Das Leben ist ein tiefer Fluss. Rose Zaddach
schwiegen viel die nächsten Tage. Jeder hing seinen Gedanken nach und die Erinnerungen begannen sie zu umgarnen und hielten sie die ganze Zeit gefangen in ihrem Netz.
Sechzig Jahre, ein Leben!
Kindheit und Jugend, Liebe und Verlust. Aufgaben.
Arbeit, Krankheit, Hunger und Sehnsucht. – Kinder, Eltern und Großeltern tauchten vor ihrem geistigen Auge auf. Jeder war für sich alleine und doch waren sie einander verbunden - unausweichlich mit dem roten, mallorquinischen Schal, der zu einer Metapher wurde für das Leben selbst.
Jeden Abend packten sie ihn aus. Sie öffneten das zarte, goldumrandete Geschenkpapier und breiteten ihn auf der Bettdecke aus. Dann packten sie ihn wieder ein.
Jeden Abend, bis zur Abreise.
Am letzten Abend saßen sie wie gewohnt in der Ecke ihres Speisesaales und blickten auf das Meer.
Viele Gäste waren schon abgereist. Der Winter nahte. Leise spielte Musik. Die Kellner brachten die Suppe, die Vorspeisen, den Wein – da nahm KA lächelnd die Hand seiner Begleiterin und sagte: Paula, ich habe lange überlegt.
Ich mache Dir noch einmal das Geschenk.
Der rote Schal – er gehört Dir.
In diesem Moment erst traf Paula endgültig die Entscheidung. Wehmütig – und doch schon frei, gab sie den Schal ab. Die Tränen, die aufstiegen, waren Tränen der Erlösung. Sie hatte sich von dem Requisit, das sie an ihre Lebensträume erinnerte, verabschiedet. So war es: Der Schal gehörte Veronica und sie überließ ihn ihr gerne.
Zu KA sprach sie leise, aber entschlossen. Höre zu, sagte sie, ich danke dir von ganzem Herzen. Dein Geschenk an mich zeigt auch deine Liebe zu mir, aber ich habe in meinem Inneren die Gewissheit, dass ich dein Geschenk nicht annehmen darf. Der Schal gehört Veronica. Denn es ist ein Geschenk eines Vaters an seine Tochter, das ein Zeichen der Liebe setzen soll und sagen: So ist das Leben, voller Schmerz, aber auch voller Freude und Schönheit.
So schön und kostbar ist das Leben. Lebe es mit Leidenschaft, dann erhältst du die Fülle. Das wolltest du Veronica mit deinem Geschenk sagen. Ich habe es in deinen Augen gelesen und deine Gedanken erkannt.
Und, sage selbst, wie sollte ich den mallorquinischen Schal mit Freude tragen, wenn ich weiß, das Schicksal hatte ihn für Veronica bestimmt als ein Zeichen der Liebe zwischen Tochter und Vater. – KA schaute Paula lange überrascht und mit Bewunderung an. Dann lächelte er und nickte erleichtert.
Bald danach erhielt Paula eine Fotografie vom mallorquinischen Schal, so, wie sie es sich gewünscht hatte. Es war nur ein Foto, ein fernes Abbild dieses einen Traumes. Aber Paula träumte ihn weiter – und träumte ihn immer wieder neu. Es war der Traum vom erfüllten Leben und der leidenschaftlichen Zustimmung und dem Mut, den Paula dazu immer wieder braucht.
Конец ознакомительного фрагмента.
Текст предоставлен ООО «ЛитРес».
Прочитайте эту книгу целиком, купив полную легальную версию на ЛитРес.
Безопасно оплатить книгу можно банковской картой Visa, MasterCard, Maestro, со счета мобильного телефона, с платежного терминала, в салоне МТС или Связной, через PayPal, WebMoney, Яндекс.Деньги, QIWI Кошелек, бонусными картами или другим удобным Вам способом.