Schwarze Krähen - Boten des Todes. Carolina Dorn

Schwarze Krähen - Boten des Todes - Carolina Dorn


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als vorher. Sie versuchte sich von ihm zu lösen, doch er hielt sie so fest umklammert, dass der Professor eingreifen musste.

      „Vorsicht, Mr. Stonewall, Schwester Christin hat eine Verletzung“, informierte er ihn.

      „Wie? Was ist dir geschehen?“, erkundigte sich Brandon erschrocken.

      „Sie ist vor dem Operationssaal von der Bank gefallen und hat sich das Schlüsselbein angebrochen“, klärte er ihn auf.

      „Christin, was machst du für Sachen?“ Brandons Gesicht wirkte ganz verstört.

      Aber die Ordensschwester lächelte ihren Patienten nur an.

      „Ist gar nicht so schlimm. Mach dir wegen mir keine Sorgen. Nächste Woche ist alles vorbei“, tröstete sie ihn.

      Der Professor wandte sich den beiden zu und begann: „Ich möchte jetzt den weiteren Therapieplan erläutern. Mr. Stonewall wird jetzt drei Tage ganz ruhig und flach liegen bleiben. Dann werden wir ihn vorsichtig zum Sitzen bringen und ihm den Umgang mit dem Rollstuhl zeigen. Bei dieser Operation habe ich die Blutung abgeleitet, die alte Verletzung beseitigt und die eingeklemmten Nerven freigelegt.“

      Er schlug das untere Teil der Bettdecke zurück und fuhr mit einer Pinzette am Unterschenkel und der Fußsohle seines Patienten entlang. „Fühlen Sie die Berührung?“, erkundigte er sich.

      „Ja, und wie stark“, bestätigte der Patient voller Freude.

      „Ab dem Augenblick, wo sie sitzen dürfen wird ein Physiotherapeut zweimal täglich mit Ihnen Übungen machen, um die Muskulatur aufzubauen. Ende Oktober werde ich Sie nochmals operieren. Danach gehen Sie für mehrere Wochen in eine Reha-Klinik und lernen dort wieder das Laufen. Ist das in Ordnung so? Das heißt allerdings, dass die Leukämie sich in Grenzen halten muss. Das ist eine Bedingung. Die Blutwerte sind bei der zweiten Operation ausschlaggebend. Diese Operation ist nicht einfach. Der Patient muss absolut stabil sein. Also, kämpft ihr beiden, doch so wie ich das sehe, werdet ihr damit wohl kaum Probleme haben. Ihr habt ja schon so einiges erreicht.“ Der Professor lachte ihnen aufmunternd zu.

      „Bleibst du noch etwas bei mir?“, bat Brandon seine Betreuerin.

      „Ich glaube nicht, dass das eine gute Idee ist, Mr. Stonewall“, kam ihr der Arzt zuvor. „Sie brauchen jetzt Ruhe und Schwester Christin muss sich erst einmal ausschlafen. Die Woche, die Sie hier im Krankenhaus sind, wird sie mein Gast bei meiner Familie sein. Selbstverständlich bringe ich sie immer wieder zu Ihnen.“

      Der Arzt ergriff Christins Hand und führte sie aus dem Raum. Dort legten sie ihre Mäntel ab. Erst jetzt bemerkte sie, wie müde sie sich fühlte. Die Anspannung der vielen Stunden während Brandons OP wich nun von ihr. Sie hatte nur noch das Bedürfnis zu schlafen. Wie in Trance folgte sie dem Professor zu seinem Auto in der Tiefgarage. Die Fahrt zu seinem Haus dauerte zum Glück nicht lange. Es wurde bereits Abend. Des Professors Frau öffnete ihnen die Haustüre.

      „Hallo Schatz, du bringst einen Gast mit?“, wunderte sie sich, denn ihr Mann hatte sie nicht informiert.

      Sie gab ihrem Mann einen Kuss auf die Wange.

      „Ja, das ist Schwester Christin aus dem Heilig Geist Kloster in der Nähe von Vancouver. Sie begleitet einen Patienten, der in meiner Klinik liegt. Sie bleibt nur etwa eine Woche lang“, erklärte er ihr.

      „Keine Angst, ich bereite Ihnen gewiss keine Umstände“, wandte sich Christin an die Frau.

      Mary, so hieß sie mit Namen, nahm sogleich Christins Hand und zog sie ins Haus.

      „Kommen Sie, meine Liebe, Sie sind bestimmt schon sehr lange auf den Beinen. Möchten Sie etwas essen?“, erkundigte sie sich bei ihrem Gast.

      „Nein danke.“ Die Schwester schüttelte den Kopf. „Ich möchte nur noch schlafen.“

      „Das sieht man Ihnen an“, bestätigte Mrs. Spencer.

      Mary, eine mittelgroße, leicht füllige Frau mit kleinen, braunen Locken auf dem Kopf, öffnete eine Türe und führte die Schwester in einen mit hellen Möbeln ausgestatteten Raum. Ein großes Fenster mit Schiebetüre ließ den Blick auf eine blumengeschmückte Terrasse frei. Da die gläserne Türe offen stand, wehten die Gardinen leicht im Abendwind.

      „Oh, wie schön“, rief die kleine Nonne begeistert aus.

      „Darf ich Ihnen beim Auskleiden behilflich sein?“, bot sich Mary an.

      Christin blickte an sich hinunter. „Ach ja so, der Verband. An den habe ich gar nicht mehr gedacht“, antwortete sie.

      Mit vereinten Kräften legten sie die Tracht ab. Die Gastgeberin sah den Verband und da sie einst Krankenschwester war, wusste sie sogleich wozu man ihn anlegte.

      „Haben Sie sich das Schlüsselbein gebrochen?“, vergewisserte sie sich.

      „Nicht ganz, nur angebrochen“, antwortete Christin.

      „Das ist erst geschehen, sehe ich, denn der Verband ist neu“, stellte Mary fest.

      „Ja, ich bin etwas tollpatschig von einer Krankenhausbank gefallen“, lächelte die Ordensfrau beschämt.

      „Na so etwas, geht ins Krankenhaus und verletzt sich dort“, Mary schüttelte den Kopf.

      Sie drehte sich um und öffnete noch eine Türe. „Hier können Sie sich frisch machen.“ Sie zeigte ihr ein integriertes Bad mit Dusche und WC. Im Schlafzimmer öffnete sie einen Schrank und holte ein Nachthemd heraus, denn sie bemerkte, dass Christin nicht eingerichtet war für eine Woche zu bleiben. Mary lachte ihrem Gast zu und wünschte ihr eine angenehme Ruhe.

      Christin schloss das Fenster und zog die Vorhänge zu. Sie wusch sich nur rasch, dann fiel sie ins Bett wie ein zentnerschwerer Sack. Sie schlief sehr tief und fest, wie schon lange nicht mehr. Da sie wusste, dass es Brandon gut ging und er sich in sehr guten Händen befand, konnte sie sich einmal vollkommen entspannen.

      Um sieben Uhr stand sie auf. Mary vernahm die Geräusche aus ihrem Zimmer und eilte ihr zu Hilfe.

      „Guten Morgen, Schwester. Sie hätten ruhig noch länger schlafen können.“ Auf dem Arm trug sie eine große Auswahl von T-Shirts und Jeanshosen.

      „Hier, sehen Sie sich diese Sachen einmal an. Ich glaube, die müssten Ihnen passen. Die Tracht mit dem Verband finde ich einfach zu umständlich und kompliziert. Die acht Tage, die Sie hier sind, können Sie ruhig normale Kleidung tragen“, bot sie ihr an.

      Christin öffnete den Mund, um abzulehnen, doch Mary kam ihr lachend zuvor. „Nein, nein, keine Widerrede. Sie können nicht acht Tage lang im gleichen Kleid herumlaufen. Die Mutter Oberin sieht Sie hier gewiss nicht. Außerdem werde ich Sie nicht verpetzen“, grinste sie schelmisch.

      „Und an mein schlechtes Gewissen denken Sie überhaupt nicht?“, entgegnete die Ordensschwester.

      „Dann beten Sie eben fünf Vater unser zur Vorsorge, wenn Sie das beruhigt“, lachte Mary.

      Ihr Lachen steckte auch Christin an und zwar so sehr, dass ihr die Tränen von den Wangen liefen. So hatte sie schon seit vielen Jahren nicht mehr gelacht.

      „Christin“, begann Mary. „Wir zwei passen so gut zusammen. Wir sollten uns „duzen“, einverstanden?“, versicherte sie sich.

      „Ja, einverstanden“, erklärte die kleine Nonne.

      Das ganze Wesen und ihr heiteres Gesicht strahlten eine große Wärme aus. Man musste die Frau des Professors einfach gern haben.

      Nachdem sich Christin gewaschen hatte, half ihr Mary in Hose und T-Shirt. Sie bürstete das lange Haar und band es ihr im Nacken mit einer breiten Schleife zusammen. Als sie ihr Werk betrachtete, stellte sie ganz versonnen fest: „Weißt du eigentlich, wie hübsch du bist? Du gehörst absolut nicht in ein Kloster, wenn ich das bemerken darf.“

      „Ich weiß nicht, wie ich aussehe. Wir haben keine Spiegel und es ist uns auch verboten in welche zu sehen. Das weckt die Eitelkeit, sagt unsere Mutter Oberin“, erklärte Christin.


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