Der Weg … zurück zu meinen Ahnen. Artur Weiß

Der Weg … zurück zu meinen Ahnen - Artur Weiß


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in Stand zu bringen. Aber am Abend trafen sich alle in der warmen Stube, wo Vater Messinger Geschichten und aus seiner Jugend erzählte. Besonders still wurde es im Zimmer, als er von der Wolfsplage um 1900 erzählte, damals gab es besonders strenge Winter. Dadurch sind die Grenzflüsse Dnjester zur Ukraine und Bruth zu Rumänien komplett zugefroren. Somit konnten große Wolfsrudel die Flüsse nach Bessarabien überqueren. Diese breiteten sich in den Grenzregionen aus und richteten unter anderem in Schafställen großen Schaden an. Das hatte zur Folge, dass der Jagdverein wiederholt Treibjagden anberaumte. In diesem Winter erlegten die Jäger in der Klöstitzer Region 118 Wölfe. Aber das Heulen der Wölfe hörte nachts trotzdem nicht auf, was den Kindern in der Nacht Angst einflößte. Wenn dann noch am Morgen Wolfsspuren auf dem Hof sichtbar waren, machte das auch die Eltern nachdenklich so der Erzähler.

       Jagdverein des Dorfes

      Die Adventswochen sind vergangen und die Weihnachtstage stehen vor der Tür, das bedeutet für Anna und ihre Helfer höchste Belastung. Zum andern ist es das erste Weihachten ohne ihre Mutter, die sie nicht mehr um Rat fragen kann. Mit Wehmut und etwas Bangen machte sie sich mit ihrer erwachsenen Schwester daran, das Weihnachtsgebäck verschiedener Art zu backen. Denn das ist nicht nur Tradition in Bessarabien, sondern Selbstversorger-Arbeit. Vielleicht ist es Annas Prüfungsarbeit, die sie als perfekte Hausfrau ausweisen wird. Die zwei jungen Frauen brauchten volle zwei Tage, um all das Gebäck in den Backofen zu bringen. Hierbei hat sie ihr Vater beobachtet und festgestellt, dass seine Töchter, vor allem Anna, vollkommen überbelastet waren. Dies stimmte ihn nachdenklich und er fasste den Entschluss, das zur Zufriedenheit aller abzuändern.

      Vorerst aber gilt es das Weihnachtsfest gebührend zu feiern. Dazu fehlte noch der traditionelle Weihnachtsbaum, den besorgten Benjamin und sein Vater. Schnell waren die Pferde vor den Schlitten gespannt und los ging es zum Tarutinower Wochenmarkt. Für die beiden Männer war es eine Freude, durch den Pulverschnee zu fahren. Auf dem Markt angekommen, traf Vater Messinger schnell alte Freunde, die untereinander Neuigkeiten austauschten. Er verschwieg auch nicht, dass seine Frau verstorben war. Auch seine Freunde berichteten von familiären Problemen, was sie nicht daran hinderte mit einem Glas heißen Wein anzustoßen. Während Vater mit seinen Freunden den heißen Wein schlürften, besorgte Benjamin einen schönen Tannenbaum. Tannenbäume wuchsen nicht in Bessarabien, sie mussten aus der Ukraine oder aus den Karpaten importiert werden. Vieles hätte sich die inzwischen größer gewordene Männergruppe erzählen können, aber es war Zeit geworden, die Heimreise anzutreten. Die mit Futter versorgten Pferde waren angespannt und die Heimreise begann. Immerhin brauchte man drei Stunden bis Klöstitz, bei dem aufkommenden Schneegestöber etwas länger. Bei der stundenlagen Fahrt war Benjamin eingeschlafen, eingehüllt in seinen Pelz und die Pudelskapp (Pelzmütze) tief ins Gesicht gezogen. Weil es inzwischen dunkel wurde, hat sein Vater eine Laterne angezündet. So kamen sie verspätet, aber sicher auf ihrem Hof an, wo man sie schon sehnsüchtig erwartet hatte. Anna hatte mit ihrer Schwester und dem Knecht bereits das Vieh versorgt. So konnten sie alle gemeinsam zu Abend essen, wobei Benjamin ganz aufgeregt das auf dem Markt Erlebte zum Besten gab. Mit etwas Stolz meinte er, ich habe den schönsten Tannenbaum auf dem Tarutinower Markt gekauft.

      Wie immer an jedem Morgen, so auch am Heiligabend, ist die erste Arbeit das Versorgen der Tiere. Danach wurde gemeinsam das Frühstück am großen Familientisch eingenommen. An diesem Tage ruhte jegliche Arbeit, er dient nur zur Vorbereitung des Weihnachtfestes. Dazu gehörte der Weihnachtsbaum, den Benjamin und sein Vater auf einem Ständer befestigte. Nachdem beide ihn in der guten Stube aufgestellt hatten, machten sich Anna mit ihrer Schwester daran, ihn anzuputzen. Der Knecht brachte Brennmaterial in die Küche, das Anna brauchte, um mit ihrer Schwester das Mittagessen auf den Tisch zu bringen. Benjamin und seine Schwester vollendeten etwas später das Schmücken des Tannenbaumes. Ihr Vater war fast unbemerkt in der Sommerküche tätig geworden, wo er die Geschenke seiner drei Kinder einpackte. Es war festes Schuhwerk für seine Töchter, Benjamin bekam Stiefel. Als wohlhabender Großbauer konnte er es sich leisten, wertvolle Geschenke zu machen. Lautstark rief Anna über den Hof ihren Vater zum Mittagessen, der dann eilig, durch den Schnee stapfend das Haus erreichte. Er nahm seinen Stammplatz am Tisch ein, wo sein Jüngster das Tischgebet sprach. Annas Mittagessen schmeckte allen, dabei machte auch der Weinkrug seine Runde.

       Tiefverschneites Dorf Klöstitz

       Ein bessarabisch geschmückter Weihnachtsbaum

      Der Tag neigte sich und die Familie Messinger war bereit, den Kirchgang am Heiligabend anzutreten. Sie brauchten nicht lange zu warten, bis der Glockenklang, der durch das Schagatal schallte, sie zur Messe rief. Aus allen Häusern strömten die Klöstitzer auf der breiten Dorfstraße zur Kirche, die sich bis auf den letzten Platz füllte. Die Orgel stimmte für die Gläubigen das Weihnachtslied an: Der Christbaum ist der schönste Baum, den wir auf Erden kennen. Mit aller Inbrunst sang die Gemeinde mit. Die Konfirmanden führten ein Krippenspiel auf, welches der Kirchenchor musikalisch begleitete. Pastor Immanuel Baumann zelebrierte seine Weihnachtspredigt, welche die Gemeinde andächtig annahm. Nach dem gemeinsamen Vaterunser verließen sie alle unter Glockengeläut die Kirche. Weihnachtlich gestimmt steuerte Alt und Jung ihr Zuhause an.

      Nachdem die Familie Messinger für ihr leibliches Wohl gesorgt hatte, wechselten sie zur guten Stube. Dort stand der liebevoll geschmückte Weihnachtsbaum, an dem sie gemeinsam die (Talglichter) Kerzen anzündeten. Mit dem Lied: „O du fröhliche“ und einem Gebet eröffneten sie für sich das Weihnachtsfest. Der Vater sprach mit seinen Kindern über die Bedeutung des Festes und über das Christkind. Freudig tauschten sie dann ihre Geschenke gegenseitig aus und waren alle vom Inhalt überrascht. Beim Aus- und Anprobieren des Geschenkten ließen sie sich viel Zeit. Anna hatte in den vergangenen Monaten bei ihren abendlichen Treffen für alle etwas gestrickt. So verteilte sie: Pullover, Socken, Handschuhe, Schals und anderes. Eine Zeitlang waren alle mit sich beschäftigt, bis dann jeder einen Platz am warmen Ofen fand. Weil es zur damaligen Zeit für Normalverbraucher keine Unterhaltungsmedien gab, erzählte man sich bei Petroleumlampenlicht Geschichten. Wer könnte das besser als Vater Messinger. Als er seine Erzählungen für kurze Zeit stoppte, ermunterten ihn alle weiterzumachen, nur Anna nicht, sie war eingeschlafen. Dieser Anblick war Anlass, seinen Kindern die Nachtruhe anzubieten. In Gedanken versunken suchte er sein Nachtlager auf. Seine Nachdenklichkeit galt seiner überlasteten Tochter Anna, und er beschloss, das abzuändern.

      Feiertage kommen und gehen, aber die Arbeit bleibt bestehen, was eine alte Weisheit ist. Das trifft auch für die Jahre zu, die aufeinander folgen. Alle sind voller Hoffnung und Zufriedenheit, wie immer beim Jahreswechsel. Die Wochen vergehen und die Sonne gewinnt an Kraft, was den Schnee schmelzen lässt. Das nutzen die ersten Frühblüher und Anna pflückte nachdenklich die ersten Schneeglöckchen.

      Dabei rollten ihre Tränen und sie fragte sich, soll es schon ein Jahr her sein, als meine Mutter heimging? In Gedanken kehrte sie ins Haus zurück, wo ihre Schwester das Abendbrot auf den Tisch brachte. Wie immer nach getaner Tagesarbeit, begibt sich die Familie zu Tisch. Anna bat nach dem Tischgebet ihren Vater und ihre Geschwister um eine Gedenkminute für ihre Mutter. Mit den Worten: „Das war das Letzte, was ich für sie gemacht habe“, stellte sie das Sträußchen Schneeglöckchen auf den Tisch. Nach längerem Schweigen kam dann das Tagesgeschehen zur Sprache und auch, was am nächsten Tag anliegt. Im Gespräch bei einem Glas Wein legte Vater Messinger den Arbeitsplan für die nächsten Tage fest. Benjamin und der Knecht werden mit zwei Gespannen zum Pflügen fahren. Anna und ihre Schwester haben im Haus und auf dem Hof zu tun. Er selbst fährt wie jedes Jahr im Frühjahr für drei Tage zum traditionellen Tarutinower Pferdemarkt.

      PFERDEMARKT IN TARUTINO UND ANDERE EREIGNISSE

      Aus Tradition und Notwendigkeit packte Vater Messinger den Proviantkasten (Steppkäschtle) für drei Tage. Auch das Pferdefutter hat er für diese Zeit auf dem Pferdewagen verladen. Gut ausgerüstet spannte er zwei seiner besten Pferde vor den Wagen. Zum Verkauf gedacht, machte er weitere zwei Sechsjährige hinten am Wagen fest. So verließ er am frühen Morgen


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