Der Weg … zurück zu meinen Ahnen. Artur Weiß

Der Weg … zurück zu meinen Ahnen - Artur Weiß


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abgesteckt war, begannen die Brüder abwechselnd zu graben. Es war in Klöstitz üblich, dass die Familien für ihre Verstorbenen selbst die Gräber aushoben.

      Auf dem Hof ist Vater Messinger mit seinen Helfern dabei, die letzten Vorbereitungen zu treffen. Am Nachmittag 14 Uhr sollen alle Trauergäste gebührend empfangen werden. Für den Witwer war es von Wichtigkeit, den Pferdewagen herzurichten, mit welchem der Sarg seiner verstorbenen Frau zu Grabe gebracht werden soll. Zur Mittagszeit trafen die drei Brüder auf dem Hof ein und berichteten ihrem Vater stolz über die geleistete Arbeit auf dem Friedhof. Noch waren alle mit den Vorbereitungen beschäftigt, als die ersten Geschwister mit ihren Familien auf dem Hof eintrafen. Das Wiedersehen aller war einerseits ein freudiger Anlass, andererseits flossen bei allen die Tränen. Den Ansturm aller Geschwister hatte Anna erwartet und für sie einen großen Kessel Borschtsch gekocht. Dazu reichte sie das traditionelle bessarabische Weißbrot. Seit langem war der große Esstisch, wo vor Jahren die Großfamilie ihren Platz fand, voll besetzt. Es war nicht zu übersehen, dass es allen schmeckte. Der Vater und Großvater Messinger verspürte eine innere Zufriedenheit, wenn er so die Tischrunde beobachtete, wäre da nicht der traurige Anlass, der alle hat zusammen kommen lassen.

      Weil die Zeit unaufhaltsam vorrückte, bahrten vier der ältesten Brüder den Sarg ihrer verstorbenen Mutter auf den mit Kränzen geschmückten Pferdewagen auf. Diesen postierten sie auf dem Hof vor dem Haus. Schon waren die ersten Trauergäste auf dem Hof eingetroffen, denen noch viele von Nah und Fern folgten.

       Oberpastor Immanuel Baumann

       Trauerzug zum Klöstitzer Friedhof

      Der Hof füllte sich zusehends, bis dann Pastor Baumann von Otto und Julius mit der Kutsche zur Trauergemeinde gebracht wurde. Dieser nahm vor dem Wagen einen Platz ein und begann bei geöffnetem Sarg mit seiner Predigt. Pastor Baumann ließ das Leben der Toten Revue passieren. Er wies des Öfteren darauf hin, dass das Leben ihr immer alles abverlangt hatte. Mit dem gemeinsamen Vaterunser endete die Andacht und Benjamin spannte mit einem seiner Brüder die Pferde vor den Leichenwagen. Beide nahmen auf dem Kutschbock Platz und fuhren vom Hof. Zum Kutschieren ist Benjamin von seinem Vater bestimmt worden. Im folgte die Kutsche mit dem Pastor und dem Witwer, die Otto und Julius abwechselnd lenkten. Auf dem Weg zu dem zwei Kilometer entfernten Friedhof begleitete den Trauerzug ein Glockengeläut. Die strahlende Frühlingssonne stand hoch am Himmel, als der Trauerzug den Friedhof erreichte. Hier stellten vier Leichenträger den Sarg über dem Grab ab. Nach der üblichen Zeremonie verabschiedeten sich viele Trauergäste am Grab von der Toten. Ein Glockengeläut begleitete dann die Teilnehmer auf ihrem Heimweg.

      Viele folgten der Einladung des Witwers zu einem Imbiss auf dem Hof. Nachbarn und Freunde sorgten nach der Beerdigung für ein reichliches Angebot, wovon eine große Anzahl Gebrauch machte. Die untergehende Sonne machte dem turbulenten Tag ein Ende und der Hof leerte sich so nach und nach. Es kehrte wieder Ruhe ein, so dass sich die Familie, die Großen und Kleinen, im Haus zusammensetzen konnten. Der Gesprächsstoff war das Ereignis des Tages, der Spuren hinterließ. Noch am späten Abend traten einige Familienmitglieder den Heimweg an. Die anderen suchten ihre Schlafgelegenheiten auf. Vater Messinger aber saß noch lange in seinem Lehnstuhl und versuchte seinen Kummer im Wein zu ertränken. Er schaffte es nicht, sein Bett zu erreichen und wachte verwundert am Morgen in seinem Lehnstuhl auf. Überrascht war er auch, dass seine Söhne bereits das Vieh versorgt hatten. Anna hatte mit ihren Schwestern in der Zeit den Frühstückstisch gedeckt, so dass ihr Vater sich frisch gemacht stärken konnte. Es blieb nicht aus, dass ihm seine Kinder Mut machten und ihm versprachen, dass er immer mit ihrer Hilfe rechnen könne. Als Vater genoss er es, alle seine Kinder nach langer Zeit vereint wieder zu sehen. Etwas ganz Besonderes war es für ihn, dass er seine schon schulpflichtigen und die noch kleinen Enkel näher kennen lernte. Ob er das noch einmal erleben wird? Eher nicht. So war es nicht verwunderlich, dass beim Abschiednehmen die Augen aller feucht wurden und die Tränen sich ihren Weg suchten. Einer nach dem anderen verließ mit dem Pferdewagen den Hof seines Vaters. Einige haben eine Tagesreise vor sich, waren aber mit Proviant versorgt. Den weitesten Weg hatten Otto und Julius, aber als Reiter bewältigten sie ihn schneller. Sie waren als Erste gekommen und die Letzten, welche sich vom Vater sowie dem Rest der Familie verabschiedeten. Auf seine beiden ältesten Söhne war er besonders stolz, weil sie es zu Reichtum gebracht hatten. Mit leichtem Trab verließen sie Klöstitz, wobei ihnen ihr Vater nachdenklich nachsah. Die Jungen bemerkten das und schwenkten für ihn zum Abschied ihre Pudelskapp (Pelzmütze).

      Langsam ging Vater Messinger zum Haus zurück, wo er auf dem Bänkle (Bank) Platz nahm. Sein Hof war nicht nur leer geworden, sondern es herrschte auch eine erdrückende Stille. In Gedanken versunken stellte er fest, dass für ihn ein neuer Lebensabschnitt begonnen hat. Obwohl die Verstorbene in letzter Zeit nicht mehr seine Frau hat sein können, vermisst er sie sehr. Und die klaffende Lücke in seiner Familie ist nicht zu übersehen. Auch ist eine neue Orientierung unumgänglich, um mit den noch im Haus verbliebenen Kindern den Bauernhof zu bearbeiten. Die Frühjahrsbestellung Anfang April stand an. Über die ganze Problematik sprach der Vater nach dem Abendessen mit Anna, ihrer Schwester und Benjamin. Über diesen Sachbestand hat die klein gewordene Familie lange und tiefgründig geredet. Schließlich wurde folgende Festlegung getroffen: Anna übernimmt den kompletten Haushalt, wobei sie von ihrer Schwester unterstützt wird. Den Stall, Hof und die Feldarbeit übernehmen der Vater und Sohn Benjamin. Auch machte es sich erforderlich, einen Knecht einzustellen, weil Benjamin nicht immer verfügbar ist. Dieser besucht zurzeit eine Landwirtschaftsschule, ist er doch seines Vaters Nachfolger. Sicherlich ist es so, dass diese Festlegung allen alles abverlangen wird, was jedem bewusst ist. Die vor ihnen liegende Zeit wird es zeigen, ob sie die sich auferlegte Last tragen können. Mit dem Blick wieder nach vorn gerichtet, ging die Familie Messinger daran, die auf dem Lande immer wiederkehrende Frühjahrsbestellung anzugehen. Die Frühlingssonne brachte wieder das pulsierende Leben der Klöstitzer Bauern voll in Gang. Neben der zur Verfügung stehenden Technik, die meist mit Muskelkraft angetrieben wird, ist das Pferd nicht wegzudenken. Diese selbst zu züchten, war das Steckenpferd der bessarabischen Bauern. Das Aufziehen von Federvieh war den Frauen vorbehalten, das sind: Gänse, Puten, Enten, Hühner sowie das Borstenvieh. Große Rinder und Schafherden durften auch nicht fehlen, weil das die Fleischreserven der Familien sind, der Überschuss wird auf dem Markt verkauft und füllt so den Geldbeutel des Bauern.

      Die immer wiederkehrenden Arbeiten auf dem Bauernhof werden zur Routine. Nach der Aussaat einiger Getreidesorten, auch Mais, Raps und Sonnenblumen, beginnt die Pflegearbeit. Das betrifft im Besonderen die Weinberge, was bestimmtes Wissen und Erfahrung voraussetzt. Wenn dann die Getreideernte und deren Drusch beginnt haben wir schon Hochsommer. Die Sonnenblume als Öllieferant und der Mais als Nahrungsmittel für Mensch und Tier muss auch unter Dach und Fach. Oft ist es so, dass die Weinlese eine besondere Ernte ist, weil der Wein das Getränk der Bessarabier ist. Dieser ist bei jeder Mahlzeit auf dem Tisch zu finden und bei Feierlichkeiten schenkt der Gastgeber den Besten aus.

      Es ist normal und Sitte, dass bei Zusammenkünften von jungen Männern der Wein aus Eimern ausgeschenkt wird. War dieser leer getrunken, wurden Wetten veranstaltet und der Verlierer bezahlte einen Eimer Wein. So und ähnlich trug es sich in Männervereinen zu, weil sie ja Selbstversorger waren. Anders lief es bei Jungmädchenvereinen ab, sie beschäftigten sich mit Strick- und Nadelarbeiten und sangen Volkslieder dabei. Auch Anna besuchte diese in den langen Wintermonaten und arbeitete wie alle Freundinnen an ihrer Aussteuer. Wenn draußen der Winter seine Macht ausübte, gingen die Eltern nach getaner Arbeit zur Bibelstunde. Die Nachbarn richteten es sich so ein, dass jeder einmal seine Räumlichkeiten zur Verfügung stellte. Welcher auch die Gestaltung des Abends übernahm: Predigt, Gesang und Gebete. Zum Schluss war es üblich, Neuigkeiten auszutauschen, weil es Medien wie heute nicht gab. Diese Arbeit und Beschäftigung sowie der Rhythmus ist von der jungen Generation übernommen und auch weitergegeben worden.

      Wenn im Dezember Klöstitz im meterhohen Schnee versunken war und eisige Ostwinde durch das Schagatal wehten, war der


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