Briefgeschichte(n) Band 2. Gottfried Senf

Briefgeschichte(n) Band 2 - Gottfried Senf


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und heilsam für die Westdeutschen, dass sich Kohl und die CDU (und FDP) so selbst bekleckert haben und nun erst einmal Jahre der Aufarbeitung brauchen. Das Debakel wird sie bescheidener machen, auch gegen die Verfehlungen anderer.

      Fun: Meiner Ansicht nach kommt der „fun“ erst, nachdem man etwas mächtig geübt hat. Schule sollte kurz und schmerzlich sein. Mit 16 alle raus aus der Schule und ins praktische Leben für ein paar Jahre. Danach können dann die, die den Geist dafür haben, „studieren“. Die Universität als Ausbildungsstätte für beinahe jeden ist Blödsinn. In der Fabrik waren die besten Manager die, die einmal selbst gearbeitet hatten. Solche Menschen, die, bis sie fast 30 Jahre alt waren, nur ihr Leben in Schulen und Universitäten verbracht hatten, waren (als Menschen) unansprechbar, hatten Angst vor uns Arbeitern und verschanzten sich hinter angelernten (nicht „erfahrenen“) theoretischen Weisheiten.

      Interessiert hat uns Dein Bericht vom Besuch zum Obersalzberg, einstmals ein Schrein der Nation (mit dem „Braunen Haus“ in München und der „Neuen Reichskanzlei“ in Berlin).

      Neues in Geithain. Ob wir noch einmal dorthin kommen werden? Und nun der Artikel des Herrn Holz. Wir (meine Mutter und ich) waren nicht lange genug auf der Insel Rügen, um von den Kleinst-Siedlerstellen dort zu erfahren. Drei Transporte vom Lager bei Dresden zur Insel Rügen gab es. Wir waren im ersten Transport mit 547 Vertriebenen, nicht 800, wie ich damals schrieb. Auch bei der Zahl der Waggons hat mich meine Erinnerung völlig fehl geleitet. Herr Holz scheint mir hier die richtige Erinnerung zu haben. Da waren also 55 Personen in jedem Waggon. Schön eng! Nach Herrn Holz waren wir sechs Tage unterwegs. Mir kam es länger vor. Wenn er aber berichtet, dass der Zug über den Rügendamm nach Prora weitergeleitet wurde, dann muss ich dem widersprechen. Wir liefen über den Damm und wurden an der anderen Seite wieder in einen Zug gepfercht, der uns nach Prora brachte. Es stimmt, dass weitere Transporte am 10. November 1945 in Stralsund eintrafen. Mit denen kamen die Hopfgartner Einsiedels, denen wir kurz nach unserer Flucht über den Damm im Hafen begegneten. Herr Holz erwähnt nicht die Plakate, die gegen Ende November in Leipzig die Bevölkerung aufforderten, von Rügen geflohene „Junker“ den Behörden anzuzeigen. Ich habe solche Aufrufe damals in Leipzig gesehen. Wer ist dieser Herr Holz? War er selbst mit bei einem der Transporte oder sind diese Berichte das Ergebnis seiner Nachforschungen? Es kommt also doch mehr und mehr darüber heraus. Das freut mich, denn wenn es sich um einen so kleinen Teil der Bevölkerung handelt, dann vergisst die Geschichtsforschung leicht solche „Lappalien“, die sich natürlich gegen die ganz großen Verbrechen dieser Jahre recht unbedeutend ausnehmen.

      Wir wünschen Euch ein frohes Ostern. Nochmals herzlichsten Dank für die vielen Nachrichten. Leider hörten auch wir nichts von den Schulers in Dover, nachdem wir ihnen zur Geburt des Sohnes gratulierten. Ein Besuch im nächsten Jahr wäre großartig. Wir freuen uns schon jetzt. Alles Gute und Schöne wünschen Euch John + Gisela

       04. Mai 2000

      Lieber Herr Diederichs,

      Sie haben mir mit der Zusendung der Briefe von Kurt Klein eine sehr große Freude gemacht und ich danke Ihnen und den Mitgliedern des Heimatvereines von Herzen. Ich las eine Besprechung dieses Buches in der „Zeit“ und hatte mir vorgenommen, das Buch zu kaufen. Sie müssen etwas geahnt haben!

      Beim Lesen dieser Briefe wird es dem Leser schmerzlich bewusst, wie isoliert weltoffene Menschen wie Kurt Klein in der DDR waren. Oder irre ich mich? Warum schotteten die Machthaber Ostdeutschlands ihr Land gegen die Welt ab? Dabei hatten doch Künstler, Schriftsteller und Philosophen der DDR durchaus Weltformat und auch der Welt etwas zu bieten. Es ist zu beklagen, dass das Experiment „Sozialismus“ durch die Borniertheit der Machthaber zu Fall kam.

      Die „Suche nach der Enkelin Paul Guenthers“, wie Sie das nennen, hat uns viel Spaß gemacht und wir haben viel dabei gelernt. Übrigens waren wir im April in England und verbrachten auch einige Tage in London, wo wir Virginia und Robert trafen. Diese zwei netten Menschen werden natürlich auch nicht jünger (wir übrigens auch nicht), doch sind sie nach wie vor an allem interessiert, und damit beschäftigt, zwischen Europa, Afrika und Nordamerika hin und her zu pendeln.

      Zum 75. Jubiläum der Schule schicken wir unsere besten Wünsche. Wir erinnern uns gern an die Feiern vor 5 Jahren. Ihnen und den Mitgliedern des Vereins wünschen wir alles erdenklich Gute und Schöne. Herzlichst John und Gisela Sommer

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