner hält eher die Marke klein. Das ist historisch bedingt. Der Japaner in einem ausländischen Unternehmen ist nicht der Initiator. Er hinterfragt auch nichts. Er ist eher das ausführende Organ. Das ganze japanische Bildungssystem hat sehr viel mit dem Auswendiglernen zu tun. Dies beginnt schon mit der Schrift, die muss man mit hoher Konsequenz und viel Disziplin einfach Auswendiglernen. Deshalb haftet der Japaner sehr stark am Geschriebenen und vertraut dem auch. Wenn zum Beispiel bei einer Gebrauchsanweisung steht: „Verwenden Sie einen Reiniger, so einen wie von Würth“, dann nimmt der Japaner einen von Würth und hinterfragt nicht, welche es noch gibt, weil er dies der Informationsbroschüre so entnommen hat.

       Was haben Sie persönlich von den Japanern gelernt?

      Gelassenheit, und dass Harmonie vor Macht und Geld steht. Die Japaner sind sehr diszipliniert. Dies sieht man in allen Lebenslagen. Zum Beispiel: Der Shinjuku-Bahnhof in Tokio hat eine Tagesfrequenz von 12 Millionen Menschen. Und es passiert nichts, hier wird Disziplin täglich gelebt. Gegenseitiger Respekt und Achtsamkeit werden hier noch gelebt, wie bei den alten Samurai.

       THOMAS NOLTING

       Vorstand Correns Corporation

      Vorbemerkung: Die Correns Corporation wurde 1948 in Japan gegründet. Das Kerngeschäft ist der Verkauf, inkl. Wartung, von europäischen Maschinen und Anlagen in Japan. Das Unternehmen beschäftigt rund 180 Mitarbeiter, vorwiegend Verkaufs- und Wartungs-Ingenieure. Seit der Gründung des Unternehmens konnten „schwarze Zahlen“ geschrieben werden. Herr Nolting kam 1985 nach Japan und arbeitet seit 1992 bei Correns in Tokio.

       Zählt in Japan die Handschlagqualität immer noch stark?

      Versteht man den Begriff sinnbildlich (denn Japaner geben sich ja bekannterweise nicht die Hand, sondern verbeugen sich voreinander), kann die Frage mit „Ja“ beantwortet werden. Japaner scheuen lange und komplizierte Verträge und bringen dem Partner Vertrauen entgegen. Vor einigen Jahren konnte Correns ein Projekt für damals ungefähr 30 Millionen DM abschließen – der Auftragsbogen mit allen Konditionen passte auf eine einzige DIN A4-Seite. Allerdings sind Japaner durch schlechte Erfahrungen bei Auslandsgeschäften vorsichtiger geworden.

       Was haben Sie von den Japanern gelernt?

      Zwei Punkte fallen mir sofort ein:

      „Nemawashi“, das heißt, die geschickte Vorbereitung einer Besprechung, in der Entscheidungen gefällt werden sollen. Durch individuelle Vorgespräche mit den Besprechungsteilnehmern versucht man, gegensätzliche Standpunkte zu überbrücken. In der Besprechung selber wird dann die Lösung vorgetragen, die von allen Teilnehmern getragen – und später auch von allen unterstützt wird.

      Disziplinierte Gesprächsführung: Japaner lassen das Gegenüber ausreden und fallen sich nicht gegenseitig ins Wort. So können auch eher zurückhaltende Teilnehmer ihre Ideen vorbringen.

       Wie motivieren Sie Ihre Mitarbeiter?

      Ich beziehe meine Kollegen in die für sie relevanten Entscheidungsprozesse ein, lasse ihnen genügend Spielraum und ermuntere sie zu Eigenverantwortung. Das beinhaltet natürlich eine weitreichende Delegation von Verantwortlichkeit.

       DR. JÖRN WESTHOFF

       ehem. Anwaltskanzlei Sonderhoff & Einsel

      Vorbemerkung: Die Kanzlei existiert seit 1910 und hat fünf japanische Anwälte, circa zwanzig japanische Patentanwälte und insgesamt mehr als hundert Mitarbeiter. Viele davon sind auch in der Übersetzung tätig. Das Unternehmen ist unter anderem auf Patentrecht spezialisiert und betreut von Tokio aus viele deutsche und österreichische Mandanten. Dr. Westhoff, Anwalt und Ostasienwissenschaftler, war dort bis Ende 2011 beschäftigt. Mittlerweile arbeitet er in Deutschland für die Kanzlei Dr. Wehberg und Partner GbR in Hagen/Westf., wo er weiterhin deutsche und österreichische Unternehmen sowie Mandanten aus ganz Europa bei ihren Geschäften in Japan berät und unterstützt. Er ist außerdem Professor für deutsches und internationales Wirtschaftsrecht an der FOM Hochschule in Essen. Das Interview wurde im Jahr 2010 geführt.

       Sie sind seit zehn Jahren in Tokio als Anwalt tätig. Was hält Sie in dieser 30-Millionen-Metropole?

      Ein anständiges Gehalt. Es ist tatsächlich so, dass nicht nur die Arbeit hier sehr anspruchsvoll ist, sondern auch wirklich gut bezahlt wird. Was mich noch fasziniert hier ist die unglaubliche Serviceorientierung der Japaner. Jeder versucht einem hier das Leben so leicht wie möglich zu machen. Nach zehn Jahren spüre ich immer noch die Gastfreundschaft und werde in vielen Fällen als Gast behandelt.

       Welche Gesellschaftsformen sind in Japan üblich?

      Es gibt hier natürlich die OHG und die KG, aber üblich ist die AG. Interessanterweise wurde die GmbH abgeschafft. Sie galt nicht als kreditwürdig, der Begriff für GmbH klingt auch im Japanischen wenig vertrauenswürdig.

       Wie hoch ist die Mindesteinlage bei einer AG?

      Ein Yen pro Aktie. Also ist das Haftungskapital stark beschränkbar, wenn man das will.

       Sehen die Banken darin weniger Risiko?

      Anscheinend schon alleine die Bezeichnung als AG vermittelt ein Gefühl der Größe, und manche Unternehmen machen sich dies im Ausland vielleicht auch zunutze. Es ist eben


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