Allmächd, scho widder a Mord!. Werner Rosenzweig
Thuja-Hecke hindurch. Seine ratternde und funkelnde Maschinenpistole hatte er auf den Rücken geschnallt. Die brauchte er ja, wenn er wieder Indianer jagen wollte. An den Nachtgiger verschwendete er nicht den geringsten Gedanken. Er rannte den kleinen Bachlauf entlang und konnte es kaum erwarten, bis er hinter den Lärchenstämmen in Deckung gehen konnte. Dann nahm er sein Spielzeuggewehr von der Schulter, rammte sich den Gewehrkolben in seine rechte Schulter und sah durch sein Zielfernrohr. Kein einziger Indianer war zu sehen. Die Abenddämmerung brach herein, und plötzlich fiel ihm der Nachtgiger ein. Der sollte ruhig kommen. Seine Maschinenpistole war geladen. Dann sah er ihn. Eine schwarze Gestalt, mit einer schwarzen Maske kam im Wald direkt auf ihn zu. Raphael sprang hinter seinem Stamm hervor und riss seine Maschinenpistole hoch. Die fing das Leuchten, Blinken und Rattern an. „Halt stehen bleiben!“, rief der kleine Pimpf, „sunsd gibds was auf die Nuss. Bisd du der Nachtgiger?“
Der schwarze Maskenmann blieb stehen und hob die Hände. „Na, der binni ned. Iech hab ja a kan Schnabl ned. Iech bin der Nachtgiger-Jächer. Iech will den Nachtgiger fanga, damid der dene klane Kinner ka Angsd mehr machen kou.“
„Warum hasd du dann a schwarze Maskn?“
„Dees is mei Darnanzuuch, damid miech der Nachtgiger in der Nachd ned sichd. Abber iech hab edz eigendlich ka Zeit, iech muss nach Reutles nieber, do soller si nämli grod rumdreibn, der Nachtgiger mid sein schbidzin Schnabl.“
Raphael Gierbich machte große Augen. Er glaubte, seinen Ohren nicht zu trauen. Der schwarz gekleidete Mann machte Jagd auf das grässliche Monster.
„Hasd du aa a Bisdoln odder a Gwehr?“
„No fraali, sunsd wär dees doch viel zu gfährlich.“ Mit diesen Worten zog der Nachtgiger-Jäger eine schwarze, matt glänzende Pistole aus seinem Hosengürtel. Raphael war tief beeindruckt. „Derfi aa mied?“, wollte der Junge wissen, „iech hab aa a Gwehr. A Maschienabisdoln!“
„No fraali derfsd du aa mied, du musd mi doch underschdüdzn und dees Monsder bewachn, wenn iech die Bolizei hul.“ Kumm, mier nehma mei Audo, und foahrn nieber nach Reutles. Dees gehd viel schneller.“ Der vermummte Nachtgiger-Jäger nahm Raphael an der Hand, und beide marschierten zu einem schwarzen VW Golf, der auf einem grasbewachsenen Weg im kleinen Wäldchen stand. Der kleine Junge kroch aufgeregt auf die Rückbank, und der Schwarzgekleidete ließ den Motor an und legte den ersten Gang ein. Dann setzte sich der Wagen mit ausgeschalteten Scheinwerfern langsam in Bewegung.
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Gerda Wunderlich und Gunda Gierbich hielten schwere Stablampen in den Händen. Sie riefen und suchten Raphael bis tief in die Nacht hinein. Vergeblich. Um elf Uhr wählten sie entnervt die Telefonnummer der Nürnberger Polizei. Heulend und aufgeregt schluchzte Gunda Gierbich in die Sprechmuschel: „Mei Bu, mei Raphael is schburlos verschwundn. Mier hamna scho ieberall gsuchd.“
„Langsam, langsam gude Fraa“, antwortete eine tiefe honorige Stimme aus dem Hörer, „erschd Mal der Reihe nach. Wie haßn Sie, und wo wohna Sie? Und dann erzählns mer in aller Ruh und der Reiha nach, was bassierd is.“
Es dauerte, bis der Beamte begriff, was Sache war. „Edz versuchns Mal, ganz ruhich zu bleibn. Mier schiggn jemand bei Iehna vorbei.“
Fünf Minuten später wählte die Mutter des abgängigen Raphael die Telefonnummer ihres Mannes in Frankfurt.
Gerd Gierbich war gerade mit Lizzy der feurigen Mexikanerin beschäftigt und schälte deren Brüste aus dem transparenten, roten BH, Cup Wassermelone. Das penetrante Klingeln des Telefons ging ihm gewaltig auf den Sack. Geistesabwesend und heftig atmend meldete er sich schließlich doch. „Gerd … aaah … Gierbich … mmmmh!“
„Gerd iech bins, die Gunda. Was machsdn du grod? Is alles okay mid dier?“
„Ja, ich habe soeben die Möpse, … ich meine …“
„Was machsd du?“
„Die Möpse, ich zähle gerade Möpse. Ich bin gerade am Geldzählen.“
„Ach so! Gerd, was ganz Schlimms is bassierd. Der Raphael is verschwundn.“
„Was heißt verschwunden? Der müsste doch längst im Bett sein!“
„Ebn ned. Der is einfach abghaud und nemmer ham kumma. Iech hab grod die Bolizei ogrufn. Die missdn jedn Augenbligg do sei. Iech waß ned, wassi machen soll! … Gerd, bisd du nu am Delefon?“
„Ja, ich habe nur schnell nachgedacht. Ich setze mich sofort in den Wagen und komme.“
„Ja Gerd, bidde bidde kum schnell ham!“
„Ruf mich auf meinem Mobiltelefon an, wenn es etwas Neues gibt“, wies Gerd Gierbich seine Frau an. Dann war die Leitung stumm.
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In einem alten Haus im Nürnberger Stadtteil Rehhof, ganz in der Nähe des Bahnhofgebäudes, saßen vier finstere Gestalten und stritten sich über die Formulierung eines Erpresserbriefes. Der kleine Raphael Gierbich rutschte auf dem schmutzigen Holzfußboden herum und spielte mit den Indianerund Cowboy-Figuren, welche ihm die vier Männer in einer großen Schachtel hingestellt hatten.
„Vier Milliona“, rief einer der Männer zum dritten Mal beharrlich.
„Su viel Geld had der ned“, wandte ein anderer ein. „Bis der dees beschaffd had, dauerd dees viel zu lang.“
„An Bfeifndeggl, dees gehd ganz schnell. Der is doch im Vorschdand vo dera Bank.“
„Herd auf zu schdreidn“, ergriff nun ein Dritter das Wort, „erschd solldn mier wissen, was mier ieberhabs schreiben wolln.“
„Also, iech fang amol o“, entschied der Vierte im Bund und griff sich ein Blatt Papier und einen Kugelschreiber.
Erbresserbrief
Wenn Sie iehrn Sohn widder ham wolln, dann gild:
FINGER WEG VO DER BOLIZEI!
Mier wolln ……………….. Milliona Euro. Kann Cent mehr, abber aa
kann Cent wenicher.
Beschaffn Sie sich des Geld bis zum Freidooch in dera Wochn. Am
Freidooch um sechsa rufn mier Sie o und sogn Iehna was zu dou is.
Haldn Sie sich genau an unsre Anweisunga, sunst ……!
Iehrn Sohn geht’s gud. Der schbield grod Kauboi und Indjaner.
Mier ieberwachn jedn Iehrer Schridde und mergn, wenn Sie die Bolizei eischaldn. Lassn Sie sich dees gsachd sei.
Hochachdungsvoll
Der Nachtgiger
Rehhof, den …………
„Ferdich“, rief der Autor des Erpresserbriefes stolz. „Was maandn iehr? Bassd dees?“
Die drei anderen Entführer gruppierten sich um den am Tisch Sitzenden und studierten den Text. „Iech maan, ‚Hochachtungsvoll‘ miss mer ned grod schreiben. Klingd dees ned zu schdeif? Iech wär für ‚Dschüss, bis zum näxdn Freidooch‘.
„Du schreibsd do immer ‚mier‘: ‚… um sechsa rufn mier Sie o‘, ‚Mier ieberwachn jedn Iehrer Schridde …‘. Muss dees under dem Bliggwingl einer korreggdn Rechdschreibung ned ‚wier‘ haßn?“, monierte ein anderer der Gangster.
Dann meldete sich auch noch der dritte der Verbrecher: „Also sicher bin iech mier ned. Schreibd mer edz Rehof odder Rehhof? Mid an odder mid zwaa ha?“
„Mid zwaa“, rief der kleine Raphael vom Fußboden, dessen Kanoniere gerade die Wigwams des Indianerdorfes von Sitting Bull unter Feuer nahmen. „Mei Dande Erika wohnd in Rehhof. Die sachd immer ‚A Reh dees had vier Baa, und Rehhof had zwa ha‘. Abber Rehhof däd iech fei ned in den Brief neischreibn“, setzte der kleine Schlaumeier seine Rede fort. Die vier Gangster sahen ihn mit erwartungsvollen Blicken an.
„Sunsd waß doch die Bolizei