Barrierefrei und selbstbestimmt Wohnen. Claudia Karell
mit Behinderung der Bundesländer gilt für ihren jeweiligen Zuständigkeits- bzw. Geltungsbereich (vgl. beispielsweise ThürGlG7 § 5 „Geltungsbereich“).
Beispiel:
Thüringer Gesetz zur Gleichstellung und Verbesserung der Integration von Menschen mit Behinderungen vom 16.Dezember 2005
§ 5 Barrierefreiheit
Barrierefrei sind bauliche und sonstige Anlagen, Verkehrsmittel, technische Gebrauchsgegenstände, Systeme der Informationsverarbeitung, akustische und visuelle Informationsquellen und Kommunikationseinrichtungen sowie andere gestaltete Lebensbereiche, wenn sie für Menschen mit Behinderungen in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe zugänglich und nutzbar sind.
1.2 Kernpunkte der Barrierefreiheit
Was bedeutet Barrierefreiheit? Und was bewirkt sie?
Bauen und gestalten für ALLE
Übernahme sozialer Verantwortung
Bereitschaft zur flexiblen und dynamischen Planung
„Nicht mehr als nötig“ aber auch nicht „weniger als möglich“
Zukunftsorientierung ohne Insellösungen
selbständige Mobilität
gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben für ALLE
1.3 „10 Gebote der Barrierefreiheit“
Die Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation (BAR) e. V. sieht in der Realisierung der Barrierefreiheit nicht in erster Linie eine technische Herausforderung. Die Schaffung der Barrierefreiheit beginnt, ihres Erachtens, vielmehr mit der Bewusstseinsbildung einer entsprechenden Gestaltung des Lebensraumes, damit dieser auch für Menschen mit Handicap zugänglich und nutzbar ist.
Vor diesem Hintergrund hat die BAR-Arbeitsgruppe „Barrierefreie Umweltgestaltung“ die „10 Gebote der Barrierefreiheit“ zusammengestellt.
1. Gebot
Die Barrierefreiheit bildet die Grundlage der Umweltgestaltung für ALLE. Die Anforderungen, welche behinderte Menschen stellen müssen, benötigen die Aufmerksamkeit und das Engagement aller Mitbürger.
2. Gebot
Wir müssen uns bewusst machen, dass die Barrierefreiheit alle Lebensbereiche betrifft:
Information und Kommunikation
Bauen und Wohnen,
Mobilität und Verkehr,
Bildung und Kultur,
Arbeit, Erholung und Gesundheitswesen.
3. Gebot
Es ist zu berücksichtigen, dass die Barrierefreiheit für alle Menschen in gleichem Maße wichtig ist. Dies gilt insbesondere auch für Menschen mit motorischen, sensorischen oder mit kognitiven Handicaps.
4. Gebot
Das Ziel unseres Handelns ist daran auszurichten, dass die Nutzungsobjekte von ALLEN eigenständig
wahrnehmbar,
erreichbar,
begreifbar (verständlich),
erkennbar und
bedienbar sind.
5. Gebot
Bei der Planung sollte man sich von 5 Maximen leiten lassen:
der ergonomischen Gestaltung,
dem Zwei-Sinne-Prinzip,
der Verwendung visueller, akustischer und taktiler Kontraste,
dem Fuß-und-Roll-Prinzip sowie
der Anwendung leichter Sprache.
6. Gebot
Menschen mit Behinderung bzw. ihre Vertreter sind frühzeitig in alle Maßnahmen zur Schaffung der Barrierefreiheit einzubinden. Dies verbessert die Chance sachgerechte Lösungen zu finden und erhöht gleichzeitig deren Akzeptanz.
7. Gebot
Es sollten die
Technischen Regelwerke,
die Erkenntnisse der Forschung und
die Erfahrungen der Praxis genutzt werden.
Barrierefreiheit braucht Qualität!
8. Gebot
Es ist die objektive und subjektive Sicherheit für ALLE herzustellen. Dabei sind vorbeugende Sicherheitsmaßnahmen besonders wichtig.
Die Möglichkeit einer Selbstrettung im Notfall muss auch für Menschen mit Behinderung gegeben sein.
9. Gebot
Die Erfüllung des Nachholbedarfs ist systematisch anzugehen. Ziel muss es sein, mit der Barrierefreiheit eine größtmögliche Nutzung und damit eine Nachhaltigkeit für ALLE zu erreichen.
10. Gebot
Die Schaffung der Barrierefreiheit ist ein zukunftsorientiertes Handeln, da im Zuge des demographischen Wandels die Bedeutung der Barrierefreiheit deutlich zunehmen wird.
Die „10 Gebote der Barrierefreiheit“ sind im Internet sowie in einer Broschüre (in leichter Sprache) nachzulesen.8
1.4 „Post-Fall-Syndrom“ als Ursache mangelhafter Barrierefreiheit
Zahlreiche Barrieren, wie beispielsweise:
ungekennzeichnete Stufen – in Gebäuden und im öffentlichen Verkehrsraum (z. Bsp.: Unterführungen)
mangelhafte Beleuchtung – in Gebäuden und im öffentlichen Verkehrsraum (z. Bsp.: Gehwege)
ungekennzeichnete und zu niedrige Poller
ungenügende Baustellenabsicherungen mit „Flatterleinen“
führen bei Menschen mit Handicap zu Ängsten und Stürzen mit schmerzhaften Verletzungen sowie teilweise schwerwiegenden Folgen.
Insbesondere gestürzte Menschen mit Handicap und Senioren entwickeln häufig eine große Angst vor erneuten Stürzen.
Daraus kann sich eine Sturzphobie (= krankhafte Angst vor erneuten Stürzen), auch als Post-Fall-Syndrom bezeichnet, entwickeln.
Zur Vermeidung weiterer Stürze reduzieren sie ihre
➢ Aktivitäten bei der Verrichtung täglicher Tätigkeiten im Haushalt sowie
➢ ihre Teilnahme am Straßenverkehr.