Vom Salz in der Suppe. Manfred Steinert
Nun wurde es spannend. Wenn man uns hier schnappte, wäre das zwar nicht schön, jedoch so kurz vor dem Ende auch nicht mehr allzu tragisch. Als einzige Möglichkeit zum wilden Zelten im Grenzbereich war uns auf der Karte das äußerste Ostende des Breitlings erschienen. Doch um dahin zu gelangen, müssten wir irgendwie quer über die drei Hafenbecken des Rostocker Überseehafens paddeln. Ob das gut gehen würde?
Schon näherten wir uns auf dem Breitling dem ersten Hafenbecken. Zuvor registrierten wir den Farbumschlag des Wassers von trüb-braun zu grünlich-klar. Wir fuhren in Salzwasser! (Und probierten das natürlich auch mit dem Finger!) Um uns herrschte ein unerhörter Hafentrubel, jede Menge Schiffe und Barkassen – und wir mittendrin. In der Ferne die gewaltige Kabelkrananlage der Warnow-Werft. Ich berührte mit dem Paddel die Stahlhaut eines 10.000-Tonners (das war damals viel), amüsiert schauten Matrosen von oben auf uns herab. Dann das zweite Hafenbecken, dann der Ölhafen. Auf der anderen, der nördlichen Seite sahen wir sogar Kriegsschiffe der NVA liegen. Nichts passierte. Unglaublich! Das kann doch nicht sein, dass uns kein »Offizieller« von irgendeiner Behörde gesehen hatte? Vielleicht waren die auf solch »Verrückte«, die dort im Faltboot zwischen Hochseeschiffen herumgurkten, gar nicht vorbereitet?
Gut, wir waren nicht böse, dass uns kein Polizeiboot eines Besuches für würdig befand. Doch hätten wir uns das Zurechtlegen einiger hanebüchener Ausreden da auch sparen können. So paddelten wir, was die Arme hergaben, um möglichst schnell aus dem Sichtbereich irgendwelcher Grenzer zu gelangen oder deren Aufmerksamkeit vielleicht doch noch zu erregen.
Endlich schien uns die Luft wieder »rein« zu sein. Am äußersten östlichen Ende des Breitlings, sogar noch ein Stück weiter in Richtung Markgrafenheide (Radelbach/Radelsee), inmitten von stark verschilftem Ödland sowie kaum überschaubarer ebenso öder, künstlicher Aufspülflächen suchten wir einen Platz für unser Zelt. Alles Land dort lag nur wenige Zentimeter oberhalb der Wasserlinie. Auf einem Stück, scheinbar ein paar Zentimeter höher gelegen, versuchten wir es dann, traten das allgegenwärtige Schilfgras breit und errichteten, so gut es ging, unsere letzte Bleibe. Einsamkeit pur! Wenn uns hier etwas passierte, niemand würde uns je in dieser Einöde finden. Erschöpft und übermüdet nach der Nachtfahrt und den etwa 90 km der Gesamt-Tagesstrecke war uns zunächst alles egal und wir fielen mitten am Tag erst einmal in einen tiefen Schlaf.
Wir hatten vom Zelt aus etwa je einen Kilometer Richtung Norden bis zum Strand nach Markgrafenheide und etwas mehr nach Osten zu einer urigen Dorfkneipe. Zuvor allerdings ging's vom Zelt aus zunächst stets erst einige hundert Meter durch das Schilfdickicht, wo man anstatt auf Wege oder wenigstens auf Trampelfpade mehr auf Intuition und Gefühl setzen musste.
Leider setzte dann während unserer ohnehin letzten Urlaubstage mehrtägiger Regen ein und nahm uns somit alle Sorgen für Planungen irgendwelcher letzter Unternehmungen ab. Und die genannte Kneipe war als »Rettungsanker« auch nicht das Wahre. Eher ein gewagtes Unterfangen, das bei nächtlicher Heimkehr kaum ohne nasses Schuhwerk ablief. besonders wenn dabei der schilfige Sumpfgürtel nicht das einzige Schwankende war.
Doch hatten diese misslichen Umstände der letzten Tage auch ihr Gutes: Machten sie doch den Abschied leichter.
***
Das waren die Hauptstationen meiner Wasserwanderzeit. Es kamen zwar noch ein paar weitere, kleinere Touren danach, doch keine war so spektakulär oder hatte diesen gewissen »Charme« wie diese beschriebenen drei, um hier mit aufgenommen zu werden.
Danach hatte das Schicksal anderes mit mir vor.
Weshalb besondere Geschichten, die deutlich über den Rahmen einer »normalen« Reise hinausgehen, erst etwa dreißig Jahre später zu verzeichnen sind. Nun allerdings in ganz anderer Form und an teilweise recht fernen Ecken der Welt.
Mecklenburger Wasserwege
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