Experiment Ella. Fay Ellison

Experiment Ella - Fay Ellison


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war ihm egal, dass sie nicht wusste, warum gerade sie ihm zum Opfer fiel. Er könnte es erklären, aber was machte das für einen Unterschied? Wenn er seine fleischliche Lust an ihr befriedigt hätte, wäre das nur der Auftakt des Spiels, das schlussendlich das Ziel hatte, sie ins Jenseits zu befördern. Für seinen Geschmack kam er grundsätzlich viel zu schnell zum Höhepunkt. Für einen längeren Akt eine Pille zu schlucken, kam für ihn nicht infrage. Er ärgerte sich darüber, dass er sich in dieser Beziehung nicht besser beherrschen konnte, denn bisher war es immer nach wenigen Stößen vorüber gewesen. Es glich jedes Mal einer Offenbarung und überwältigte ihn derart, dass er vorübergehend nur das Rot des Blutes hinter seinen Augenlidern rauschen sah. Wenn er dann benommen über seinem Opfer zusammensackte, war das Monster in seinem Kopf noch lange nicht befriedigt. Erst wenn die Beute vollständig verschlungen war, sollten ihre Qualen ein Ende nehmen. Seine aber wären nur vorübergehend gemildert.

      Claras Leben war nicht von Gottes Hand erschaffen. Er war der Auserwählte und seine Hände mussten beenden, was Wissenschaftler unbedarft erschufen. Die damit verbundene Macht fühlte sich unbeschreiblich an. Erst wenn sie alle zerstört waren, konnte auch er in Gottes Schoß zurückkehren und seinen Frieden finden. Auf diesem Planeten war kein Platz für ihresgleichen. Schmerz und Tod waren der Tribut, den sie alle zahlen mussten.

      Bei den vorangegangenen Opfern war das Grauen deutlich in den Gesichtern abzulesen gewesen. Die Furcht war aus jeder ihrer Poren gekrochen. Er hatte sich daran berauscht, als wäre es das teuerste Parfüm der Welt. Wie sie wohl roch? Könnte ihr Aroma die anderen noch übertreffen? Er schloss für einen Moment die Augen und saugte die kalte Luft tief in seine Lungen, aber außer der winterlichen Frische konnte er keinen Duft einfangen.

      Er sah, wie sie zitterte und die Hände tief in den Taschen vergrub. Ahnte sie bereits, dass dieser Tag nicht wie jeder andere enden würde, oder war es die Kälte, die sie frösteln ließ? Vielleicht war es ein bisschen von beidem.

      Erneut befühlte er das Rasiermesser. Es war ein altmodisches Erbstück seines Vaters. Stundenlang hatte er die Klinge geschliffen und sich dabei immer wieder die bevorstehende Szene vorgestellt. Wenn er endlich zum Zuge kam, wollte er es wie einen Pinsel führen. Die feinen roten Linien, die es auf der Haut hinterließ, sollten wie Ölfarbe auf einem Stück Leinwand anmuten. Vermutlich würde das Blut wie dunkler Schaumwein hervorquellen und sich wie Tautropfen um die kleinen harten Knospen legen. Jede ihrer perfekten Rundungen nachzuziehen und anschließend sein Werk in Ruhe zu betrachten, war ein Gedanke, der ihn in Euphorie versetzte. Ein Gemälde auf einer bildschönen Frau. Vielleicht bewegte sich ihr Bauch unter seinen Berührungen schneller auf und ab. Danach wollte er sie kosten. Wie einen besonderen Wein wollte er den süßen, metallischen Geschmack auf seiner Zunge verweilen lassen, bevor er ihn vollends genoss. Auf jeden Fall würde er dafür sorgen, dass sie lange bei vollem Bewusstsein blieb, denn das Monster in seinem Kopf war anspruchsvoll.

      Endlich nahm er das Knirschen ihrer Stiefel auf dem gefrorenen Weg wahr.

      *

      München

      Sommer

      Nur wenige Menschen trennten Daniel Maler von seinem Auftrag. Er hatte sie schon vorhin ausgiebig gemustert. Ella Bräuer war eine echte Sahneschnitte. Seine Blicke waren über ihren Körper gewandert, wie der Scanner des Wachpersonals es gleich im Anschluss tun würde. Er musste sich noch etwas gedulden, um Sauers Plan durchziehen zu können. Allerdings könnte er sie so noch ein paar Minuten betrachten und anschließend ihre Nähe genießen. Mit seiner Hand fuhr er sich über das pockennarbenentstellte Gesicht und weiter durch sein fettiges Haar. Sie bückte sich, um das Gepäck aufs Laufband zu hieven. Als sie sich umsah, fing er ihren Blick auf. Irgendwie wirkte sie ängstlich und offensichtlich fühlte sie sich unter seiner Musterung unwohl. Er verzog sein Gesicht zu einem Grinsen. Wie sie sich erst fühlen müsste, wenn sie mitbekam, was das weitere Leben für sie bereithielt? Die Warteschlange wurde kürzer. Als sie abgefertigt war, ging sie an ihm vorüber. Der Platz im Flugzeug neben ihr war bereits arrangiert. Er spürte es in seiner Hose zucken, als er seinen Blick ein weiteres Mal über ihre schlanken, langen Beine wandern ließ.

      Schon wenige Minuten später nahm sie im Flugzeug neben ihm Platz. Ihr Blick verriet die Abneigung, die sie für ihn empfand. Als die Maschine abhob, beobachtete er, wie sie die Finger in die Armlehnen krallte und dabei die Augen schloss. Die Kleine hatte also Angst vor dem Fliegen, stellte er fest. Das Flugzeug wurde lauter, die Turbinen hatten jetzt vollen Schub. Er nutzte diesen angespannten Moment, um sie aus der Nähe zu mustern. Sie roch gut, vermutlich nach einem teuren Parfüm. Ihre Haut war im Gegensatz zu seiner makellos und rein. Am liebsten hätte er sie überall gestreichelt und auf die herzförmigen Lippen geküsst, aber das war unmöglich. Vielleicht bot sich dazu später eine Möglichkeit. Als sie die Reisehöhe erreicht hatten und die Stewardess mit Getränken herumkam, bestellte er sich eine Cola. Ella hatte sich einen Wodka-Orangensaft genehmigt. Als sie kurz mit der Stewardess redete, gab er unauffällig die K.-o.-Tropfen in ihren Drink. Nachdem sie ihr Glas geleert hatte, wurde sie zusehends schläfriger, bis sie ganz tief und fest schlummerte. Der Kopf hatte seinen Halt verloren und lag nun locker auf seiner Schulter, die Finger fielen von den Armlehnen. Ihre Locken kitzelten seine Halsbeuge und ließen die Schwellung in seiner Hose wieder größer werden. Bei Gott, wie gern würde er sie vögeln. Als er sicher war, dass es ihr soweit gut ging und sie tief schlief, wartete er noch eine halbe Stunde ab, bevor er die Stewardess rief und sie davon in Kenntnis setzte, dass mit der Dame neben ihm etwas nicht in Ordnung war. Natürlich war ein Arzt anwesend, schließlich war es ein abgekartetes Spiel. Die Organisation wollte sichergehen, dass ihr Tod in der Zeitung stand. Kurz darauf sollte dann die Beerdigung eines nicht vorhandenen Leichnams stattfinden und niemand würde Ella jemals vermissen. Keiner sollte je erfahren, was wirklich mit ihr geschehen war und zu welchem Zweck sie erschaffen wurde. Es sei denn, dass Sauer anders entschied.

      Wenn er an den Einsatz vor ein paar Tagen zurückdachte, riefen die Erinnerungen Schmerzen hervor. Dieser John hatte eine harte Rechte gehabt. Erneut rieb er sich das Kinn. Obwohl er den Auftrag nicht allein übernommen hatte, war der Übergriff alles andere als einfach gewesen. Der Typ war nicht normal. Als hätte er den Braten gerochen, hatte er wild um sich geschlagen und ihn glatt aus den Schuhen gehauen. Sie hatten ihn nachts überrascht, aber offensichtlich hatte er einen leichten Schlaf. Im Dunkeln war es nicht so riskant, dann waren seine mentalen Fähigkeiten blockiert. Zu dritt waren sie ins Haus eingestiegen und jeder von ihnen hatte sein Fett wegbekommen. Bis sie ihm die Injektion setzen konnten, hatte er wie ein Löwe gekämpft. Das Schlafzimmer hatte ausgesehen, als hätte eine Bombe eingeschlagen. Er lächelte in sich hinein, denn kaum war der Gefangene in seinem neuen Quartier erwacht, versetzte er alle erneut in Aufregung. Ob die Konditionierungen irgendwann griffen? Sauer war diesbezüglich sehr einfallsreich. Der kleine Widerling hatte immer einen Plan und bis jetzt hatte er immer alles bekommen. Und wenn er jemanden von der Bildfläche verschwinden lassen wollte, dann war das keine leere Drohung. Spätestens, wenn er John den Film seiner Beerdigung vorführte, sollte dieser auch erkennen, dass er es mit mächtigeren Leuten zu tun hatte, als er es vielleicht bis dato vermutete. Früher oder später war er weichgekocht und dann hörte er sicherlich auf, gegen seine Bestimmung anzukämpfen und zöge die Vorteile daraus. Wenn man mit so einer geilen Schnitte wie Ella pimpern darf, sollte das doch eine angemessene Entschädigung für den Verlust der Freiheit darstellen. Er hätte jedenfalls gegen so ein Arrangement nichts einzuwenden, aber leider stand das nicht zur Diskussion.

      *

      Frankfurt

      Biology Genetic Company (BGC) Hauptquartier

      Nachmittag

      Das Pochen in Ellas Kopf glich dem eines Presslufthammers und rief Übelkeit hervor. Undenkbar, die Augen zu öffnen, ohne sich zu übergeben. Die Geräusche des Fliegers waren verschwunden und durch ungewöhnliche Stille abgelöst worden. Irgendetwas war anders. Durch die geschlossenen Lider konnte sie grelles Licht ausmachen. Vielleicht war das Flugzeug bereits gelandet? Oder es war abgestürzt! Ihre Zunge fühlte sich wie ein alter Putzlappen an. Als eine männliche Stimme auf sie einredete, konnte sie nicht reagieren. Die befehlsmäßige Tonlage verursachte ihr noch mehr Kopfschmerzen.

      „Ich


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