Der mondhelle Pfad. Petra Wagner
ein paar Funken schwebten in seine dargebotenen Hände. Es tat nicht weh, es fühlte sich gut an, so warm, so …
Loranthus wollte sich bei Silvanus erkundigen, ob er es auch so interessant fand, drehte sich also um, riss die Augen auf und schrie noch einmal.
Die Götter waren da.
Sie hoben die Hand zum Gruß und kamen auf ihn zu. Allen voran schritt Apollo, umgeben von einer riesigen, schillernden Aura aus Gold. Er hielt Artemis an der Hand, deren silberne Haare ihr gütiges Gesicht umrahmten und weich wallend ihren schlanken Hals umspielten. Dahinter ging Zeus mit langen nussbraunen Haaren und drückte Hera an seine enorm muskulöse Brust. Besitzergreifend schob er seine kräftigen Hände in ihre üppigen kupferroten Locken, und Thera, die alte Göttermutter, tätschelte ihnen die strahlenden Gesichter.
Loranthus kniff die Augen zu, riss sie erneut weit auf − sie lachten ihn an! Die Götter lachten ihn an, und sie waren zum Greifen nahe! Demeter, Eos, Poseidon, Persephone, Hades, Iris, Hephaistos … Fassungslos starrte er in die Runde, lachte, jauchzte, schüttelte Zeus die Hände, Hera … Sie legte einen Finger auf die Lippen, damit er innehielt und hinhörte, denn es flötete, schellte, rasselte, klopfte, röhrte und heulte schrill oder kehlig …
Er wirbelte herum.
Hinter ihm wiegten sich grauhaarige Musen neben dürren Satyren und spielten eine wundersame Melodie. Einen Lidschlag lang beäugte er die Schellen an ihren Armen und Beinen, die verschiedenen Flöten, Trommeln, Kinnaren, Klanghölzer … und dachte, dass diese verwelkten Kinder der Götter zu alt zum Tanzen sein mussten und deshalb musizierten, sehr gut sogar.
Die Musik fuhr ihm in alle Glieder, riss ihn mit.
Sein Herz wummerte im Takt der Schläge, seine Füße hoben sich von ganz allein und stampften synchron, seine Fingerspitzen zuckten zu jedem Schellenschlag und seiner Kehle entsprangen Laute, die er noch nie gehört hatte. Wie ein lauter Rufer antwortete er den göttlichen Tönen. Seine Beine, Arme, Hände, Hüften … ja, sein ganzer Körper bewegte sich ohne sein Zutun und wurde zum Abbild der Klänge.
Auch die Götter lachten, jauchzten und tanzten um ihm herum.
Sie gebärdeten sich wie toll: zuckten, hüpften, drehten, wiegten, beugten, verrenkten sich und schwangen dabei wild ihre Haare. Ihn überkam der Gedanke, dass alle Götter des Olymps und sämtliche Nymphen gekommen sein mussten, um ihren Schützling so weit weg von Kreta zu besuchen, also schob er sich durch die Menge, schwankte von einem zum anderen und dankte ihnen für ihre Gunst.
Sie waren erfreut ihn zu sehen, verneigten sich ebenfalls, umarmten ihn, küssten ihn, besonders Iris, die Götterbotin. Sie hatte den anderen bestimmt erzählt, wo sie ihn finden konnten.
Plötzlich schritt Cernunnos mit graziöser Anmut auf ihn zu und wiegte sein majestätisches Hirschhaupt.
Loranthus verneigte sich tief und fragte, ob er sein Geweih berühren und die Enden zählen dürfe. Doch er schaffte es nur bis zu zwei Dutzend und Cernunnos stolzierte weiter, um Esus, Epona, Hall und Ogmios zu begrüßen.
Loranthus sah, wie sie sich gegenseitig voreinander verneigten und lachten, berührten und miteinander bewegten … Epona kam zurück und zog ihn mit sich … Esus drückte ihn fest an sich und zerquetschte ihm fast die Rippen … doch es tat nicht weh, nein, er gab ihm etwas von seiner Kraft ab und da fühlte Loranthus sich so stark … so wild, so unbesiegbar. Er war die pure Energie … er musste tanzen, tanzen und die Götter wollten das auch …
Sie waren so in Verzückung, dass sie genießerisch die Augen schlossen, also tat er es ihnen gleich.
Ja, das war wirklich etwas ganz Besonderes, nun fühlte er die Klänge der Musik sogar auf seiner Haut, auf seiner Zunge, überall … so intensiv.
Die Götter berührten ihn, raunten ihm zu. Sie kannten all seine Fragen, Probleme, Ängste, Sorgen … trösteten ihn, versprachen Schutz, Hilfe für alle Zeit … Sie waren so freundlich, so einfühlsam, so …
Eine Göttin ließ ihre weichen Hände über seinen Rücken gleiten und schmiegte sich von hinten an ihn. Als er sich umdrehte und sie anlächelte, warf sie ihre langen roten Haare über seinen Kopf und drückte ihn zwischen ihre herrlich duftenden Kleider. Ein junger Gott mit Wolfskopf schob aber seine Hände zwischen ihre Leiber. Mit der einen Hand drückte er Loranthus weg, mit der anderen strich er über ihre Schenkel. Die Göttin ließ Loranthus los und schmiegte sich an den Wolfsmann.
Der war nur wenig größer als er! Loranthus wollte sie zurückerobern, doch in diesem Moment presste sich eine schwarzhaarige Göttin seitlich an seinen Rock. Eine Hand ließ sie über seine behaarte Brust wandern und die andere schob sie in sein Gewand.
Loranthus wurde es so warm wie an einem heißen Sommertag in seiner Heimat. Er wandte sich ihr zu, riss sie fest an sich, damit ihm keiner dazwischen kommen konnte, sie lächelte verheißungsvoll, ihre Zunge glitt sanft über seine Lippen, ihre Fingernägel strichen an seinem Bauchnabel entlang.
Da erblickte er eine wunderschöne Göttin mit feinen langen Haaren, so zart und hell wie Mondlicht. Sie lag schlafend unter einem weißen Fell und ihr anmutiges Gesicht war so liebreizend, so herrlich anzuschauen … das konnte nur Aphrodite sein. Er betrachtete sie verlangend, streckte eine Hand nach ihren sanft geschwungenen Lippen aus, doch nein – er wollte ihren göttlichen Schlummer nicht stören. Also folgte er der schwarzhaarigen Göttin.
Hand in Hand rannten sie über die Wiese, da kam ihnen eine üppig gebaute Göttin entgegen, breitete ihre Arme aus und lachte so klangvoll wie Glöckchenklingeln. Sie berührte seine freie Hand mit ihrem heißen Mund und bat ihn um Kühlung. Er half ihr gerne, die schrecklichen Qualen zu lindern und fühlte selbst Hitze in sich aufsteigen. Die schwarzhaarige Göttin erbot sich, ihn abzukühlen und saugte das Feuer von ihm ab, doch dann stand sie selbst in Flammen und Loranthus benetzte ihren zuckenden Leib, um die Flammen zu löschen.
Die Schwarzhaarige erhob sich lächelnd, ließ ihre Zunge wieder über seine Lippen gleiten und hauchte einen Dank in sein Ohr, dann liefen die beiden Göttinnen Hand in Hand davon. Loranthus lehnte sich zufrieden zurück, kraulte seine dichte Brustbehaarung und schaute ihnen selbstgefällig nach, da sah er mehrere Göttinnen über die Wiese schreiten. Er sprang auf und rannte auf sie zu, weil er die Vorderste erkannt hatte.
„Athene! Wo willst du hin? Komm zu mir!“
Athene lächelte ihn freundlich an und drückte ihm die Faust gegen die Brust.
„Loranthus, Zeus hat mir eine wichtige Aufgabe anvertraut. Ich muss mich ihrer würdig erweisen.“
Loranthus fiel nieder, beugte sein Haupt und umschlang ihre Knie. „Oh, Göttin der Weisheit und der Kriegskunst! Aus dem Haupt des Allvaters geborene! Bitte sage mir nur eines: Weißt du, wie es meinem Vater in der Heimat geht? Ist er wohlauf? Ich habe schon Iris gefragt, aber sie hat gesagt, sie hätte ihn noch nicht wieder gesehen.“
Athene sah in weite Ferne, nickte und legte ihre Hand auf seinen Kopf.
„Deinem Vater geht es gut, Loranthus. Er wird dir zu Lugnasad eine Nachricht senden.“
Loranthus jauchzte und küsste ihr vor Freude überschwänglich die Füße. Sein Mund bewegte sich aufwärts, doch er kam nur bis zu Athenes Knöcheln, schon zogen ihre Gespielinnen sie lachend weiter.
Loranthus winkte ihnen strahlend nach und rieb sich dabei die Brust und den Kopf.
Die Stellen, die von Athene berührt worden waren, brannten wie Feuer. Athene war eine mächtige Göttin und bald loderte sein ganzer Körper. Er brauchte Kühlung. Da sah er eine Göttin aus Athenes Gefolge umkehren, eine zweite folgte ihr, eine dritte.
Weisheit verdient Achtung
Es war noch dämmrig, als Loranthus erwachte. Wohlig rekelte er sich ein wenig, behielt aber die Augen geschlossen. Die Vögel zwitscherten so fröhlich, so beschwingt − genauso fühlte er sich.
Ihm war warm, sehr warm. Er hatte die ganze Nacht nicht gefroren. Es ging ihm