Estrichgeschichte. Walter Böhl

Estrichgeschichte - Walter Böhl


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      Verarbeitungsfertige Konsistenz bei der nassen Methode. Hier sind Strohhäcksel als „Faserbewehrung” eingemischt (Bild: Gideon Weinrich).

      Verarbeitungsfertige Konsistenz bei der trockenen Methode (Bild: Walter Böhl).

       Die nasse Methode

      Bei der nassen Methode wird der Lehm durch Mischen mit Wasser in eine weichbreiige Konsistenz gebracht. In Ermangelung von Mischmaschinen hat man Wasser und Lehm in Gruben geschüttet und barfuß durch Treten vermischt. Hilfsweise hat man auch ein Tier, z. B. ein Rind, in dieser Grube im Kreis laufen lassen.

      Der Estrichmörtel wird dann in breiiger Konsistenz verlegt. Bei der nassen Ausführung entstehen beim Trocknen erhebliche Risse, die immer wieder zugestampft werden müssen, oder man nimmt diese einfach in Kauf und wartet, bis sie sich durch die laufende Benutzung von alleine schließen. Das benötigt allerdings viel Zeit.

      Mischen von Lehm nach der nassen Methode. Das Mischen erfolgt durch Treten mit den Füßen. Teilrekonstruktion der hethitischen Stadtmauer in Boğazköy-Hattuša (Bild: Archiv der Boğazköy-Expedition des Deutschen Archäolgischen Instituts; Rekonstruktion einer hethitischen Stadtmauer [Jürgen Seher]).

      Verlegen von Lehmestrich nach der nassen Methode. Boğazköy-Hattuša (Bild: Archiv der Boğazköy-Expedition des Deutschen Archäolgischen Instituts [Jürgen Seher]).

      Typische Schwundrisse bei der nassen Methode (Bild: Walter Böhl).

      Lehmestrich nach längerer Gebrauchsdauer mit geschlossenen Rissen (Bild: Walter Böhl).

       Verlegung von Lehmestrich nach der trockenen Methode (historisch)

      Der ausgegrabene Lehm wurde in Schichten von ca. 8 cm grob auf der Fläche verteilt und dann mit hölzernen Schlegeln so lange geschlagen, bis durch die Schläge keine Eindrücke mehr entstanden. Die endgültige Schichtdicke betrug bei Böden gegen Grund mit hoher Beanspruchung, wie z. B. Tennen, ca. 30 cm, in den übrigen Räumen ca. 15 cm und auf Balkendecken ca. 8 cm. Nachdem eine Schicht abgetrocknet war, zeigten sich Risse, die erneut zugeschlagen wurden. Die weiteren Schichten wurden in gleicher Art hergestellt. Zum Schluss wurde die Oberfläche vergütet. [7]

      Diese Beschreibung ist etwas generalisiert. Die genauen Methoden unterscheiden sich im Detail. Örtlich haben sich unterschiedliche Methoden entwickelt, die auch davon abhängen, ob der Lehm fett oder mager ist. Man kann z. B. den Lehm vor Einbau fein zerhacken (zerkrümeln) und ihn so gleichmäßig einbauen oder in größeren Brocken auf die zu belegende Fläche aufbringen und ihn dort zerhacken und feststampfen. Es haben sich auch Mischformen der Verarbeitung entwickelt. Aus der „Enzyklopädie der Wissenschaft und Künste“ von 1843 [9] wurde folgende Verarbeitungsanleitung entnommen:

       Das Verfahren auf dem nassen Wege wird wie folgt gelehrt. Man grabe den Boden da, wo es nöthig ist, wo nämlich die Tenne mit der äußeren Bodenfläche waagrecht oder doch nur ein Wenig über derselben erhöht liegen soll, etwa 1 Fuß tief und darüber aus, ebne die Grundfläche und fülle das Ganze mit kleinen Kieseln. Die eben gerecht und fest zusammengestoßen werden. Über diese Kiesellage bringe man eine etwa 4 Zoll dicke Lage trockenen, klein geschlagenen Thones und stampfe diesen fest. Darauf schütte man nach und nach mit Wasser verdünnten Thon, so wird sich die Feuchtigkeit in die untere trockene Lage hineinziehen und die obere leicht erhärten. Hier aber entstehen Risse; diese schlägt man jetzt mit Pritschbläueln sorgfältigst zusammen, bis die Oberfläche vollständig geebnet und der Estrich trocken ist. Nun nimmt man Rindsblut, zur Häfte mit Wasser und mit dem feinsten Thone vermischt, und trägt diese Mischung mit einem Maurerpinsel auf. Wenn dieser Überzug trocken ist, wiederhole man ihn noch einige Male, und so lange bis keine Risse mehr sichtbar werden.

      Stampfwerkzeuge für Lehmestrich (Bild: Walter Böhl).

       1.4 Maßnahmen zur Qualitätsverbesserung

      Lehmestriche ohne eine weitere Vergütung stauben und sind gegenüber kratzender Beanspruchung empfindlich. Für höhere Ansprüche wurden deshalb schon früh zahlreiche Methoden zur Verbesserung entwickelt, auf die man die heute üblichen Fachbegriffe durchaus anwenden kann.

       Faserbewehrung

      Bei der nassen Methode wurde alles, was faserig ist, z. B. Strohhäcksel, Roggenspelzen oder Tierhaare, beigemischt. Dadurch wurde vermieden, dass sich einzelne große, dafür aber viele kleine Risse bildeten, die leicht zu schließen waren.

       Polymermodifizierung

      Eine weitere Verbesserung der Mörteleigenschaften wird auch schon sehr früh beschrieben. [7 / 9] Man nahm Blut, verdünnte dies im Verhältnis von 1 : 2 und gab es bereits während des Mischvorgangs für die oberste Schicht zu. Eine weitere Möglichkeit bestand darin, das verdünnte Blut während des Schlagens der Oberfläche einzuarbeiten oder die fertige Oberfläche damit zu behandeln. Einige Literaturstellen berichten auch von der Zugabe von Milch bzw. Milchprodukten. Das wirkte auch wie ein Plastifikator bzw. Verflüssiger.

       Verflüssiger

      Man hat wohl beim Einsatz von Rindern während des Durchmischens des Mörtels empirisch festgestellt, dass sich auch Urin als Verflüssiger eignet. Somit wurde also weniger Wasser benötigt, um die gleiche Mörtelkonsistenz zu erreichen.

       Hartstoffeinstreuung

      Sowohl bei der nassen als auch bei der trockenen Methode kann man zusätzlich Sand in die Oberfläche einstampfen. Es gibt zahlreiche Literaturstellen, die auch das Einstampfen von Hammerschlag beschreiben. Hammerschlag ist der metallische Abfall, der beim Schmieden anfällt. Das wäre fast eine frühe Anwendung der Hartstoffgruppe M. [7] Praktisch war das wohl die Ausnahme, obwohl es sehr oft erwähnt wird. Hauptsächlich ist wohl Sand verwendet worden. Nach heutigem Sprachgebrauch wäre das eine integrierte Verschleißschicht.

       Imprägnierung

      Sowohl bei der nassen als auch bei der trockenen Methode bleibt die Oberfläche staubig. Bei bestimmten Arten der Nutzung, z. B. in einer Küche, stellte sich aber nach einiger Zeit eine dichte, „speckige“ Oberfläche ein, die nicht mehr staubte. Dadurch hat man wohl die Erfahrung gewonnen, dass man diesen Effekt auch durch Einlassen der Oberfläche mit Fetten und insbesondere auch durch trocknende Öle, wie z. B. Leinöl, erreichen konnte. [7]

       1.5 Fertigteilestrich

      In Hünengräbern wurden Lehmestriche in Platten gefunden, deren Fugen verstrichen (verfugt) waren. Der Lehm stammte nicht aus der unmittelbaren Umgebung. [6] Es ist deshalb anzunehmen, dass diese Lehmplatten nicht an Ort und Stelle, sondern woanders hergestellt und getrocknet wurden. Auf diese Art und Weise wurden auch Lehmziegel hergestellt.

      Lehmestriche wurden auch noch in der neueren Zeit in Kellerräumen ausgeführt. Dann verschwanden der Lehmestrich und der Lehmbau in Deutschland fast völlig. 1971 wurden alle Normen und Vornormen, die sich mit Lehmbau befassten, ersatzlos zurückgezogen. Erst seit August 2013 gibt es wieder „Lehmnormen“.

       1.6 Lehmestrich heute

      Mittlerweile gibt es eine sehr agile Lehmbauszene. Der Dachverband


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