Der fromme Chaot auf Gemeindefreizeit. Adrian Plass

Der fromme Chaot auf Gemeindefreizeit - Adrian Plass


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im Urlaub waren, kurz nachdem Gerald und Josey ihre Verlobung bekannt gegeben hatten. Richard und ich gingen den Wanderweg zum High Force Waterfall hinunter, nachdem es in diesem Teil der Grafschaft Durham vierzehn Tage lang in Strömen geregnet hatte. Nachdenklich und offensichtlich nicht laut genug sagte ich zu ihm: „Denkst du manchmal über die vielen verschiedenen Arten von Liebe nach, Richard?“

      „Ja“, erwiderte er mit Nachdruck und versuchte, das lauter werdende Rauschen der Wasserfälle zu übertönen, „das tue ich. Ich glaube, ich kann immer noch eine ganze Menge davon aufzählen. Ich habe sie früher auswendig gelernt. Das war so eine Art Hobby von mir.“

      „Was?“

      „Willst du ein paar hören, die ich noch weiß?“

      Richard Cook? Verschiedene Arten der Liebe? Auswendig lernen? Ich war fasziniert. Da denkt man, man kennt jemanden …

      „Ja, klar, leg los.“

      „Willst du sie in alphabetischer Reihenfolge haben? So habe ich sie mir eingeprägt.“

      „Äh, ja, von mir aus, wie du willst.“

      „Ackerzwiebel, Blumenzwiebel, Brutzwiebel, Feldzwiebel, Gartenzwiebel …“

      Ich brüllte wie ein Wahnsinniger gegen Wind und Wasser an.

      „LIEBE, NICHT ZWIEBEL, RICHARD!“ Richard schritt unbekümmert weiter in die Gischt voran und zählte dabei laut und mechanisch seine Zwiebeln auf.

      „Hyazinthenzwiebel, Jakobszwiebel, Kartoffelzwiebel …“

      „LIEBE! LIEBE!“

      „Küchenzwiebel, Lauchzwiebel, Lilienzwiebel, Mäusezwiebel …“

      Gab auf. Es kam mir vor, als wäre ich in ein anderes, völlig fremdartiges Paralleluniversum geraten. Um es vorsichtig auszudrücken: Unter einem unaufhaltsamen Wasserstrom zu stehen und dabei einem nicht weniger unaufhaltsamen, alphabetisch geordneten Strom von Namen jeder je entdeckten oder gezüchteten Spezies von Zwiebeln auf diesem Planeten zu lauschen, dürfte wohl ziemlich nahe am Ende des Spektrums meiner surrealen Erlebnisse einzuordnen sein.

      Freute mich nicht ganz so riesig, als ich eines Abends einen

      Anruf von Minnie Stamp erhielt, bei dem sie mir mitteilte, sie sei fest entschlossen, mit zur Freizeit zu kommen.

      Minnie ist eine Grundschullehrerin, die sich vor ein paar Monaten unserer Gemeinde angeschlossen hat. Sie ist Mitte dreißig, eher dünn als schlank, und Kopf, Oberkörper und Beine scheinen bei ihr nie eine gerade Linie zu ergeben. Wahrscheinlich liegt das daran, dass sich immer irgendein Teil ihres Körpers vor ungebetenem Mitgefühl krümmt. Außerdem – ich weiß, man sollte auf so etwas gar nicht achten – hat sie ein kleines

      Problem damit, den Buchstaben „R“ auszusprechen, besonders dann, wie ich mir in meinem Fieberwahn einbilde, wenn sie meinen Namen sagt. Eigentlich ganz hübsch auf ihre rührselige, Gänseblümchenkränze flechtende Art, aber sie geht mir ziemlich auf den Wecker, vor allem, weil sie auf jede Äußerung von mir so reagiert, als wäre ich zu ihr in die Seelsorge gekommen.

      Letztes Jahr zum Beispiel fragte ich sie in der Gemeinde, ob sie irgendetwas zu dem Erntedankfestabend beitragen wollte, dessen Organisation ich übernommen hatte. Sie legte ihren Kopf zur Seite und kräuselte ihre Augenwinkel zu einer fürsorglichen, mitfühlenden Miene.

      „Och Adrian“, sagte sie, „will niemand bei deinem kleinen Picknick mitmachen?“

      „Was? Äh, ja, nein, ich meine, es gibt kein Problem, Minnie. Es haben sich schon eine ganze Menge Leute eingetragen, vielen Dank. Es ist auch eigentlich kein Picknick, und ein kleines schon gar nicht. Vor allem ist es nicht mein Picknick. Ich will ja nur …“

      „Das gibt dir einen Vorwand, um auf Leute zuzugehen und dich mit ihnen zu unterhalten, nicht wahr, Adrian?“

      Was für schwachsinnige Knirpse lässt unser Staat denn von dieser Frau unterrichten, lieber Himmel?

      „Minnie, ich habe es nicht nötig …“

      „Wir haben dich doch alle lieb, Adrian. Gott liebt dich durch uns. Das weißt du doch, oder? Du brauchst dich nicht winzig klein und verloren zu fühlen. Du bist einer von den Leuten, die ich Gottes arme kleine Heinzelmännchen nenne, wie du dich immer abrackerst und plagst, damit wir dich bemerken. Aber wir bemerken dich doch, und wir haben dich ganz, ganz doll lieb!“

      Sie befeuchtete ihre Fingerspitze mit der Zunge und berührte mich damit spielerisch an der Stirn. Hätte sie geahnt, wie dicht dieses arme kleine Heinzelmännchen daran war, ihrem Gesicht mit dem nächsten greifbaren stumpfen Gegenstand eine neue Form zu geben, so wäre ihr das Mark in den Knochen gefroren. Fragte hinterher Anne, wie es sein konnte, dass mir wegen einer solchen Banalität dermaßen die Zornesader schwoll. Warum zum Geier empfinde ich so ein starkes Bedürfnis, mich gegenüber einer Person zu rechtfertigen, die mir jedes Mal, wenn wir uns begegnen, ihre offenkundig lachhaften Einsichten überstülpt?

      Ihre Antwort? „Adrian, ich finde, meistens geht es uns überhaupt nichts an, was andere über uns denken. Allerdings hast du tatsächlich etwas von einem armen kleinen Heinzelmännchen an dir. War mir bisher gar nicht aufgefallen. Ich muss mal Gerald fragen, wie er darüber denkt.“

      Hmm.

      Nachdem ich an dem betreffenden Abend Minnie am Telefon begrüßt hatte, sagte sie: „Du hörst dich ja ganz grummelig-brummelig an, Adrian. Würde über deinem grummelig-brummeligen Tag die helle Sonne aufgehen, wenn ich dir sagen würde, dass ich mit zu diesem Gemeindedingsda komme und dir helfe? Genau das mache ich nämlich!“

      Konnte ja jetzt schlecht sagen: „O Gott, nein! Nein, im Gegenteil, ich wünschte, wie hätten einen speziellen Anti-Zuschuss-Fonds, um Leute wie dich dafür zu bezahlen, dass sie wegbleiben.“

      Stattdessen sagte ich: „Oh, das ist – das ist schön, Minnie, wirklich schön. Ich trage dich in die Liste ein.“ Fügte hoffnungsvoll noch hinzu: „Du möchtest doch wirklich gern mitkommen, oder?

      Nicht, dass du vielleicht denkst, du müsstest, weil wir Probleme hätten, genügend Teilnehmer zu finden …“

      „Ehrenwerter Mister Adrian Plass!“, unterbrach sie mich mit gespielter Strenge. „Minnie sagt, du sollst schnurstracks ins Badezimmer gehen, dich im Spiegel anschauen und sagen: ‚Ich bin eine leuchtende Kerze an Gottes Weihnachtsbaum, und alle lieben es, wie ich funkle.‘ Versprichst du mir das?“

      „Also, ich …“

      „Versprochen?“

      „Ach, na schön …“

      Als ich abends aus dem Bad kam und ins Bett stieg, fragte ich Anne: „Anne, liebst du es, wie ich funkle?“

      Ein Moment Schweigen.

      „Nicht gerade dein herausragendes Merkmal, mein Liebling“, sagte sie.

      Ha! Dachte ich mir’s doch.

      Ich muss sagen, wenn man so eine Veranstaltung zu organisieren hat, merkt man, dass es in der Gemeinde einen Haufen Leute gibt, die sich vorstellen, dass es im Leben darum ginge, möglichst heiter und gelassen von einer Komfortzone in die andere zu segeln. Leute, die einem bisher immer völlig entspannt und hilfsbereit vorgekommen sind, entwickeln plötzlich alle möglichen Ecken und Kanten, die von Leuten wie mir, die eigentlich noch nie so recht wussten, was sie taten, erst einmal geglättet und abgeschmirgelt werden müssen. Die Liste der Kommentare und Fragen liest sich sehr interessant, besonders, wenn ich die Antworten hinzufüge, die ich darauf gegeben hätte, wenn ich kein Christ und nicht mit einer Frau verheiratet wäre, die sich um die Endkorrektur meines Lebens kümmert.

      „In welcher Richtung steht das Bett in meinem Zimmer? Ich kann nicht schlafen, wenn meine Füße nach Norden oder Osten zeigen. Ich sollte hinzufügen, dass ich auch dann nicht schlafen kann, wenn mein Kopf nach Süden oder Westen zeigt. Gut schlafe ich dagegen, wenn meine Füße nach Süden oder Westen zeigen oder wenn mein Kopf nach Norden oder Osten zeigt.“

      


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