Grundlagen Recht für Wirtschaftswissenschaftler. Johannes Dietlein

Grundlagen Recht für Wirtschaftswissenschaftler - Johannes  Dietlein


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Vermögensmasse.

      9Das Privatrecht kennt als juristische Personen vor allem die sog. Kapitalgesellschaften, namentlich die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) sowie die Aktiengesellschaft (AG), aber auch Stiftungen als Stiftungen des bürgerlichen Rechts.

      10Die Gesamtheit der materiellen Gesetze bildet die objektive Rechtsordnung. Einige, aber nicht alle Gesetze der objektiven Rechtsordnung enthalten zugleich subjektive Rechte. Unter subjektiven Rechten versteht insbesondere das Öffentliche Recht diejeni­gen Normen, die ein Rechtssubjekt berechtigten, von einem anderen Rechtssubjekt ein Tun, Dulden oder Unterlassen zu verlangen. Hintergrund der Differenzierung zwischen objektivem und subjektivem Recht ist die Erkenntnis, dass es gerade im Öffentlichen Recht viele Normen gibt, die einem Einzelnen faktische Vorteile bringen können, die er gleichwohl nicht einklagen kann.

      Beispiel Wenn die Juristenausbildungsgesetze strenge Prüfungen für den Zugang zum Anwaltsberuf vorsehen, mag ein praktizierender Anwalt von dem Nichtbestehen der Prüfung durch potenzielle Mitbewerber profitieren. Ihm kommt nach dem Willen des Gesetzes aber kein „subjektives Recht“ auf die ordnungsgemäße Durchsetzung der Juristenausbildungsgesetze zu. Objektives und subjektives Recht fallen auseinander.

      Weniger relevant ist diese Differenzierung für das Zivilrecht. Die dort normierten „Anspruchsgrundlagen“ sind regelmäßig zugleich die Grundlage für subjektive Rechte des Einzelnen, die dort mit dem Begriff „Anspruch“ bezeichnet werden.

      § 3 Arten und Rangverhältnisse von Gesetzen

      11Im Zentrum der juristischen Tätigkeit stehen die Gesetze, ihre Entstehung, ihre Gültigkeit sowie ihre Auslegung und Anwendung im Einzelfall. Der wesentliche Inhalt der Gesetze liegt darin, dass sie verbindlich die Rechtsbeziehungen zwischen Rechtssubjekten regeln.

      12Die deutsche Rechtsordnung kennt verschiedene Arten von Gesetzen, nämlich als höchste Form die Verfassung bzw. das Verfassungsgesetz (das Grundgesetz – GG), darunter das vom Parlament erlassene „einfache“ Gesetz oder Parlamentsgesetz, hierunter wiederum die sog. untergesetzlichen Normen, nämlich Rechtsverordnungen und Satzungen. Sämtliche der vorgenannten Normen bezeichnet man als materielle Gesetze. Ihnen ist gemeinsam, dass sie darauf angelegt sind, abstrakt (d. h. für eine unbestimmte Zahl von Sachverhalten) und generell (für eine unbestimmte Zahl von Personen) mit Außenverbindlichkeit Rechte und Pflichten festzulegen. Parlamentsgesetze werden häufig auch als formelle Gesetze bezeichnet, da sie in einem „formellen“ Gesetzgebungsverfahren zustande kommen. Parlamentsgesetze sind also i. d. R. zugleich formelle und materielle Gesetze.

      13Die vorgenannte „Rangordnung“ von materiellen Gesetzen wird mit dem Begriff der Normenhierarchie bezeichnet. Diese Gesetzeshierarchie wirkt sich dahingehend aus, dass niederrangige Normen, die mit höherrangigen Gesetzen in Konflikt geraten, möglichst so auszulegen sind, dass sie den Vorgaben des höherrangigen Gesetzes entsprechen (sog. konforme Auslegung). Ist dies nicht möglich, hat das höherrangige Gesetz Vorrang, das niederrangige Gesetz verliert seine Geltung.

      14Für das Verhältnis zwischen Bundesrecht und dem Recht der Bundesländer (Landesrecht) gilt im Kollisionsfall gem. Art. 31 GG der sog. Geltungsvorrang des Bundesrechts, d. h. entgegenstehende landesrechtliche Vorschriften sind nichtig, soweit sie nicht bundesrechtskonform ausgelegt werden können. Jedwede Norm des Bundesrechts ist imstande, jede kollidierende landesrechtliche Norm außer Kraft zu setzen.

      Beispiel Im Extremfall kann also eine bundesrechtliche Satzung eine Vorschrift der Landesverfassung außer Kraft setzen!

      15Eine Besonderheit gilt für das Recht der Europäischen Union: Dieses geht zwar allen widersprechenden deutschen Gesetzen vor, letztere sind aber nicht nichtig, sondern lediglich (im europäischen Kontext) unanwendbar (sog. Anwendungsvorrang).

      16Ansonsten gelten im Konfliktfall folgende allgemeine Kollisionsregeln:

Die speziellere Regelung geht der allgemeinen vor (lex specialis-Regel).
Die neuere Vorschrift geht der älteren vor (lex posterior-Regel).

      ABB. 1: Die Normenpyramide

      § 4 Auslegung von Gesetzen

      17Gesetze treffen für abstrakt geregelte Situationen eine Rechtsfolgeanordnung (sog. Kausalprogramme). Man spricht vereinfachend von „Wenn-Dann“-Sätzen: Wenn eine bestimmte Situation vorliegt, dann ergibt sich eine bestimmte rechtliche Konsequenz. Die „Wenn-Seite“ der Norm nennt man Tatbestand, die „Dann-Seite“ Rechtsfolge. Unter einer Subsumtion versteht man die Prüfung, ob ein konkreter Lebenssachverhalt die Tatbestandsmerkmale der Norm erfüllt, d. h. es wird geprüft, ob die „Wenn-Seite“ der Norm im konkreten Fall vorliegt. Passt der Sachverhalt unter die Norm, findet die „Dann-Seite“ Anwendung, d. h. die dortige Rechtsfolge tritt ein.

      Beispiel § 433 Abs. 1 BGB normiert: „Durch den Kaufvertrag wird der Verkäufer einer Sache verpflichtet, dem Käufer die Sache zu übergeben und das Eigentum an der Sache zu verschaffen.“ Anders formuliert: Wenn jemand als Verkäufer einen Kaufvertrag schließt, dann ist er verpflichtet, dem Käufer die Sache zu übergeben und das Eigentum an der Sache zu verschaffen. Macht also der Käufer den Anspruch auf Übergabe der Sache geltend, ist zu prüfen, ob der Tatbestand vorliegt, der Verkäufer also den Kaufvertrag geschlossen hat.

      18Nicht immer gelingt die Subsumtion eines konkreten Lebenssachverhalts unter die Tatbestandsmerkmale einer Norm ohne Probleme. Häufig ergeben sich Zweifel hinsichtlich des Verständnisses dieser Tatbestandsmerkmale. Diese Zweifel müssen im Wege der Normauslegung gelöst werden. Folgende Auslegungsmethoden sind allgemein anerkannt:

19 Wortlautauslegung: Zentraler Ansatzpunkt jeder Auslegung ist der Wortlaut einer Norm. Bei der Wortlautauslegung ist zu prüfen, welche Bedeutung diesen Worten zukommt. Der mögliche Wortsinn bestimmt zugleich die Grenze der Auslegung nach den anderen Methoden.

      Beispiel § 303 Abs. 1 StGB (Sachbeschädigung) lautet: „Wer rechtswidrig eine fremde Sache beschädigt oder zerstört, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“ Eine „fremde Sache“ kann hierbei auch eine Sache sein, die sowohl dem Täter als auch dem Opfer gehört, die also „auch fremd“ ist. Nicht darunter fallen dagegen Sachen, die ausschließlich dem Täter gehören, weil sie nach dem Wortsinn für ihn nicht fremd sind.

20 Systematische Auslegung: Bei der systematischen Auslegung wird die Norm in ihrem gesetzgeberischen Kontext betrachtet. Relevant ist z. B. der Standort einer Vorschrift in einem Gesetz (In welchem Abschnitt steht die Norm? Welche anderen Normen finden sich dort?) und der Vergleich zu anderen Regelungen. Leitbild und Ziel dieser Methode ist es, die jeweilige Norm möglichst widerspruchsfrei in das „Gesamtkonzept“ Rechtsordnung einzuordnen.

      Beispiel Der Wortlaut des Art. 1 Abs. 1 GG sagt nichts darüber aus, ob der Einzelne ein subjektives (Grund-)Recht auf Achtung seiner Menschenwürde hat. Aus der systematischen Stellung von Art. 1 GG, nämlich im ersten Abschnitt des Grundgesetzes mit dem Titel „Grundrechte“, lässt sich folgern, dass dies der Fall ist.

21 Teleologische Auslegung:
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