Geheime Kraft der Farben. Dougall Fraser

Geheime Kraft der Farben - Dougall Fraser


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tragen einen feierlichen weißen Leinenkittel als Verkörperung der Reinheit, während Yogis der Kundalini weiße Baumwollkäppchen aufsetzen, um ihre Auren zu erweitern und Achtsamkeit zu praktizieren. Außerhalb der Religionen kleiden sich Ärzte Weiß, um zu betonen, dass sie auf penible Sauberkeit achten und um ein Gefühl ruhiger Kompetenz auszustrahlen. Ich trage beim Schreiben gerne Weiß, weil ich dadurch einen klaren Kopf bekomme und weil die Farbe das Bewusstsein für meine Wahrheit schärft, die ich mit meinen Lesern teile. Weiß ist auch die Farbe, die am häufigsten mit Sauberkeit, Neuanfängen und dem größeren Gesamtwohl in Verbindung gebracht wird.

      Weiß ist nützlich, wenn wir unsere Energie rasch klären müssen, zum Beispiel, während wir in einem stressigen Verkehrsstau stecken oder uns um ein weinerliches Baby kümmern müssen. Es hat mich schon während eines Flugs gerettet, als meine Sitznachbarin beschloss, sich die Fingernägel zu lackieren. Wenn Sie lethargisch, schwunglos oder erschöpft sind, kann Weiß hilfreich sein.

      Stellen Sie sich vor, Sie wollen ein unordentliches Zimmer in Ihrem Haus aufräumen. Sie betreten den Raum und machen das Licht an. Dieses weiße Licht beleuchtet alles und lässt Sie erkennen, welche Gegenstände Sie behalten müssen und welche Sie entsorgen sollten. Genauso funktioniert es, wenn wir bei uns selbst Weiß anwenden. Das weiße Licht erhellt die Teile unseres Wesens, die unsere Aufmerksamkeit benötigen, wie auch die Aspekte, die wir loslassen können.

      Unterschiedliche Kulturen verwenden Weiß als Symbol des Übergangs. In den USA trägt die Braut Weiß als Ausdruck von Reinheit und Neuanfang. Die meisten von uns bekommen beim Anblick der strahlenden Braut automatisch ein Gefühl der Hoffnung für das Leben, das das Brautpaar gemeinsam beginnt. Auch beschreiben Menschen, die ein Nahtoderlebnis hinter sich haben, häufig die Vision, von einem weißen Licht angezogen zu werden. In asiatischen Kulturen wird Weiß oft mit Tod und Trauer in Verbindung gebracht. Ich habe zahlreiche japanische Klienten, denen es aufgrund dieser Bezüge zum Tod widerstrebt, mit Weiß zu arbeiten. Für mich sind Geburt und Tod jedoch nur zwei Seiten derselben Medaille. Jedes Ereignis markiert das Ende eines Kapitels und die Erneuerung oder den Anfang des nächsten Kapitels.

      Wenn wir Weiß verwenden, beabsichtigen wir, bei dem, auf das wir uns gerade konzentrieren, neu durchzustarten. Weiß steht für ein neues Kapitel und eine neue Reihe von Vorhaben; es verschafft uns ein Gefühl der Klarheit im Leben.

      Weiß war für meine neue Klientin Charmaine, die über meine Webseite einen Termin mit mir ausgemacht hatte, besonders nützlich. Die Arbeit mit neuen Klienten beginnt mit einer telefonischen Einführung, bei der wir über ihre Ziele sprechen und ich mich intuitiv mit ihrer Energie verbinde, um den besten Weg zu finden, wie sie weiterkommen können. Die Farben, die ich um sie herum sehe, verraten mir häufig die Themen, auf die wir uns konzentrieren sollten. Um Punkt eins wähle ich Charmaines Nummer, um die Verbindung für unsere erste Sitzung herzustellen.

      „Hallo, sind Sie Dougall?“, fragt eine leise Stimme am anderen Ende der Leitung, die etwas abgehackt klingt.

      „Hi, Charmaine, hier ist Dougall. Sind Sie gerade am Handy?“, frage ich.

      „Ich - habe - kein - Festnetz“, antwortet sie.

      Handys sind mir ein wachsender Dorn im Auge, da Klienten sie manchmal für Sitzungen an den unmöglichsten Orten verwenden. Ich habe schon Klienten erlebt, die mich aus dem Einkaufszentrum, einem Auto voller Fahrgäste, dem Supermarkt oder sogar in der Schlange vor dem Postschalter angerufen haben! Am meisten profitiert man jedoch von einer Session an einem stillen Ort, an dem man sich wirklich auf die Informationen konzentrieren kann, die hereinkommen.

      Während Charmaine spricht, merke ich sofort, dass sie nicht nur am Handy ist, sondern auch abgelenkt wird. Im Hintergrund höre ich den Wind rauschen und ein Radio.

      „Fahren Sie gerade Auto, Charmaine?“

      Sie bricht in Tränen aus. „Ich konnte mir … einfach nicht die Zeit nehmen. Ich muss die Kinder von der Schule abholen, und heute hat alles länger gedauert. Alles steht Kopf und …“

      In weniger als drei Minuten hat Charmaine mir ihre derzeitige Situation erklärt. Ich bitte sie, für einen Moment am Straßenrand anzuhalten, damit wir uns besser konzentrieren können. Wie ich festgestellt habe, verraten mir die ersten drei Minuten einer Sitzung - egal, ob es sich um eine Beratung oder ein Reading handelt - ganz viel über das Leben eines Menschen. Hier haben wir eine Klientin, die sich keine halbe Stunde für sich selbst nehmen kann. Sie ist schon emotional aufgeladen, und dabei habe ich mich erst vorgestellt. Der Prozess unserer Zusammenarbeit hat noch nicht einmal begonnen, doch energetisch passiert schon einiges. Das ist der Teil der Energiearbeit, den ich liebe. Unsere Lebensumstände liefern uns häufig die Lernprozesse, die unsere Seele braucht, um sich weiterzuentwickeln, auch wenn wir es nicht wissen.

      „Okay, jetzt stehe ich auf dem Parkplatz der Schule. Ich habe noch ca. fünfundzwanzig Minuten, bevor sie herauskommen“, sagt Charmaine unter Tränen.

      „Super. Warum nehmen wir uns dann nicht einen Augenblick Zeit und bringen unsere Energie gemeinsam ins Gleichgewicht. Schließen Sie die Augen. Holen Sie ein paarmal tief Luft durch die Nase und atmen Sie durch den Mund aus. Und dann möchte ich, dass Sie ganz langsam in Gedanken Ihren Namen aussprechen.“

      Charmaine bleibt eine volle Minute lang still und bemüht sich, meiner Bitte Folge zu leisten. „Es fühlt sich komisch an, meinen eigenen Namen auszusprechen, so als wäre es irgendwie egoistisch. Ich würde lieber den Namen meines Geistführers sagen.“

      „Das kann ich verstehen, Charmaine, und normalerweise wäre das ein guter Weg, um sich mit dem höheren Bewusstsein zu verbinden, aber wir wollen darüber sprechen, was in diesem Augenblick geschieht. Das hier ist unsere erste gemeinsame Beratungssitzung, und was ich bisher erfahren habe, ist, dass Sie angefangen haben zu weinen, weil Sie eindeutig viel Stress haben. Sie haben gesagt, Sie hätten keine Zeit für sich selbst und müssten deswegen während unseres Termins im Auto sitzen. Sie haben erwähnt, dass es sich so anfühlt, als würde alles auf dem Kopf stehen, aber als Sie auf dem Parkplatz angekommen sind, haben Sie festgestellt, dass Sie fünfundzwanzig Minuten zu früh da sind. Was sagt Ihnen das?“

      Charmaine fängt an zu lachen. „Anscheinend habe ich doch Zeit. Ich habe es nur nicht gemerkt, weil ich immer in Eile bin, um ja pünktlich zu sein.“

      „Genau. Deswegen möchte ich, dass Sie durchatmen und Ihren Namen rufen. Wenn wir einen Raum für ein Reading, eine Beratung, Therapie oder auch nur für eine Übung betreten, müssen wir als Erstes unsere Energie anpassen und ins Gleichgewicht bringen. Indem wir uns unseren Namen wiederholt sagen, stellen wir eine Verbindung zu unserer eigenen Energie her und nicht zur Energie anderer Menschen um uns herum.“

      Während der telefonischen Erstberatung frage ich meine neuen Klienten immer nach ihren Zielen. Dann listen sie die Seiten in ihrem Leben auf, die sie ändern wollen, und wir erstellen gemeinsam einen Plan, wie das erreicht werden kann. Charmaine gibt mir einen Überblick über ihre jetzige Situation. Sie blieb die letzten acht Jahre zu Hause und passte auf ihre Kinder auf. Seit Kurzem ist sie von ihrem Mann getrennt und versorgt auch noch ihre alte Mutter, die in der Nähe wohnt.

      „Mein wichtigstes Ziel ist, Arbeit zu finden. Ich weiß nicht, was ich mit meinem Leben anfangen soll. Ich werde zwar Unterhalt und eine kleine Abfindung bekommen, aber das reicht nicht für die Art von Leben, die ich mir wünsche. Ich arbeite schon seit Jahren nicht mehr und habe das Gefühl, ich habe der Welt nichts zu bieten.“

      „Ich habe der Welt nichts zu bieten“, wiederhole ich. „Das sind ziemlich harte Worte. Ist das wirklich Ihr Gefühl?“

      Charmaine fängt wieder an zu weinen. „Ich weiß es nicht, Dougall. Es klingt schrecklich, wenn Sie es wiederholen, aber ich stecke seit langer Zeit in einer kaputten Ehe fest. Ich wollte unbedingt, dass meine Ehe funktioniert, aber tief in meinem Inneren weiß ich, dass sie mir nicht gutgetan hat. Ich kann mich gar nicht mehr daran erinnern, wer ich eigentlich bin, ohne eine Ehefrau und Mutter zu sein. Das ist zu meiner Identität geworden.“

      Während Charmaine ihre Situation schildert, wird sie für mich auf Anhieb die perfekte Kandidatin für Weiß. Hier ist eine


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