Ein Haus voller Robinsons. Adrian Plass

Ein Haus voller Robinsons - Adrian Plass


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verschlossen bleiben würde, für sie jedoch den klarsten Sinn ergab. Eine Art Ehrfurcht erfüllte mich. Vielleicht wäre das Mädchen mit einer mürrischen Abweisung davongekommen, wäre da nicht Mark gewesen, der sich ausgerechnet diesen Augenblick aussuchte, um frisch geduscht und tropfnass, aber immer noch leicht komatös hinter mir die Treppe herunterzustolpern, seine Blöße ziemlich unzureichend mit einem lächerlich kleinen Handtuch bedeckend, in der Hand eines jener furchtbaren lappigen, abgedroschenen Witzbücher, die im Badezimmer nach und nach immer mehr Feuchtigkeit aufsaugen, bis sie schließlich zu einem Block erstarren und hinüber sind. Ohne jede Scham blieb er in der Diele stehen, voll im Blick der Außenwelt vor unserer offenen Haustür, und las laut aus jenem Füllhorn des Schundes vor.

      „Kennst du den mit dem Fußballspieler, der an Verstopfung litt? Er machte sich frei und drückte einen ins Tor.“

      Mark warf den Kopf zurück und schüttelte sich dermaßen vor Lachen über diesen schwachsinnigen so genannten Witz, dass das Handtuch seinen Fingern entglitt und zu Boden fiel. Es ist natürlich eine bloße Vermutung, aber ich schätze, für einen ewigen Moment vergaß unsere Milchlieferantin sogar ihr neues System, während sie mit offenem Mund meinen nackten Sohn anstarrte. Dann raffte der große Komödiant hastig das Handtuch vom Boden auf und zog sich in die sichere Küche zurück. Eine nur zu vertraute, nach Mark riechende Welle heißer Wut stieg mir in die Nase auf, während ich mich wieder dem verlegenen Mädchen auf der Türschwelle zuwandte.

      „Ich fürchte, Sie haben mich mit dem Geld völlig verwirrt. Warum kommen Sie nicht einfach nächsten Samstag, sagen uns, was wir zu zahlen haben, und wir zahlen es. Okay?“

      Und damit schlug ich ihr die Tür vor der Nase zu. Manchmal hasse ich mich selbst.

      Dies war jedoch nicht der Moment für Selbstreflexion. Im Augenblick hasste ich Mark weitaus mehr als mich selbst, und das sollte er sogleich in anschaulichen Einzelheiten zu hören bekommen. Immer noch die Hand auf der Türklinke, kniff ich die Augen fest zu und atmete drei- oder viermal tief durch die Nase, um meiner Wut die mordlüsterne Spitze zu nehmen. Eine meiner geheimsten Ängste war es, dass mich der wilde Zorn eines Tages dazu verleiten würde, ein Zimmer, eine Beziehung oder gar eine Person vollkommen zu verwüsten, nur um unmissverständlich deutlich zu machen, wie sauer ich war!

      Eine Stimme erklang aus der Küche in heiterer Ahnungslosigkeit über das Nahen des Hurrikans Kathy.

      „Mum, könntest du eine Flasche von der Milch für mein Müsli mitbringen?“

      Könnte ich …? Aber klar doch!

      Als ich in die Küche kam, saß Marks unzureichend behandtuchte Gestalt an dem Ende des Küchentisches, das der Diele am nächsten war, vor einer großen gläsernen Salatschüssel, die ein Miniatur-Gebirge aus fünf Ballen Shredded Wheat enthielt, gekrönt von einem zusätzlichen, Mount-Everest-ähnlichen Gipfel aus Zucker. Während er darauf wartete, dass ich mit der fehlenden Zutat kam, klopfte er mit einem riesigen Servierlöffel einen fröhlichen Rhythmus auf dem Tisch. Aus irgendeinem Grund hatte der Anblick dieser völlig ungeeigneten Schüssel mit zu viel Inhalt und dieses lächerlich großen Löffels auf mich die Wirkung, dass meine Verärgerung um einen weiteren Strich auf der Skala anstieg. Ich lehnte mich gegen die Spüle und verschränkte die Arme.

      „Warum nimmst du dir eine Salatschüssel und diesen Löffel da, wo wir doch jede Menge Geschirr in der richtigen Größe haben?“

      „Ist alles in der Spülmaschine. Wo ist die Milch?“

      „Und warum hast du es dir dann nicht aus der Spülmaschine geholt?“

      Wortlose Pause.

      „Na komm schon! Warum hast du nicht einfach die Spülmaschine ausgeräumt und alles wegsortiert, wie ich es so ungefähr an jedem Morgen meines Lebens tue? Warum holst du dir diesen bescheuerten Riesen-Servierlöffel aus der Schublade, anstatt dir einen normalen zu nehmen wie jeder andere auch? Nein, gib dir keine Mühe, mir zu antworten. Ich sage dir, warum: Es ist dir einfach zu mühsam, darum. Es hat zu viel Ähnlichkeit mit Arbeit, stimmt's? Und außerdem könnten ja andere Leute etwas davon haben, und das wollen wir ja auf gar keinen Fall! Bloß nicht etwas tun, was einem anderen nützen könnte, stimmt's? Wie blöd von mir, daran überhaupt zu denken!“

      Mark hatte aufgehört, mit seinem Löffel herumzutrommeln, und stierte reglos auf das andere Ende des Tisches. Schließlich, nachdem er tief Luft geholt und sie durch die geschürzten Lippen geräuschvoll hatte entströmen lassen, stand er auf, immer noch das Handtuch um seine Hüften klammernd, und wandte sich in Richtung Diele.

      „Dann hole ich mir die Milch eben selber.“

      „Gar nichts holst du dir selber. Findest du nicht, dass die Welt für heute schon genug von dir gesehen hat? Nein, du setzt dich wieder auf diesen Stuhl und hörst mir zu!“

      Mark kämpfte einen Moment lang innerlich mit sich, dann ließ er sich schwer zurück auf den Stuhl fallen und stützte sein Kinn auf die Hände.

      „Was ist denn hier los?“

      Mike trug meinen Morgenmantel und seinen eigenen Genervt-aber-zuhörbereit-Gesichtsausdruck, als er in der Küche erschien, offenbar angezogen von dem Grummeln des nahenden Donnerwetters.

      Ich rang nach den richtigen Worten. War ich müde! Eine wutschnaubende Sekunde lang hatte ich alles vergessen, was vorgefallen war, bevor ich in die Küche gekommen war. Das ist oft das Problem, wenn man sich so erhitzt wie ich. Man verliert die ursprünglichen, völlig adäquaten Gründe für seine Wut aus den Augen, und dann ist plötzlich nur noch von dem letzten Satz, den man gesagt hat, die Rede, und der hört sich einfach nur erbärmlich an. Genau das passierte auch jetzt. Mark lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und sprach zu seinem Vater in jenem genervt-ironischen Tonfall, mit dem vielleicht ein Wärter in einer geschlossenen Anstalt seinem Kollegen das langweilig-vorhersehbare irrationale Verhalten eines ihrer langjährigen Insassen beschreiben würde.

      „Mum ist ganz mächtig sauer auf mich, weil ich den falschen Löffel für mein Müsli genommen habe, und jetzt darf ich mir deshalb aus irgendeinem Grund keine Milch holen.“

      Der landläufige Ausdruck, dass Leute oder Ereignisse einem das Blut zum Kochen bringen, trifft manchmal genau ins Schwarze. Wenn jemand, wie Mark es gerade getan hatte, irgendwie alle losen Enden des Vorgefallenen zu einem Knoten zusammenschnürt und man weiß, dass man diesen Knoten nur noch enger zusammenziehen wird, wenn man versucht, die Sache zu erklären, weil man viel zu wütend ist, dann ist das ein Gefühl, als ob einem der Dampf oben aus der Schädelplatte schießt. Und mir ist es egal, dass Knoten und Dampf nicht zusammenpassen, denn genauso fühlt es sich an.

      „So etwas Absurdes und Lächerliches ist mir ja noch nie zu Ohren gekommen! Du weißt ganz genau, dass ich sauer auf dich bin, weil du in Gegenwart eines fremden Mädchens, das auf unserer Türschwelle stand, und zwar splitterfasernackt, einen blöden, vulgären Witz erzählt hast.“

      „Was! Wann war denn das?“

      Mikes Gesicht war ein Bild des Entsetzens und der Verwirrung.

      „Gerade eben, am Fuß der Treppe.“

      „Wer war das fremde Mädchen?“

      „Das Milchmädchen oder die Molkereiproduktelieferantin oder wie man die heutzutage nennt. Das Mädchen mit dem unbegreiflichen System, das uns die Milch bringt.“

      „Aber die ist doch keine Fremde. Wir kennen sie doch.“

      „Mensch, du weißt ganz genau, wie ich das meine! Sie -gehört nicht zur Familie.“

      „Aber warum stand sie denn nackt auf unserer Türschwelle?“ „Was?

      „Warum war das Mädchen nackt?“

      „War sie doch gar nicht.“

      „Aber du sagtest doch gerade, sie war nackt.“

      „Das habe ich nicht gesagt!“ schrie ich. „Ich sagte, Mark war nackt. Mark! Dein Sohn! Lies mir von den Lippen ab - MARK STAND NACKT IN DER DIELE!“

      „Stimmt


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