Das süße Gift des Geldes. Bhavya Heubisch

Das süße Gift des Geldes - Bhavya Heubisch


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nickte Adele dem Chefredakteur zu, hochnäsig grüßte er zurück.

      Beim Garderobier nahm Vicenti seinen Hut und Adeles Korb entgegen. „Darf ich Sie noch ein Stück begleiten?“

      „In die Kirche geh ich besser allein.“ Froh, den Notar abgeschüttelt zu haben, ging Adele den Weg zurück zur Herzogspitalstraße. Gerne hätte sie ihn um Rat gefragt. Aber der wollte auch nur das Eine. Genau wie der Kreitner.

      Ein leises Wimmern ließ sie stehen bleiben. Aus einem offenen Fenster drang das Gezänk eines Weibsbilds und übertönte das Geräusch. Dann hörte sie es wieder. Adele trat an einen Haufen Unrat, stieß mit dem Fuß einen Blechkübel zur Seite und bückte sich. Unter verrotteten Lumpen sah sie einen abgemagerten Hund, neben ihm lag ein winselnder Welpe. Adele nahm ein Tuch aus ihrem Korb und schob damit die Lumpen zur Seite. Behutsam zog sie den Hund hervor, setzte ihn auf den Bürgersteig und strich ihm über das verratzte Fell. Dem Hund knickten die Hinterläufe ein.

      Ein Marktweib, die Kraxe voller Krautköpfe, blieb stehen. „Lassens das Viech doch liegen. Lang lebt’s eh nicht mehr.“

      „Das haben wir gleich.“ Ein Bursche, der die Straße entlangkam, griff nach einer Holzlatte, die an der Hauswand lehnte, und holte aus zum Schlag.

      Adele fiel ihm in den Arm. „Das trau dich!“

      „So ein Schmarrn“, keifte das Marktweib, „von denen Hundsviechern eins retten. Als täten nicht genug herumstreunen in der Stadt.“

      Grad zum Fleiß setzte Adele den Hund in ihren Korb. „Den nehm ich mit.“ Dann zog sie den Welpen unter dem Unrat hervor und nahm ihn auf den Arm. „Und einen Namen kriegen sie auch: Die da nenn ich Daisi und den da Wasti.“

      Ohne sich um das Gekeif zu kümmern, ging sie nach Hause, wusch der Daisi die verklebten Augen aus und säuberte mit einem weichen Tuch ihr Fell. Fütterte die Hunde mit Brotstücken und legte die beiden zum Basti in den Korb. Der schnupperte neugierig an der Daisi und dem Wasti, rollte sich zusammen und schlief ein.

       Kasse

      Wie mit dem Alois vereinbart, saß Adele, außer am Sonntag, jeden Tag, in der Wirtsstube. Die Zeit von vier bis sechs reichte längst nicht mehr. Schon am Mittag war die Wirtschaft gesteckt voll. Den Alois freute es. Die Gäste tranken statt dem Dünnbier wieder ein richtiges Bier, auf den Tischen lagen neue Leinendecken und für die Annamirl hatte er zwei gusseiserne Pfannen angeschafft.

      Zwar zündete die Annamirl, wenn die Spitzederin kam, immer noch die geweihte Kerze an, schimpfen tat sie nicht mehr. Nur herumnörgeln an der Küchenhilfe, die sie hatten einstellen müssen, weil sie es allein nicht mehr schaffte mit dem vielen Essen.

      „Grüß dich, Alois.“ Adele betrat die Wirtsstube, nickte hin zum Alois, nickte hin zu den Gästen, die sie erwartungsvoll anschauten. Sie setzte sich ins hintere Eck und verspeiste in aller Ruhe den Apfelstrudel, den ihr der Alois hingestellt hatte.

      Andächtig verfolgten die Gäste jeden Bissen, den sie sich in den Mund schob, sogar die Kartler hatten ihr Spiel unterbrochen.

      Sie schob den Teller zur Seite. „Jetzt kann’s losgehen. Aber drängelts nicht so wie beim letzten Mal.“

      Schlag auf Schlag ging es. Sie kassierte ein paar Gulden von den Armen, Geldbündel von den Reicheren. Stellte jedem eine Quittung aus, setzte ihre hakige Unterschrift darunter. Zahlte die wenigen aus, die ihr Geld samt Zinsen zurückwollten.

      Unter den Anlegern befand sich, die tausend Gulden aus einer Erbschaft in der Tasche, auch der Spenglermeister Andreas Seidl. Er hatte es sich genau ausgerechnet: Mit den zwanzig Prozent Zins pro Monat, die ihm die Spitzeder auf die tausend Gulden zahlen würde, hätte er eine saftige Jahresrente. Zu was da noch arbeiten? Mit der Plackerei in seiner Werkstatt verdiente er nicht halb so viel, wie ihm die Zinsen einbringen würden. Die Werkstatt würde er verkaufen und nur noch von den Zinsen leben. Es genauso machen wie sein Nachbar, der seinen Schusterladen verscherbelt hatte und sich von den Spitzeder’schen Zinsen ein schönes Leben leistete. Voller Ungeduld, sein Geld gewinnträchtig anzulegen, nickte er Adele zu.

      Adele nickte zurück. Die meisten Gäste kannte sie. Doch immer wieder mischten sich neue darunter. Auch die beiden Männer am Eingang waren ihr fremd. Ihr war es recht. Hauptsache, das Geschäft lief.

      Alois beobachtete, wie die beiden am Eingang jede Bewegung Adeles mit Argusaugen verfolgten, miteinander tuschelten, wenn Männer der Adele Geld auf den Tisch legten. Er sah, wie die beiden hämisch die Lippen verzogen, wenn die Mannsbilder mit zufriedenen Gesichtern zurückkehrten an ihren Platz.

      Alois, das Tablett voller Bierseidel, Schnapsgläser und einem Weinhumpen, ging ins hintere Eck zu Adele. Er deutete auf die beiden am Eingang, die schon wieder die Köpfe zusammensteckten. „Jetzt machst besser Schluss. Irgendwas stimmt nicht mit denen.“

      Der Spenglermeister, der endlich drankam, um seinen Plan mit dem Zinsgewinn in die Tat umzusetzen: „Den einen kenn ich. Der arbeitet als Aufseher im Zeughaus.“

      Adele strich das Geld ein und legte es in die Holzkiste unter dem Tisch. „Ärger hätt mir grad noch gefehlt.“

      Ein junges Mädel trat vor und schob Adele zaghaft ein paar Kreuzer hin. „Könntens mich bittschön noch drannehmen? Weil’s so schwierig ist, dass ich mich aus dem Haus schleich. Weil der Vater darf’s doch nicht wissen.“

      „Wie heißt du denn?“

      „Die Obermeier Stasi bin ich.“

      Adele schob ihr den Beleg samt Zinsen hin. Legte einen Gulden dazu. „Den schenk ich dir. Kannst deinem Vater ruhig sagen, dass ein gutes Geld verdient ist bei mir.“ Harsch fuhr sie die anderen Geldanleger an: „Für heut ist Schluss.“

      In diesem Moment betrat eine Frau, die mit Pailletten bestickte Stola fest um die Schultern gerafft, das Haar mit Perlenkämmen hochgesteckt, das „Goldene Licht“. Blieb an der Tür stehen und warf einen musternden Blick durch den Gastraum. Einige Männer schauten verlegen in ihr Bierglas, der Spenglermeister bekam einen hochroten Kopf.

      Die Frau ging geradewegs auf Adele zu, zog vom Nebentisch einen Stuhl heran und setzte sich.

      Adele blickte sie an. „Für heut ist Schluss, hab ich gesagt. Oder hast arg viel zum Anlegen?“

      „Deswegen komm ich nicht.“ Die Frau nahm ihre Stola ab und legte sie über die Stuhllehne. „Ich hab gehört, dass Sie im ‚Goldenen Licht‘ anzutreffen sind und da hab ich mir gedacht, ich schau einmal vorbei, um Sie kennenzulernen.“

      „Warum denn das?“, fragte Adele erstaunt.

      „Weil mich geschäftstüchtige Frauen interessieren. Gibt wenige, die sich nix von Männern dreinreden lassen.“

      Adele musste lachen. „Das hast also gehört über mich. Und was machst du? Und wie heißt?“

      „Rosmarie nennens mich. Ich führ ein Etablissement in der Hackengasse.“ Wie selbstverständlich ging Rosmarie zum „Du“ über. „Besuch mich doch einmal. Hackengasse 8. Gehst dort durch den Durchgang, dann findest mich. Wirst sehen, ist immer zünftig bei uns.“

      Adele fand Gefallen an der Frau, der der Schalk aus den Augen blitzte. „Ich besuch dich ganz bestimmt. Sag: Ist dein Etablissement so eins, wie ich mir denk?“

      Die Rosmarie deutete mit einer Kopfbewegung auf die Männer, die wie gebannt die zwei Frauen beobachteten und bei dem Blick der Rosmarie sofort den Kopf senkten. „Schau dir die verdruckten Mannsbilder doch an. Dann weißt es.“ Sie stand auf. „Also, kommst?“

      Auch Adele erhob sich. „Gleich nächste Woche besuch ich dich.“

      Mit einem „Also dann bis nächste Woch“ verließ Rosmarie den Gastraum. Einigen Männern, vor allem denen, die ihre Frauen mit dabeihatten, sah Adele die Erleichterung deutlich an.

      Sie stopfte die Münzen in ihren Samtbeutel und zählte in Gedanken durch: Für das perlenbestickte Kleid vom Hofschneider, die Amethystkette vom Juwelier


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