Allmächd, scho widder a Mord!. Werner Rosenzweig
kamen mit der KLM etwa zeitgleich auf dem Flughafen Schiphol in Amsterdam an. Auch sie hatten bei der Einreise keine Probleme. Ihre Anreise nach Würzburg war deutlich kürzer, und sie leisteten sich den Luxus eines Taxis. Der Fahrer konnte sein Glück kaum fassen, ließ sich aber sicherheitshalber das Bündel Geldscheine zeigen, bevor er losfuhr. Ibrahim und Mueselim schnallten sich an und machten es sich auf den hinteren Plätzen bequem.
Der Taxifahrer informierte seine Fahrgäste darüber, dass circa fünfhundertfünfzig Streckenkilometer vor ihnen lagen und dass sie sich, je nach Verkehrsaufkommen, auf eine Fahrt von ungefähr sechs Stunden einstellen müssten, inklusive einer halbstündigen Pause. Dann nannte er ihnen den Fahrpreis. Ibrahim nickte nur und deutete an, dass der Preis in Ordnung gehe. Der Fahrer informierte noch seine Leitstelle, dass er zwei Fahrgäste nach Würzburg in die Pension „Zur Reblaus“ bringe, dann nahm er ordentlich Fahrt auf und erhöhte die Geschwindigkeit.
Das Taxi fuhr über Arnheim, Duisburg, Köln und Bonn. Kurz hinter Bonn verließ der Fahrer die Autobahn und steuerte eine Raststätte an. Nach einer halbstündigen Pause mit Toilettengang, Tanken, Kaffee und zwei Zigaretten ging es weiter. Die Städte Wiesbaden und Frankfurt am Main lagen bald hinter ihnen, und weiter ging es auf der A3. Die beiden Fahrgäste auf den Rückbänken waren in Höhe Wiesbaden eingeschlafen. Um sie nicht zu stören, schaltete der Fahrer das Radio vollkommen aus. Er betrachtete die beiden durch den Rückspiegel. Bei jeder langgezogenen Kurve schwangen ihre Köpfe hin und her. Zwischenzeitlich näherte er sich seinem Ziel. Das Autobahndreieck Würzburg-West lag nur noch zwanzig Kilometer vor ihm. Dass bei Würzburg-Kist ein Geisterfahrer die Autobahn befahren hatte und ihm mit hoher Geschwindigkeit entgegen kam, konnte er nicht wissen, er hatte das Radio ja abgestellt. Der holländische Taxifahrer wunderte sich, dass fast alle Verkehrsteilnehmer vor, und hinter ihm plötzlich ihre Geschwindigkeit drastisch drosselten und in weiten Abständen hintereinander fuhren. Ihm war kein Verkehrsschild mit einer Geschwindigkeitsbegrenzung aufgefallen. Alle fuhren rechts. Die linke Spur vor ihm war völlig frei. Er trat aufs Gaspedal und freute sich, dass er umso früher sein Ziel erreichen würde. In einer weitläufigen, schlecht einsehbaren Rechtskurve betrachtete er erneut seine Fahrgäste im Rückspiegel. „Wo die wohl herkamen, und was die wohl in Würzburg machen?“, ging es ihm durch den Kopf. Als er den Blick wieder auf die Straße vor sich richtete, war es bereits zu spät. Der junge Geisterfahrer aus Wolfenbüttel fuhr mit seinem VW Golf GTI ungebremst in den holländischen Mercedes 220S. Beide Fahrer hatten nicht die geringste Überlebenschance, als Metall auf Metall krachte, die Motorblöcke bis in das Wageninnere geschoben wurden und sich in sich verwanden. Die beiden Pkws schleuderten durch die Wucht des Aufpralls um ihre eigenen Achsen. Das Taxi blieb schließlich in der Leitplanke zur Gegenfahrbahn hängen, das Wrack des VW Golf wirbelte auf die rechte Seite, fegte noch einen Ford Focus und einen Opel Astra von der Straße und blieb schließlich mit rauchendem Kühler in der Einfahrt zu einem Parkplatz liegen.
Mueselim Ansari und Ibrahim al-Awad waren durch den heftigen Aufprall der beiden Fahrzeuge nur für den Bruchteil einer Sekunde wach geworden. Bevor sie begreifen konnten, was passiert war, trugen auch sie schwere innere und äußere Verletzungen davon und verloren das Bewusstsein. Doch noch waren sie am Leben, die Anschnallgurte retteten sie vor dem sofortigen sicheren Tod.
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Drei Fahrzeuge der Verkehrspolizeiinspektion Würzburg-Biebelried trafen als erste am Unfallort ein. Die Beamten sicherten die Unfallstelle und sperrten die Autobahn in Richtung Würzburg. Drei Minuten später heulten ein Kommandowagen, ein Einsatzleitwagen und ein Hilfeleistungslöschgruppenfahrzeug der Berufsfeuerwehr Würzburg heran. Ihnen voraus fuhren zwei Sanitätsfahrzeuge und ein Notarztwagen, welche die zuständige Notdienst-Zentrale mobilisiert hatte. Am Unfallort sah es aus wie auf einem Schlachtfeld. Überall lagen verbogene Wagenteile und Reifenfetzen der beiden Unfallfahrzeuge herum. Nachfolgende Fahrzeuge verursachten einen kilometerlangen Stau. Ein Rettungshubschrauber jagte im Tiefflug heran und machte sich daran, auf dem naheliegenden Parkplatz zu landen.
Mueselim Ansari und Ibrahim al-Awad waren immer noch bewusstlos im Fond des Mercedes eingeklemmt. Von draußen machten sich die Rettungskräfte der Feuerwehr mit einer Rettungsschere an dem Fahrzeugwrack zu schaffen. Ein Polizeibeamter rief zwei Leichenwagen eines Bestattungsunternehmens herbei. Ein anderer orderte telefonisch Abschleppfahrzeuge für die beiden Wracks und für die beiden fahruntüchtigen Fahrzeuge, den Ford Focus und den Opel Astra. Der Fahrer und die Fahrerin der beiden Pkws standen unter Schock und bluteten aus Kopfwunden. Der anwesende Notarzt und die Rettungssanitäter kümmerten sich um sie. Als die beiden tadschikischen Terroristen aus dem Taxiwrack befreit waren, checkte der Notarzt ihren gesundheitlichen Zustand und ordnete an, dass sie mit dem Rettungshubschrauber sofort in die zentrale Notaufnahme der Klinik für Poliklinik, Unfall-, Hand-, Plastische- und Wiederherstellungschirurgie geflogen wurden. Wenige Minuten später hob der Hubschrauber ab. Die Aufräumungs- und Reinigungsarbeiten, Aufnahmen der Unfallsituation und die Sperrung der Autobahn dauerten insgesamt vier Stunden. Dann wurde die A3 wieder freigegeben.
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Max Huber, Polizeihauptmeister der Verkehrspolizeiinspektion am Mainfrankenpark 53 a in Dettelbach, sah erstaunt auf den Bildschirm seiner Computeranlage. Soeben war eine E-Mail aus Kuwait eingegangen. Darin berichtete die Firmenleitung der Sandoil Co. Ltd, dass weder ein Ali Faroug, noch ein Abdul Kelim in ihren Diensten stünden. Zudem befände sich derzeit kein einziger ihrer Mitarbeiter auf einer Geschäftsreise in Europa. Auch von der Taxizentrale am Amsterdamer Flughafen Schiphol lag eine Nachricht vor: Arien van Gool, der tödlich verunglückte niederländische Taxifahrer, wollte zwei angekommene Fluggäste nach Würzburg bringen. Ziel der Fahrt war eine Pension „Zur Reblaus“ in der Schulstraße 28 in Würzburg.
Max Huber überprüfte sicherheitshalber erneut die persönlichen Dokumente, welche die Kollegen bei den beiden Verunglückten gefunden hatten. Die Namen beider Pässe deckten sich mit denen, welche auf den gefundenen Visitenkarten der Firma Sandoil standen. Max Huber war ratlos. Die beiden Unfallopfer waren nicht vernehmungsfähig. Einer hatte, neben diversen Knochenbrüchen, einen Leberriss abbekommen. Bei dem anderen stellten die Ärzte eine komplizierte Schädelfraktur fest. Max Huber rief bei der Kripo Würzburg in der Weißenburgstraße 2 an und schilderte den Fall. Die Kollegen versprachen, sich um die Sache zu kümmern. Als sie die persönlichen Sachen der Unfallopfer gesichtet, kurz in der Poliklinik vorbeigefahren waren, mit der Pensionswirtin in der Schulstraße 28 gesprochen hatten und einen Blick auf die eingeschalteten Mobiltelefone der Schwerverletzten geworfen hatten, informierten sie das BKA in Wiesbaden. Es war Samstag, das Bundeskriminalamt hatte nur die standardmäßige Notbesetzung. Ein Mitarbeiter nahm den Anruf der Kriminalpolizeiinspektion Würzburg entgegen, notierte sich die gemachten Angaben und versprach den Rückruf des zuständigen Mitarbeiters am Montagmorgen.
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Die Zugfahrt von Yousat Khan und Shakir Yakisan verlief, bis auf eine halbstündige Verspätung, problemlos. Max Schneider stand am Sonntag, dem 13. Januar 2013, um elf Uhr am Gleis drei des Würzburger Hauptbahnhofs und wartete auf das Eintreffen des Zuges. Fünf Minuten später fuhr der ICE mit quietschenden Bremsen in den Bahnhof.
Yousat Khan und Shakir Yakisan waren müde, aber guter Dinge. Als sie aus dem Bahnhofsgebäude traten, warfen sie einen Blick auf die mächtige Burg hoch oben auf dem Marienberg. Max Schneider war zu sehr auf die beiden konzentriert, so dass er die Schlagzeile der BILD am Sonntag in dem Zeitungskasten übersah. „Würzburg - Geisterfahrer verursacht tödlichen Unfall“, stand in großen Lettern auf der ersten Seite. Die drei Männer hatten vier Minuten zu laufen, dann nahmen die beiden Muslime auf dem Rücksitz des VW Passat Platz. Max Schneider klemmte sich hinters Steuer und startete den Motor. Bis zur Schulstraße würde er einige Zeit brauchen Sie lag weit vor den Toren des Stadtzentrums, in Rottenbauer, dem südlichsten Stadtteil Würzburgs. Abu Hassan Akbar hatte ihm aufgetragen, die beiden vom Bahnhof abzuholen, weiter zur Pension Zur Reblaus zu fahren, dort Mueselim Ansari und Ibrahim al-Assad abzuholen und alle vier nach Zell in den Dr.-Bolza-Ring zu bringen.
Dreißig Minuten später hielt Max Schneider vor der Privatpension. Er stieg aus und betrat den kleinen Empfangsraum. Hilde Breitblocker, Witwe und Pensionsinhaberin saß persönlich hinter dem Tresen und las die BILD am Sonntag. Sie schniefte und putzte sich die Nase. Höflich fragte Max Schneider nach den beiden Gästen aus Kuwait, welche