Das süße Gift des Geldes. Bhavya Heubisch

Das süße Gift des Geldes - Bhavya Heubisch


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vorn nicht ewig anstellen musste.

      Kramer trat ein, nahm den Hut ab und schaute sich um im Flur. Setzte sich auf den letzten freien Platz auf der Bank an der Wand. Gereizt rutschten die Leute zusammen.

      „Zinsen oder Kapital?“, herrschte ihn ein goldbetresster Lakai an.

      „Wie meinen Sie das?“

      „Frag nicht so saudumm. Willst Geld anlegen oder abholen?“

      „Anlegen möcht ich, wenn’s recht ist.“

      „Dann gehst da vorn in den Gang und stellst dich vor dem Kassiererzimmer an.“

      Wieder musste Kramer warten. „Dauert’s lang, bis man drankommt?“

      „Pscht!“, zischte eine Bäuerin, den Beutel mit dem Ersparten an die Brust gepresst. „Das gnädige Fräulein duldet keinen Lärm.“

      Einer nach dem anderen wurde aufgerufen und verschwand hinter der Tür.

      „Der Nächste!“, schnarrte der Lakai.

      „Ich wär dran.“

      „Dann schick dich! Meinst, wir haben ewig Zeit?“

      Eingeschüchtert betrat Kramer das Zimmer. Traute sich kaum, die Spitzeder anzuschauen, die kerzengerade in einem wuchtigen Ledersessel saß. Er verkrumpelte seinen Hut und stierte auf das Bild mit dem aufgemalten Spruch: „Tue recht und scheue niemand.“

      „Halt keine Maulaffen feil! Wie viel willst anlegen?“

      „Zehn Gulden, wenn’s genehm ist.“

      Mit geübten Fingern zählte sie sein Geld, legte es in den Korb, der vor lauter Münzen fast überquoll, und nahm einen Zettel zur Hand. „Name?“

      „Der Kramer bin ich.“

      „Vornamen hast keinen?“

      „Jakob.“

      Sie schrieb seinen Namen und den eingezahlten Betrag auf einen Zettel. Vermerkte auf einem anderen die zehn Gulden und schob ihn dem Kramer hin. „Da hast den Beleg. Und da hast zwei Gulden Zins für zwei Monat im Voraus. Für jeden weiteren Monat, den du das Geld bei mir lasst, kriegst weitere zwei Gulden. Und jetzt schau, dass du weiterkommst.“

      Mit gesenktem Kopf schlich Kramer auf die Straße. Ein so ein rüdes Weib. Aber ein schnell verdientes Geld war es. Hitzig dachte er an die Afra. Eine Kette vom Juwelier Thomass würde er ihr schenken. Damit sie ihn heranließ, die Verheißungsvolle. Die so ganz anders war als die Agnes, die jedes Mal, wenn er auf ihr gelegen hatte, sich heulend neben die Bettstatt kniete und den Herrgott um Verzeihung bat für die Sünd.

      Vorsichtig, damit er nicht ausrutschte auf den wackligen Bohlen, ging er den Weg am Pfisterbach entlang. Der Bach, der mit seinem Wasser die Pfistermühle speiste, floss träge an ihm vorüber. „Scheiß Vieh!“ Kramer war auf einen Ratzenkadaver getreten und schleuderte ihn mit der Schuhspitze zur Seite. Er wollte nur noch heim, die Gulden in die Schatulle legen.

      Vor seinem Haus nestelte er nach dem Schlüssel, wunderte sich beim Aufschließen über den gerbsäurigen Geruch, der ihm in die Nase stieg. Misstrauisch schaute er sich um. Rasch trat er ins Haus und schlug die Tür hinter sich zu.

       Donauwalzer

      Dumpf schlugen die Glocken der Ludwigskirche die vierte Stunde. Adele, zermürbt von der schlaflosen Nacht, griff nach den Brompastillen auf dem Nachttisch und spülte sie mit einem Glas Wasser hinunter. Damit sie weggingen, die bitteren Gedanken. Die sie tagsüber, wenn sie das Geld zählte, nicht plagten. Auch nicht am Abend, wenn sie das Haus voller Gäste hatte. Doch in der Nacht kamen sie: die Erinnerungen an die rüden Worte ihrer Cousine Clara, an die Demütigung durch den Intendanzrat, an den Pfandleiher, der sie von vorn bis hinten beschissen hatte.

      Behäbig klickte der Uhrzeiger von einer Minute zur nächsten. An Schlaf war nicht zu denken. Adele setzte sich an die Frisierkommode, scheitelte das Haar, riss die grauen Verräter aus und fasste das Haar mit einer Spange zusammen. Sie zog sich an, steckte ein leeres Wasserglas in die Rocktasche und ging die Treppe hinunter.

      Auf den Straßen zum Viktualienmarkt herrschte bereits reges Treiben. Bäckersburschen trugen Körbe voller Brot, um es in die Bürgerhäuser zu liefern, Dienstmägde und Handwerksgesellen eilten zur Arbeit. Je näher Adele dem Viktualienmarkt kam, desto dichter wurde das Gedränge. Bauern schnalzten ihre Ochsen ins Tal, spannten die Karren ab, bauten rund um die Heilig-Geist-Kirche ihre Stände auf. „Schöne Kohlköpf, frisches Gansklein, bestes Griebenschmalz!“, priesen die Marktweiber ihre Ware an.

      Adele drückte sich vorbei an den Metzgerhäusln, aus denen Metzger Kübel voller Schlachtabfälle trugen, um sie in einen der Stadtbäche zu kippen. Vorsichtig setzte sie einen Fuß vor den anderen, damit sie nicht ausrutschte auf den blutigen Schlieren. Endlich stand sie vor dem Geißmilchstand. Sie reihte sich ein in die Schlange, in der Dienstmägde, feine Damen und betuchte Herren, mit einem Trinkgefäß in der Hand, ungeduldig warteten.

      Hinter dem Holztresen drängten sich meckernd die Ziegen, glotzten mit querstehenden Pupillen, kullerten ihre Kötel über den Boden. Breitbeinig, die Ärmel aufgekrempelt, hockte die Bäuerin auf einem Schemel.

      Ein Mann reichte ihr sein Glas. Die Bäuerin klemmte es zwischen ihre Schenkel, molk ein dickeutriges Tier und ließ den schäumenden Strahl hineinsprudeln ins Glas. Der Mann legte vier Kreuzer auf den Tresen, leerte das Glas und wischte sich den Milchschaum vom Mund. „Noch eins.“

      „Nix da.“ Eine Marktfrau, drall ins Dirndl gepresst, schob ihn weg. „Jetzt bin ich dran.“

      Adele wurde nach vorne geschubst, ein Ellbogen rempelte ihr ins Kreuz. Gereizt drehte sie sich um. „Wennst so schiebst, geht’s auch nicht schneller.“

      „Ich kann nix dafür. Die von hinten drucken so nach.“ Die junge Frau strich sich die blonden Locken aus dem Gesicht und blitzte Adele aus blauen Augen an. „Mir ist das Geschiebe genauso zuwider. Aber so gesund soll sie sein, die Milch, da muss man’s halt aushalten.“

      Immer mehr Menschen drängten sich um den Stand. Begierig auf das Wundergetränk, das der Pettenkofer so gepriesen hatte, weil es gegen Krankheiten helfen sollte. Adele zog ihr Glas aus der Rocktasche, bekam es nicht richtig zu fassen, schon zersplitterte es am Boden.

      „Jetzt müssen Sie aus meinem trinken.“ Lachend reichte ihr die Blonde den Becher. Ein heftiger Schubser stieß sie gegen Adele. Schallendes Gelächter von hinten. Die Naht an der Bluse der Blonden war aufgeplatzt und gab den Blick auf das Mieder frei.

      Ein Kutscher dröhnte: „So was Schönes schon in aller Früh.“

      Die Bauern klopften sich auf die Schenkel, die Frauen schimpften, die Ziegen meckerten.

      Die Milchfrau plärrte: „Wenn nicht sofort eine Ruh ist, pack ich mein Sach zusammen.“

      Adele zog die Blonde heraus aus dem Gedränge und legte ihr ihr Seidentuch um die Schultern. „Nix wie weg.“

      Die Blonde war den Tränen nahe. „Meine neue Bluse ist hin.“ Sie hob den Arm und begutachtete den Riss, der sich vom Ärmelloch bis zur Taille zog.

      „Ist nicht so schlimm. Das kann man leicht wieder nähen. Wie heißt du denn?“

      „Die Ehinger Rosa bin ich. Aber so kann ich nicht durch die Stadt. Auf das Gschau von den Mannsbildern kann ich verzichten.“

      „Komm doch mit zu mir. Dann geb ich dir was andres zum Anziehn.“ Adele zog das Tuch fester um Rosas Schultern und steckte die Enden in den Rockbund.

      „Aber ich kenn Sie doch gar nicht.“

      Adele lachte. „Dann lernst mich halt kennen. Komm. Ist nicht weit von hier.“ Sie bemerkte Rosas Zögern. „Wie gesagt, bei mir kannst dir was andres anziehn.“

      Rosa betrachtete noch einmal die geplatzte Blusennaht. „Also gut.“

      Sie schlängelten sich vorbei an den Gemüseständen


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