Der Samurai-Manager. Reinhard Lindner

Der Samurai-Manager - Reinhard Lindner


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als Jurist und Japanologe ausländischen Investoren, damit sie am japanischen Markt erfolgreich werden? Wichtig ist, dass man hier ernst genommen wird, und dafür braucht man ein innovatives Produkt. Man muss groß sein oder wirken. Oder zumindest eines von beiden, also innovativ oder groß. Innovation wird in Japan ganz groß geschrieben, nicht zuletzt, weil die Japaner ja auch furchtbar neugierig sind.

       Was haben Sie von den Japanern hier gelernt?

      Gelassenheit. Nein, gelassen war ich immer schon. Vielleicht doch eine Spur mehr Gelassenheit, und ich sehe, die tut mir gut.

       Wie viele Stunden arbeiten Sie hier pro Woche?

      Im Schnitt auch nicht mehr als vierzig. Allerdings reise ich viel, und da kommt dann schon mehr zusammen.

      Alleine von den Aussagen dieser Interviewpartner können wir ein Gespür dafür entwickeln, wie stark bis heute Teile des Samurai-Geistes noch in der japanischen Gesellschaft, Kultur und in deren Unternehmen verankert sind.

      Was aber wurde aus den Samurai, welche durch die neue Waffentechnologie aus den fernen Vereinigten Staaten von Amerika ihre Bedeutung verloren hatten?

      Im Jahr 1868 wurde der Shogun in Kyoto abgesetzt, seine Machtbefugnisse gingen an den Kaiser über. Dieser verlegte seinen Sitz nach Edo (heute Tokio) und hat seit diesem Zeitpunkt vorrangig repräsentative Aufgaben. 1881 waren weniger als fünf Prozent der Bevölkerung Samurai. Sie hatten aber 40 Prozent der Schlüsselpositionen im Staat, insbesondere in der Verwaltung, besetzt. Der Grund dafür war nicht ihre überdurchschnittliche Bildung, sondern vielmehr das Vertrauen, das sie in der Bevölkerung genossen, basierend auf ihren Werten, die sie und ihre Vorfahren über Jahrhunderte gelebt hatten.

      

Die Samurai genossen großes Vertrauen in der Bevölkerung.

      In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden den Samurai von der Regierung Ländereien zur Verfügung gestellt, um diese gewinnbringend zu bewirtschaften. Bereits 1882 stammten 75 Prozent der Einlage der japanischen Nationalbank aus Erträgen, welche die Samurai erwirtschaftet hatten. Daher überrascht es uns wenig, dass der erste Präsident der JNB (Japan National Bank) ein ehemaliger Samurai war.

      Viele vormalige Samurai ließen sich im Handel und im Schiffsbau nieder und vernetzten sich so im ganzen Land. Sie führten ihre Unternehmen nach dem Kodex der Samurai, so wie sie ihn über Generationen hinweg auch gelebt hatten. Historiker sind bis heute davon überzeugt, dass der rasche Wiederaufbau Japans nach dem Zweiten Weltkrieg und der kometenhafte Aufstieg des Landes zu den größten Wirtschaftsmächten der Welt dem Geist der Samurai zu verdanken sind. In vielen japanischen Weltkonzernen finden wir die Wurzeln von Samurai-Familien. Hier einige Beispiele.

       Nomura Group

      Der Gründer Tokushichi Nomura wurde 1850 als Sohn eines Samurais, welcher auch der Herr der Burg von Osaka war, geboren.11 Der derzeitige CEO der global tätigen Investmentbank und eines der weltweit führenden Brokerhäuser führt den atemberaubenden Erfolg des Unternehmens auf den „Code of Ethics“ zurück. Dieser ist in 20 Punkte gegliedert und deckt sich stark mit den Werten, welche der Unternehmensgründer von seinem Vater in Form des Samurai-Kodex vorgelebt bekommen hat.

       Sumitomo Corporation

      Das Unternehmen zählt heute zu den Weltmarktführern in der Elektronikindustrie. Seine Geschichte geht zurück bis ins 16. Jahrhundert, als der Gründer Masatomo Sumitomo als Sohn eines Samurais aus Osaka erwähnt wird.12 Über Jahrhunderte hinweg prägte das Unternehmen ethische Grundsätze für den Umgang mit Waren, Dienstleistungen und Menschen. Die Ziele von Stärke und Wohlstand gründeten sich auf Werte wie Integrität, Flexibilität, Vorsicht und Gewinnstreben, ohne gegen nationales und öffentliches Interesse zu verstoßen. Die langfristige Entwicklung steht vor kurzfristigem Gewinn. Sumitomo erzielt auch heute noch, trotz aller Krisen bei japanischen Unternehmen, Milliardengewinne und gibt somit dem Begründer Recht.

       Continental Airlines

      Als Gordon Bethune CEO von Continental Airlines wurde, stand das Unternehmen kurz vor der Pleite. Jeder, der die Geschichte von Continental Airlines kennt, weiß, dass der Vorstandvorsitzende in den Jahren des Turnarounds die Reinkarnation eines Samurai-Kriegsherrn war. Er konzentrierte sich auf das Wesentliche und agierte extrem pragmatisch: „Wenn du im Pizzageschäft bleiben willst, musst du früher oder später eine gute Pizza abliefern. Wenn man eine Fluggesellschaft betreiben will, muss man erstens die Menschen pünktlich ans gewünschte Ziel bringen, zweitens das Gepäck gleichzeitig mit dem Kunden abliefern, drittens lächelnde Mitarbeiter haben. That’s it!“13

      Alles, was er von seinen Mitarbeitern erwartete, war er bereit, auch selbst zu tun. Er handelte streng nach dem Motto „Go first“. Seine Aussagen waren gleichzusetzen mit der Tat, eine der Tugenden, welche den Samurai über fünf Jahrhunderte höchstes Ansehen einbrachten. Gordon Bethune hat mit der Implementierung des Samurai-Kodex in die Fluggesellschaft bewiesen, welche Nachhaltigkeit Werte im Unternehmen erzeugen können, und das Unternehmen wieder zur ertragreichsten Fluglinie der Vereinigten Staaten von Amerika gemacht.

       Der Politik von heute fehlt es an Samurai, sie wird von Söldnern betrieben! 14

      Diese Aussage des Grazer Bürgermeisters Mag. Siegfried Nagl hat mich beflügelt, das Projekt „Der Samurai Manager“ voranzutreiben. Wir sehen, dass das Thema „Werte“ in allen Gesellschaftsschichten präsent ist und eine fundamental wichtige Rolle einnimmt. Wenn wir uns nicht an Werten orientieren, woran denn sonst? In vielen Interessengemeinschaften gibt es einen Kodex: Bei den Ärzten beispielsweise den Hippokratischen Eid. Aber auch die meisten Armeen, die Pfadfinder und auch die Rechtsanwälte haben Leitbilder, an denen sie sich orientieren. Für Manager hat sich nichts dergleichen entwickelt und das ist ein Problem.

      So wie jedes geschäftliche Ziel in weiterer Folge eine Vision in sich trägt, braucht ein Manager nicht nur eine Vorstellung, was er werden will, sondern vor allem, wie er werden soll. Mit welchem Führungsmodell setzt er seine Ziele durch? Wie sieht seine Leitlinie aus, die ihn auch in schwierigen Zeiten sicher führt? Er benötigt etwas, das ihm Halt gibt, einen Kodex.

      

Der Manager braucht einen Kodex!

      Der Samurai-Kodex ist eine jahrhundertealte Verhaltensrichtlinie und hat keine festgelegte Form. Die Richtlinie, wie wir sie heute verstehen, leitet sich vom „Bushido“ ab. Bushido – japanisch 武士道, wörtlich: „Weg (dō) des Kriegers (Bushi)“ – bezeichnet den Verhaltenskodex und die Philosophie des japanischen Militäradels im späten Mittelalter – der Samurai. Seine Popularität und Bekanntheit verdankt der Begriff in besonderer Weise dem 1899 in englischer Sprache erschienen Werk Bushido – the Soul of Japan von Inazo Nitobe.15

      Demnach ist Bushido ein ungeschriebener Kodex:

      Bushido ist also der Kodex jener moralischen Grundsätze, welche die Samurai beobachten sollten. Es ist kein in erster Linie schriftlich fixierter Kodex; er besteht aus Grundsätzen, die mündlich überliefert wurden und nur teilweise aus der Feder wohlbekannter Ritter oder Gelehrter flossen. Vieles davon spiegelt sich bereits im ‚Buch der fünf Ringe‘ vom Samurai Fechter und Philosophen Myamoto Musashi (16. Jh.) wider. Wu Sunzi weist in seinem bis heutigen Bestseller ‚Die Kunst des Krieges‘ bereits 300 vor Christus auf ähnliche Prinzipien hin. Es ist ein Kodex, der wahrhafte Taten heiligspricht, ein Gesetz, das im Herzen geschrieben steht. Bushido gründet sich nicht auf die schöpferische Tätigkeit eines fähigen Gehirnes oder auf das Leben einer berühmten Person. Es ist vielmehr das Produkt organischen Wachsens in Jahrhunderten militärischer Entwicklung.16 (…)

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