Meine Jugend in Erfurt unter Hitler 1933–1945. Gerhard Laue
Unter ihnen auch Ernest Hemingway. Der hatte darüber seinen Roman „Wem die Stunde schlägt“ geschrieben. Der Roman ist auch verfilmt worden.
Diese „Legion Condor“ hatte es Lehrer Jentzsch angetan. Er bejubelte alle Siege. (Die sie auch wirklich errungen hat) Die „Legion Condor“ hat auch wesentlich zum Sieg Francos beigetragen.
Jentzsch hat besonders von unserer Luftwaffe geschwärmt. Die habe so große Bomben, dass sie ganze Städte zerstören kann. Er skizzierte an die Tafel, wie einfach unsere Flugzeuge eine bis dahin uneinnehmbare Festung sturmreif gebombt haben.
Jentzsch hat uns das Gefühl vermittelt, dass Hitler der Allergrößte ist und dass unsere Armeen unbesiegbar seien.
Schon in der Volksschule hat die Politik einen großen Raum eingenommen. Es hat kaum ein Fach gegeben, in dem man nicht politische Themen behandeln konnte. Vor allem die jüngeren Lehrer haben es verstanden, ihre grenzenlose Begeisterung für Hitler an uns 6-10jährige weiterzugeben.
Zehn Jahre später – 1944 – habe ich diese alte Aula noch einmal wiedergesehen. Es war eine Pflichtveranstaltung. Da haben nämlich die von uns allen gefürchteten Werbeabende der Waffen-SS stattgefunden. Mit allen Wassern gewaschene SS-Offiziere haben versucht, uns dazu zu zwingen, eine Freiwilligenmeldung zu unterschreiben.
Klassenkamerad Günter Stein und der große Hunger
Ich habe schon erzählt, dass bei der Einschulungsfeier in der großen Aula, einige in SA-Uniform erschienen waren. Träger waren junge Lehrer und junge Väter.
Hitler war für uns Kinder zu diesem Zeitpunkt schon eine Selbstverständlichkeit. Und unsere vornehmlich jungen Lehrer haben in der Folge alles getan, um diese Selbstverständlichkeit in unseren Köpfen noch weiter zu verfestigen.
Aber bei all dem frenetischen Jubel, der dem Führer überall entgegengebracht wurde, darf man auch die Schattenseiten nicht vergessen.
Hitler war zwar gekommen, um alles besser zu machen. Aber nicht alle Versprechungen konnte er einhalten. Denn die Not – vor allem unter den Arbeitern in unserem Viertel – die war noch da.
Jetzt flossen ungeheure Mittel in die auf Hochtouren laufende Rüstungsindustrie, in den Bau des mehrere hundert Kilometer langen Westwalls und in den Bau der neuen Autobahn. Letzteres, obwohl nur wenige Autos auf den Straßen zu sehen waren. Das alles waren Investitionen, die wirtschaftlich betrachtet, keine Gegenwerte geschaffen haben – die förmlich verpufft sind. Dringend benötigte Wohnungen z. B., konnten nicht gebaut werden, weil das Geld dafür fehlte.
Die Kaufkraft war niedrig, weil diejenigen, die Arbeit hatten, sehr wenig verdient haben. Der große Jubel hat vieles verdeckt. Aber den Arbeitern ging es noch genauso schlecht, wie zu Zeiten der Weimarer Republik.
Besonders kinderreiche Familien waren davon betroffen. Je größer eine Familie gewesen ist, um so ärmer war sie.
Ich hatte Klassenkameraden, die sind in die Schule gekommen, ohne vorher etwas gegessen zu haben. Oft hatten sie auch keine Pausenbrote dabei. Das waren bittere Zustände, die wir uns heute gar nicht mehr vorstellen können. Das war auch unseren Lehrern nicht verborgen geblieben. Und die haben in Eigeninitiative etwas unternommen, um diesen Kindern zu helfen. Eltern, die es sich leisten konnten, wurden gebeten, ein Frühstückspaket mehr mitzugeben. Auf diese Weise sind auch herrliche kleine Patenschaften entstanden.
Einer, der zu den Begünstigten gehörte, war Günter Stein. Er kam aus einer der kinderreichen Familien, die uns gegenüber in den städtischen Häusern gewohnt haben. Stein gehörte nicht zum engeren Kreis meiner Freunde. Aber wenn ihn der Hunger besonders geplagt hat, da hat er geklingelt, um mich abzuholen. Wichtiger war ihm allerdings das gemeinsame Frühstück mit mir. Er wusste, dass ihn meine Mutter nicht abweisen würde. Es ist vorgekommen, dass ich gerade erst aufgestanden war, als der arme Kerl schon bei uns auf der Matte gestanden hat.
Obwohl ein Jeder seine Probleme gehabt hat, gab es doch eine wohltuende Solidarität unter der Bevölkerung. Sie kam von selbst und war nicht von oben verordnet.
Ich kann nicht sagen, ob das überall so gewesen ist, möchte es aber fest annehmen.
Damals gab es für mich ja nur die kleine Welt eines Sechsjährigen, der im Arbeiterviertel Erfurt-Nord gelebt hat.
Meine Familie
1930 – Als zweijähriger im Garten der Großeltern
Fritz Laue
Mein Patenonkel, Gönner und Förderer
Sommer 1935
Urlaub mit KdF
(Kraft durch Freude)
in Füssen/Allgäu
Ich war sieben Jahre alt.
Papas Kommentar zum Foto: „In luftiger Höh auf dem Adolf-Hitler-Pass.“
Wir wohnten im Privatquartier. Mich haben die Berge, Seen und Schlösser nicht so interessiert, wie das Brötchen mit Bienenhonig, dass es jeden Morgen zum Frühstück gab. Das war für mich ein Hochgenuss, den ich bis dahin nicht kannte.
1935
Als siebenjähriger Schüler mit dem Schulranzen auf dem Rücken. Ich war stolz auf den Scheitel, den ich jetzt tragen durfte.
Das „Pony“ war mir zu babyhaft.
Hugo
Die Geschichte um das Kaninchen Hugo hat nichts mit Politik zu tun. Aber sie ist Teil meiner frühen Kindheit. Und ich meine, sie verdient es, erzählt zu werden.
Oma und Opa sind auf dem Lande groß geworden. Die Oma in Dienstedt und der Opa in Witzleben.
Diese bäuerliche Herkunft haben sie auch nach vielen Jahren des Stadtlebens nicht verleugnen können.
Tiere gehören zum Haushalt. Dieser Meinung sind sie treu geblieben.
Kastor, hieß der bullige Boxer, mit dem ich schon in frühester Kindheit eine enge Freundschaft geschlossen habe. Kastor hat mich behütet und bewacht. Er hat mich Dreikäsehoch ganz allein und ganz sicher um den Häuserblock geführt, obwohl die Großeltern in gebührendem Abstand gefolgt sind. Aber, ich habe das nicht bemerkt.
Opa hatte auch Kaninchen. Im Garten hinter dem Haus stand ein Kaninchenstall in beachtlicher Größe. Es waren weit mehr, als er für den Eigenbedarf gebraucht hätte. Für Opa bedeuteten die Kaninchen ein gutes Zusatzgeschäft. Überhaupt hatte er immer ein Gespür für lukrative Nebeneinnahmen.
Als Zigaretten auf dem schwarzen Markt zu Höchstpreisen gehandelt wurden, hat Opa seinen Vorgarten in eine kleine Tabakplantage umgewandelt. Er hat es auch verstanden, den Tabak bis zur Gebrauchsfertigkeit zu bearbeiten. Sogar der stark rauchende Opa Laue ist sein Kunde gewesen, obwohl der von Bauern eigentlich nicht viel gehalten hat.
Die Wohnung der Großeltern ist so groß gewesen, dass sie übers Verkehrsamt zwei Zimmer an Durchreisende vermietet haben. Die Oma hat sich noch ein paar Mark dazuverdient, wenn sie die Gäste an den täglichen Mahlzeiten teilhaben ließ.
Opa war darüber hinaus – wie alle Bauernsöhne aus kinderreichen Familien – ein Multitalent in allen handwerklichen Belangen.
Als mal wieder Kaninchennachwuchs kam, hat Opa mir einen Winzling geschenkt. Ich war