Ein Wandel der Gesinnung. Hanspeter Götze

Ein Wandel der Gesinnung - Hanspeter Götze


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stickige Kneipenluft einatmen zu dürfen. Durch die geringe Zufuhr an frischem Sauerstoff geriet auch das Immunsystem ins Wanken. Erkältungen mit Fieberschüben, plötzliches Auftreten von Nasenbluten durch erhöhten Blutdruck oder Gelenkschmerzen bildeten nur eine Wenigkeit der durch den Alkohol bedingten Begleiterscheinungen. Mein Körper war gegen diese Fülle an gesundheitsgefährdenden Einwirkungen nicht mehr gefeit und musste sich letztendlich geschlagen geben. Aus dieser absichtlich herbeigeführten Entkräftung entstand ein schmerzhaftes Zusammenziehen der Muskeln. Selbst beim Anfassen des Bierglases oder im Verlauf einer Zigarettenpause verkrampften sich die Finger derart, dass ich sie erst mit der anderen Hand vom Objekt der Begierde lösen musste. Von diesen Krämpfen wurden ausnahmslos alle Körperteile, die irgendeinen Muskel vorzuweisen hatten, in regelmäßigen Abständen heimgesucht. Auch der Magen schreckte vor solchen Koliken nicht zurück. Besonders erschwerende Umstände lösten diese Attacken in der Einschlafphase aus. Lag man fünf Minuten ruhig auf einer Seite und die Gliedmaßen wirkten entspannt, genügte nur ein einziger Gedanke an eine Muskelverhärtung, so wurde diese prompt vom Gehirn aus auf den Plan gerufen. Aus dem ersehnten Schlaf entwickelte sich ein stetiger Kampf gegen lästige Schmerzen, welche mich dazu nötigten, das Bett für Lockerungsübungen zu verlassen. Mit den daraus entstandenen Auswirkungen in Form von Muskelkater durfte ich mich am nächsten Tag ausgiebig beschäftigen. Besonders heikel waren diese krampfartigen Anfälle vor allem während des Autofahrens. Mehrfach trat ein solcher aus unerklärlichem Grund unterhalb des Rippenbogens auf und veranlasste mich zu einem unbeschreiblichen Tanz am Lenkrad. Um das Leiden einigermaßen erträglich zu gestalten, versuchte ich es mit der Einnahme von Magnesiumtabletten. Trat dann eine Besserung auf, geriet diese Maßnahme schon bald wieder in Vergessenheit.

      Da sich Alkohol und Nikotin hervorragend in ihren Eigenschaften ergänzten, gehörten Durchblutungsstörungen zu einer weiteren Folgeerscheinung meines unachtsam geführten Lebensstils. War das Entfernen vom Barhocker aufgrund eines Toilettenganges unvermeidbar, verneigte man sich unbeabsichtigt vor den anderen, da sich zumindest ein Bein noch im Tiefschlaf befand. Anstatt aus diesen Beeinträchtigungen eine heilsame Lehre gezogen zu haben, erlitt ich lieber die Peinigungen und blieb meiner eingeschlagenen Lebensführung treu. Dies nennt man erbrachte Hingabe für eine zum Scheitern verurteilte Vorgehensweise. An dieser plötzlich eintretenden Gefühllosigkeit in den unteren Extremitäten habe ich auch heute noch ab und an zu leiden. Bei längerem Sitzen in Bus oder Bahn überprüfe ich jedoch fortan vor dem Aussteigen die Tragfähigkeit und erspare mir dadurch einstige peinliche Abgänge. Die im alkoholischen Zustand davongetragenen Verletzungen veranlassten mich zu einer vorsichtigeren Gangart. Schon allein der Anblick einer Wendeltreppe ließ mein Herz im negativen Sinne höher schlagen. Alles, was nicht ebenerdig war, wurde von mir als Hindernis angesehen und ich versuchte dieses, so gut es ging zu umgehen.

      Besonders nervenaufreibend und schweißtreibend gestaltete sich die Fahrt zum Therapieplatz nach Wilhelmsheim. Mit schlottrigen Beinen und einer inneren Unruhe erreichte ich zusammen mit den zwei Koffern und einer Tragetasche das erste Etappenziel Augsburg. Zu meinem Entsetzen hatte weder die ab- noch aufwärtsführende Treppe eine Geländerstange zum Festhalten. Da stand ich nun wie ein gebrochener Mann vor einer schier unlösbaren Aufgabe. Erst einmal ließ ich alle Reisenden passieren und bewunderte ihre Leichtfüßigkeit, mit der sie sich in die Tiefe stürzten. Danach nahm ich einen Koffer und stützte mich während des Abstiegs mit der rechten Körperhälfte an der Mauer ab. Nach einiger Zeit hatte ich das ganze Hab und Gut unterhalb von Gleis 7 deponiert und bewegte mich nach kurzem Verschnaufen in Richtung Bahnsteig 1. Dort konnte ich den mittlerweile eingespielten Ablauf dann treppauf wiederholen. Als ich schließlich im ICE nach Stuttgart saß, benötigte mein Körper über eine Stunde, um sich von diesem Stress einigermaßen zu erholen. In dieser Phase verfluchte ich erstmals den Alkohol, der mich zu einer gehbehinderten Person gemacht hatte. In der Hoffnung, dass dieses Leid bald ein Ende finden sollte, verließ ich in Stuttgart den Zug, wo eine noch größere Belastungsprobe auf mich wartete. Aufgrund von Wartungsarbeiten befand sich der Personenaufzug ins Untergeschoss zur S-Bahn außer Betrieb und die Rolltreppe abwärts war wegen technischen Defekts gesperrt. Als ich so hilflos in die Tiefe blickte, nahmen sich zwei Bahnbedienstete meiner an und trugen das gesamte Gepäck die Steintreppe hinab. Es war wie ein Wink von irgendwoher, welcher mir zeigte, dass der von mir eingeschlagene Weg der Richtige sei.

      Die einstige Verunsicherung bei der Fortbewegung hinterließ Folgeschäden, mit denen ich noch heute zu kämpfen habe. Da das Gleichgewicht von vielen körperlichen Funktionen abhängig ist, entstanden durch die Fremdeinwirkung durch übermäßiges Trinken verschiedene Störungen, welche zu unkontrollierten Bewegungsabläufen führten. Daher genügte ein einziger Blick gen Himmel, um die Balance zu verlieren. Nach einem ausgiebigen Kneipenbesuch war das Gehirn nur noch bedingt einsatzfähig und dadurch kam es unweigerlich zu Unstimmigkeiten bei der Absprache mit der Motorik. Die Beine wollten nicht so wie der Kopf und deshalb kam es beim Laufen zum Verkanten der Füße, welches entweder einen Sturz zur Folge hatte oder aber in einer Serie von ausgreifenden Schritten endete.

      In dem Wirrwarr der letzten Monate vor der Heilbehandlung schmiedeten die Organe einen Komplott gegen mich, um wieder Vernunft walten zu lassen. Allen voran erwies sich die Fettleber durch ein Stechen unterhalb des rechten Rippenbogens als zuverlässiger Peiniger. Sobald ich wieder einmal das Maß überschritt, setzte es sofort schmerzhafte Seitenhiebe, welche mich bei anfallenden Tätigkeiten stark beeinträchtigten. Auch das Herz stand dieser Quälerei in nichts nach und versuchte mir durch starkes Klopfen sowie Reißen Angst einzujagen. Zu meinem Erstaunen kündigte auch das Zahnfleisch den Pachtvertrag mit dem Gebiss und die Zähne machten sich selbstständig. Wer nicht freiwillig seinen Platz räumte, wurde vom Dentisten ohne großes Aufsehen entfernt. Auch im Gesicht zeichneten sich die bei Alkoholikern typischen Gefäßspinnen ab. Die anfangs noch rötlichen Äderchen verfärbten sich zum Ende hin blau und gaben Anlass zu lästigen Fragen: „Hast du eins auf die Nase bekommen oder eine Mauer abgeküsst?“ Solche und ähnliche musste ich über mich ergehen lassen, bevor ich selbst eine Bestandsaufnahme vom Gesicht machte. Tatsächlich fanden sich in dem aufgedunsenen Aussehen farbliche Kontraste, die besonders bei Kälte Wirkung zeigten.

      Diese Auswahl an seelischen und körperlichen Gebrechen, verursacht durch den unkontrollierten Umgang mit Alkohol, gab schließlich den Ausschlag für eine sofortige therapeutische Maßnahme, welche ich dann zu meinem Wohlergehen ergriff.

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