Schwarzes Geld für schwarze Schafe. Christopher Stahl

Schwarzes Geld für schwarze Schafe - Christopher Stahl


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Ich sah schon die Schlagzeilen vor mir: „Altruistischer Steuerberater überführt kriminellen Kollegen.” Ob das für unseren Berufsstand wirklich förderlich war? Ach was, dachte ich trotzig, meine Kollegen und ich werden bei der Öffentlichkeitsarbeit hinsichtlich dessen, was wir wirklich für unsere Mandanten tun und bewirken können, so erbärmlich unprofessionell und inkonsequent von unseren Standesorganisationen unterstützt, dass jede Schlagzeile nach dem Motto: Only bad news are good news, nur hilfreich sein kann.

      Ich weiß nicht, welcher Teufel mich in diesem Moment tatsächlich ritt, jedenfalls habe ich meine Entscheidung später mehrmals bereut. Aber das Kind im Manne war geweckt. Unsere Praxis lief dank Carlo Dornhagen, unserer Mitarbeiter und einer fortschrittlichen, systematisch funktionierenden Kanzleiorganisation für einige Wochen auch ohne mich. Was hatte ich also zu verlieren? An mein Leben dachte ich dabei allerdings nicht, obwohl ich es seit meinem letzten Ausflug in die praktische Welt der Kriminalistik hätte besser wissen müssen.

      „Koman”, erklärte ich daher ebenso pathetisch wie naiv, „ich bin dabei!”

      „Ich wusste es, besser gesagt, ich hatte es inständig gehofft. Wie gedenken Sie nun vorzugehen?”

      „Wenn ich es recht verstehe, geht es um zwei Ziele: Erstens soll der Urheber oder die Urheberin der Drohbriefe ermittelt und damit ein möglicherweise geplanter Mord verhindert werden. Und zweitens soll, bei großzügiger und freier Auslegung Ihrer BKA-Story, eine etwaige Verbindung zu einer Tätergruppe aufgedeckt werden, die sich auf Homejacking spezialisiert hat.”

      „Die gleichen Fragen, um zu zwei unterschiedlichen Zielen zu gelangen, korrekt. Man könnte auch sagen, zwei Fliegen mit einer Klappe. Kümmern Sie sich bitte ausschließlich um das Kanzleiumfeld, Mitarbeiter, Mandanten, Kollegen. Somit nur um den Personenkreis, mit dem er aufgrund seiner Tätigkeit zu tun hat und mit dem Sie auch unter normalen, typischen Arbeitsbedingungen Kontakt aufnehmen könnten. Am ergiebigsten wäre es, wenn Sie dabei auf Personen treffen, die auf Simonis nicht gut zu sprechen sind. Aber”, Koman beugte sich nach vorn und fixierte mich mit leicht zusammengekniffenen Augen, „lassen Sie um Gottes Willen die Finger von allen anderen, die sie nicht einordnen können. Die fallen ausschließlich in mein Ressort, das lässt sich ja auch gut trennen.”

      In diesem Moment glaubte ich das auch noch, aber schon wenige Wochen später sollten sich diese Gruppen überschneiden, ohne, dass wir es zu diesem Zeitpunkt ahnen konnten.

      „Wir treffen uns sporadisch in meinem Büro und tauschen aus, was wir erfahren haben. Sie zu einhundert Prozent und ich, das, was ich vertreten kann und was für Sie wichtig ist. Informieren Sie mich umgehend, wenn Ihnen irgendetwas suspekt vorkommt! Ganz gleich um welche Uhrzeit, bei Tag und Nacht.” Dabei reichte er mir seine Visitenkarte mit der Büro- und der Handynummer über dem Tisch. „Machen Sie außer den besprochenen Recherchen nichts auf eigene Faust!”

      Um es nicht zu vergessen, speicherte ich seine Telefonnummern sofort in meinem Handy ab und setzte sie außerdem für die Kurzwahl auf eine Zahlentaste.

      Irgendwie kam etwas wie eine Verschwörerstimmung auf, die wir zum Abschluss mit einem Ramazotti würdigten. Dieser denkwürdige Moment, der dazu angetan schien, in die Analen der deutschen Kriminalgeschichte einzugehen, rechtfertigte die Ausnahme von der Regel und den minimalen Alkoholabusus vor 18.00 Uhr.

      Noch am Nachmittag des gleichen Tages informierte ich Carlo Dornhagen, soweit ich es für richtig hielt, über meine Unternehmung. Der kleine, etwas dicklich geratene, Mann, mit dem mich inzwischen ein wunderbares Vertrauensverhältnis verband, saß aufrecht und in gespannter Haltung in seinem Stuhl und hörte meinen Schilderungen stillschweigend zu.

      Still? Schweigend? Carlo besitzt die besondere Begabung alle Register der Körpersprache so einzusetzen, dass er in seinen Reaktionen und Meinungen einfach nicht missverstanden werden kann. Da wird das „Stillschweigen” zur Qual!

      Wortlos und damit ohne mir eine Chance der Korrektur oder Verteidigung zu geben, bedeutete er mir mit Gestik, Mimik und Körperhaltung: Klar, mach du nur. Wenn es dem Esel zu wohl wird … Mensch Darius, du bist einer aus dem letzten Jahrhundert, such dir lieber eine Frau, wenn du nach Aufregung suchst, das macht bestimmt mehr Spaß … Hält uns Eichel nicht genug in Trab? … Aber bitte: Fall du nur wieder auf die Schnauze. Hast eben nichts gelernt beim letzten Mal. … Aber, du lässt dich eh nicht zurückhalten!

      Was er wortwörtlich von sich gab, reduzierte sich auf die Frage: „Wie kann ich dir dabei helfen?”

      Carlo erhielt von mir eine Liste mit den Besprechungsterminen, die keinen Aufschub duldeten und die er für mich wahrnehmen sollte. Die dazu notwendigen Unterlagen würde ich ihm bis Montag vorbereiten.

      Außerdem erbat ich mir von ihm eine Aufstellung von Personen, von denen er noch aus seiner Tätigkeit als Betriebsprüfer wusste, dass sie von Simonis vertreten wurden.

      „Nur die Namen und den Wohnort, keine weiteren Daten”, erleichterte ich ihm diesen „Verstoß”.

      „Selbst das ist eine Gratwanderung. Du weißt, dass ich über das, was mir aufgrund meiner Tätigkeit im Finanzamt zugänglich war, auch nach meinem Ausscheiden zum Stillschweigen verpflichtet bin. Aber gut, in diesem Fall, und mit dieser Einschränkung, kann ich das tun. Du missbrauchst ja diese Datenkenntnis nicht.”

      „Vielleicht benötige ich deine Informationen auch gar nicht. Ich werde ohnehin erst einmal bei einem Kollegen anfangen”, beruhigte ich ihn.

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