Bionik. Bernd Hill
können, finden sich wesentliche Konstruktionsele-
mente der Gewächshäuser im Dachaufbau des Kristallpalastes wieder. Diese Tatsache
zeigt sich auch bei der Vorderseite der halbkreisförmigen Palastkuppel. Hier wird
das Prinzip der radialen Verrippung in den gusseisernen Stützelementen deutlich.
Der Londoner Kristallpalast weist freilich ähnliche Stabilitätsstrukturen wie
die Blattunterseite der Riesenseerose auf. Insgesamt betrachtet war es ein Ent-
wicklungsprozess von Gewächshäusern, den Paxton vollzog, an dessen Ende der
Kristallpalast als Ergebnis stand.
Vorbild bei diesem Prozess war nach Aussage Paxtons das biologische
Stabilisierungsprinzip, welches nach den konstruktiven Anforderungen an die
Glashauskonstruktionen zielgerichtet verändert wurde. Anzunehmen ist auch,
dass Paxton zusätzlich von den Fensterrosen gotischer Kirchen mehr oder weniger
inspiriert worden sein könnte. Diese weisen ähnliche Muster auf.
Das erläuterte Vorgehen entspricht der bionischen Denk- und Handlungs-
weise. Hierbei geht es bei Übertragungen aus der Natur darum, das Prinzip des
biologischen Vorbildes zu erkennen und dieses dann schrittweise durch Vari-
ation seiner zugrunde liegenden Strukturmerkmale in eine technische Lösung
umzusetzen. Insofern hat die technische Lösung mehr oder weniger Ähnlichkeit
mit dem biologischen Vorbild. So verhält es sich auch bei der Dach- und Kuppel-
konstruktion des Londoner Kristallpalastes.
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Ähnlichkeit von Lösungsmustern in Natur und Architektur
NATUR
ARCHITEKTUR
Stängelquerschnitt
vom Tausendblatt
Rosenfenster der
Kathedrale von Reims
Teil der Blattunterseite
der Riesenseerose
Rosenfenster der
Kathedrale von Chartres
19
E
rst seit dem 19. Jahrhundert sind die Gebiete in der Nähe des Äquators
erforscht. In dieser Zeit entwickelten sich stürmisch die Natur- und Technikwis-
Die Zeit der Pflanzenjäger
AUF DER SUCHE NACH
DEM GRÜNEN GOLD
3
senschaften. Die rasch entstehende Industrie brauchte Rohstoffe, vor allem solche,
die in Europa nicht zu finden waren. Aus diesem Grund wurden verstärkt Anfang
des 19. Jahrhunderts Forschungsexpeditionen ausgerüstet und in ferne Länder
geschickt. Sie hatten die Aufgabe, geografische Vermessungen durchzuführen,
die Bodenschätze zu erkunden sowie die Tier- und Pflanzenwelt zu erforschen.
Das war auch die Zeit der tollkühnen Pflanzenjäger. Wohlhabende Liebhaber
exotischer Pflanzen schickten Pflanzenjäger nach Afrika, Südamerika und in an-
dere Teile der Welt aus, um dort seltene Exemplare, besonders aber Orchideen,
zu sammeln.
Die ausgeprägte Orchideenliebhaberei lässt sich mit dem „Tulpenwahn“ in
den Dreißiger Jahren des 17. Jahrhunderts in Holland vergleichen. In England
war es in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts dagegen der „Orchideenwahn“.
Aus Überlieferungen ist bekannt, dass für seltene Orchideen Preise von etwa
15 bis 700 Pfund gezahlt wurden. Das war in der damaligen Zeit schon ein
stattliches Vermögen. Spötter haben diese „neue englische Suchtkrankheit“ das
Orchidelirium genannt. Orchideen und andere exotische Gewächse wurden als
Repräsentationsobjekte in extra dafür eingerichteten Salons ausgestellt.
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Orchideensammler
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Die Blüte dieser exotischen Pflanzen wurde dabei stets als gesellschaftliches
Ereignis gefeiert. 1871 gelangte eine neue Orchidee nach England, die man da-
mals als Sobralia mystica bezeichnete. Auf Grund ihres Aussehens wurde sie
als heilige Orchidee verehrt. Die gelblichweißen Blütenblätter wiesen in ihrer
Gestalt die Ähnlichkeit mit einem Kreuz auf. Man sagte, dass die mit winzigen
roten Punkten versetzten Blütenblätter aussähen, als hätte ein feiner Sprühregen
von Blut die Blüten benetzt. Der in Philadelphia lebende holländische Orchideen-
liebhaber Joshua Lovendaal soll damals für ein einziges Exemplar die stattliche
Summe von 50.000 Dollar geboten haben.
Die Pflanzenjäger mussten unter großen Strapazen in unbekannte Gebiete
vordringen und nach dem grünen Gold suchen. Vor jedem Fund türmte der
Regenwald einen Berg von Gefahren auf. Viele Pflanzenjäger ließen bei dieser
Raritätensalon
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