Schwarzes Geld für schwarze Schafe. Christopher Stahl

Schwarzes Geld für schwarze Schafe - Christopher Stahl


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fragte er herausfordernd?

      „Das Essen kommt!”, meldete ich erleichtert, als ich Sebastiano mit zwei überdimensionalen Pastatellern auf unseren Tisch zusteuern sah.

      „Mhh”, kaute Koman seine erste Gabelladung, „nicht schlecht. Aber bitte, was halten Sie davon? Geben Sie mir eine Kostprobe Ihrer analytischen Intelligenz.”

      Aufmerksam und mit kleinlicher Präzision drehte ich ein saucengetränktes Nudelnest auf meine Gabel, schob es bedächtig in den Mund, kaute und schaute Koman dabei selbstzufrieden an. „Also. Es geht aus dem Inhalt nicht hervor …”, ich nahm einen Schluck Wasser,” … nicht hervor, ob es sich bei dem Verfasser um eine Sie oder einen Er handelt. Richtig?”

      „Aber die Unterschrift oder wie man das nennen soll, heißt doch Eure und Medica ist doch ein Femininum. Deutet das nicht auf einen weiblichen Absender hin?”

      „Erst einmal könnte das ein Ablenkungsmanöver sein, damit man genau das denkt. Wesentlicher ist, dass es sich bei Medica um den lateinischen Begriff für Medizin handelt, also die Medizin. Im Lateinischen kennzeichnet die Endsilbe a, auch ohne Artikel, dass Medica grammatikalisch als weiblich einzuordnen ist. Eure Medica heißt also lediglich: Eure Medizin und nicht etwa Eure Medizinerin.”

      „Also kennt sich die gesuchte Person mit der lateinischen Sprache aus”, dachte Koman laut nach.

      „Muss nicht. Im Italienischen und im Spanischen gibt es ähnliche Regeln. Es kann auch aus irgendeinem Roman angelesen und übernommen worden sein.”

      „Und was soll das mit der Anrede Pestilentia?”

      „Ich nehme an, dass Simonis damit auf die gleiche Stufe, wie die Pest gestellt werden soll. Eine Geisel der Menschheit, eine Strafe Gottes. Letztlich natürlich eine zerstörende Kraft, die mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln, der Medica, ausgerottet werden muss. Ich interpretiere es als eine Art Legitimation, als Rechtfertigung für den Plan seines gewaltsamen Todes.”

      „Weshalb meinen Sie, dass der Schreiber …”

      „Oder die Schreiberin!”

      „… die Schreiberin, die dritte Person benutzt?”

      „Vielleicht ein Hinweis drauf, dass zu Simonis irgendeine Beziehung besteht, die eigentlich das vertrauliche Du einschließt, man will dieses aber bewusst oder auch unbewusst vermeiden. Simonis steht ja mit Gott und der Welt auf Duzfuß. Aber wir wollten die Angelegenheit aus meiner Sicht betrachten, richtig?”

      Koman setzte zu einer Antwort an, die ich ihm jedoch vorwegnahm.

      „Richtig! Also weiter. Der Verfasser oder die Verfasserin besitzt, neben einer gewissen literarischen Neigung oder Fertigkeit, einen Hang zum Spott, zur Ironie. Zudem sind der betreffenden Person nicht nur die Örtlichkeiten des Anwesens von Simonis vertraut, sondern sie muss sich wenigstens ab und zu in seiner näheren Umgebung aufhalten. Ob Simonis das jeweils mitbekommt, ist allerdings fraglich.”

      „Wie meinen Sie das?”

      „Ganz einfach, er hat einen großen Freundeskreis, was man halt so ‚Freunde‘ nennt. Man trifft sich hier auf einem Fest, einem Empfang, mal dort auf einer Party. Da kann man ihn aus der Anonymität der Menge heraus beobachten und auf das Genaueste studieren, ohne dass er etwas davon mitbekommt. Selbst Fotos lassen sich mit diesen winzigen Digitalkameras bei fast jeder Beleuchtung machen, ohne dass es auffällt. Da kennt der Anonymus das Toilettenfenster, weiß sogar, wann Simonis die Örtlichkeit aufsucht und”, ich blickte ihn überlegend an, „diese Person kennt seine sprachlichen Besonderheiten. Ist Ihnen das aufgefallen?”

      „Welche sprachlichen Besonderheiten?”

      „Sagt man und sag’ ich immer. Das ist O-Ton Simonis! Wenn er diese Minipamphlete nicht selbst verfasst, um sich wichtig zu machen, äfft ihn jemand nach!”

      „Bis jetzt decken sich unsere Gedankengänge, aber das Letzte ist neu. Sind Sie sicher?”

      Ich nickte mit vollem Mund und wandte mich konzentriert der akribischen Fertigstellung einer neuen Pastarolle zu.

      „Das war alles?”, missverstand Koman die Pause und legte die Gabel zur Seite.

      „Gemach, erst wieder ein paar Kalorien zuführen, nur in einem gesunden Körper wohnt schließlich ein gesunder Geist!”, zügelte ich die Ungeduld meines Gegenübers und führte die nächste Portion zum Mund. „Essen Sie doch auch weiter!”

      Er schüttelte den Kopf und schob seinen Teller demonstrativ zur Seite, winkte aber dann Sebastiano herbei, um zwei doppelte Espresso zu bestellen. „Sie doch auch?”, vergewisserte er sich – mehr rhetorisch.

      „Ja, gerne. Aber, um auf unser Thema zurückzukommen: Ich meine, bisher kann das, was wir den Schreiben entnehmen können, auf die verschiedensten Personenkreise hinweisen, natürlich auch auf Kollegen. Ich kann nur beim besten Willen keinen Hinweis auf irgendeine besondere Gruppe erkennen.”

      „Vielleicht sagt uns ein mögliches Motiv etwas mehr?”

      „Mein Gott, Herr Koman, da gibt es keinerlei Forderungen. Weder Geld, noch sonst irgendetwas. Mir drängen sich nur Begriffe auf, wie: abgrundtiefer Hass, Bestrafung, Angst und Unsicherheit schüren, Simonis zu Kurzschlussreaktionen verleiten oder ihn von irgendetwas abhalten wollen … Da gibt es zig ähnlich gelagerte Möglichkeiten und bestimmt auch genauso viele potenzielle Verdächtige, aus allen möglichen Kreisen. Das können so genannte Freunde sein, Mitarbeiter, Mandanten, eine oder mehrere verprellte Liebschaften. Menschen halt, die er irgendwann einmal über den Löffel barbiert hat …”

      „Ja, und genau diese Verdächtigen benötige ich. Ich brauche Gesichter mit Namen und mögliche Motive. Daher wollte ich Sie fragen, ob Sie mit den Ihnen zur Verfügung stehenden Kontakten und persönlichen Fertigkeiten Nachforschungen anstellen könnten.”

      Das Grinsen, mit dem meine persönlichen Fertigkeiten unterstrich, war die fleischgewordene Impertinenz und würde jeden Freispruch wegen Körperverletzung im Affekt rechtfertigen.

      Er beeilte sich noch hinzuzufügen: „Aber absolut diskret und natürlich inoffiziell, auf rein privater Basis. Na, was sagen Sie?”

      „Wo ist das Tonband?”

      „Welches Tonband?”

      „Das, welches sich selbsttätig vernichtet und jetzt gleich in Rauch aufgeht. Ach nein, Sie sind ja anstelle des Tonbandes da. Gehen Sie jetzt in Rauch auf?”

      Koman starrte mich verständnislos an.

      „Sind wir nicht in der Fernsehkultserie Cobra übernehmen Sie? Oder handelt es sich gar um Vorsicht Kamera?” Ich blickte mich suchend um, als ob ich die Kameras aufspüren wollte.

      „Bitte, ich wäre Ihnen sehr dankbar.”

      „O.k. Bevor ich mich jedoch entscheide, habe ich mehrere Fragen: Erstens, falls doch irgendetwas bei meinen Recherchen auffliegt, stehen Sie dann zu mir oder verleugnen Sie mich?”

      „Ich würde mich so verhalten, wie Sie es an meiner Stelle tun würden.” Aus seiner Stimme klang eine ungeheuere Festigkeit und Sicherheit.

      „Wie würde ich mich denn ihrer Meinung nach verhalten?”

      „Sie würden ohne Rücksicht auf die Folgen zu dem stehen, was sie angeleiert haben!”

      Ich nickte zufrieden, das hatte ich hören wollen „Und nun, als Zweites, wüsste ich gerne, wie Sie sich meine ‚Ermittlungen‘ vorstellen.”

      „Sprechen Sie Ihre Kollegen auf deren konkreten Erfahrungen mit Simonis an. Lassen Sie sich irgendeine Begründung einfallen, die in Ihren Kreisen derartige Fragen rechtfertigt. Zum Beispiel, dass Sie den Verdacht hegen, dass er Mandanten und Mitarbeiter abwirbt. Zum einen scheint das ja zu seinen Spezialitäten zu gehören, insofern fällt diese Behauptung nicht auf, und außerdem bestehen offensichtlich keine persönlichen Kontakte zu ihm, sodass ihm keiner Ihre Nachfragen stecken wird.


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