Streifzüge durch meine Heimat. Horst Bosetzky

Streifzüge durch meine Heimat - Horst Bosetzky


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Komm nach Caputh, pfeif auf die Welt,

       Und auf Papa, wenn Dirs gefällt.

      Im »Fährhaus« kann man wunderbar speisen und dabei beobachten, wie die Wagenfähre zwischen dem Caputher und dem Geltower Ufer hin- und herpendelt.

      Auch der Ort Petzow liegt am Schwielowsee. Dort gibt es nicht nur ein bewundernswertes Schloss und eine guterhaltene Schinkelkirche, sondern ebenso die Villa Berglas. Zur DDR-Zeit firmierte sie von 1955 an und bis zur Wiedervereinigung als Schriftstellererholungsheim »Friedrich Wolf«, in dem in- und ausländische Schriftsteller arbeiten und sich erholen konnten. 1985 weilte hier mein Leipziger Freund und Kollege Steffen Mohr, und ich besuchte ihn dort, um mit ihm unser gemeinsames Werk zu besprechen, den ersten und letzten deutsch-deutschen Kriminalroman: Schau nicht hin, schau nicht her. Der Titel ist einem Schlager von Marika Rökk entlehnt, die wir als pubertierende Knaben sehr geschätzt haben: »Hoch die Rökk!« Damals glaubten wir noch an die Legende, dass die Schauspielerin einst Besitzerin der Villa gewesen sei. Diese Mär ist vermutlich darauf zurückzuführen, dass der erste Eigentümer nach dem Ersten Weltkrieg der Filmbranche angehört und den Namen Siegmund Jacob getragen hatte und bei den Rökk-Filmen meist Georg Jacoby Regie führte, der spätere Ehemann der Sängerin.

      Wie auch immer, Steffen und ich siedelten unsere Geschichte an der vermeidlichen Rökk-Villa an, und wir stellten unsere Romanhandlung dort auch nach. Steffen musste die Leiche spielen. Er tat das bühnenreif, und ich fotografierte ihn dabei mit meiner Polaroidkamera – zweimal, denn jeder von uns beiden sollte ein Foto mit nach Hause nehmen, um alles authentisch beschreiben zu können. Da unser Projekt von der Stasi aufmerksam verfolgt wurde, erschien uns das als der sicherste Weg. Doch argwöhnische Nachbarn haben uns aus lichter Höh beobachtet und die Leiche für echt gehalten. Und schon war die Volkspolizei alarmiert … Da blieb uns nur die Flucht – und das Marika-Rökk-Lied zu Ende zu singen:

       Schau nicht hin, schau nicht her,

       Schau nur grade aus,

       Und was dann auch kommt,

       Mach dir nichts daraus.

       Wildenbruch und der Große Seddiner See

      Die Wildenbruchstraße in Neukölln bin ich als Junge unzählige Male entlanggegangen, ohne zu wissen, wem sie ihren Namen zu verdanken hatte, denn die kleinen Hinweise auf den Straßenschildern gab es damals noch nicht. Irgendwann stieß ich beim Blättern in dem Buch 1000 Wege um Berlin jedoch auf Wildenbruch und nahm sofort an, dass die Straße nach dieser Ortschaft benannt worden war. Irrtum, denn in einem alten Schulbuch meiner Mutter fand sich der Hinweis auf den Diplomaten und Schriftsteller Ernst von Wildenbruch (1845–1909), dem die Hochkultur immerhin das Drama Die Haubenlerche zu verdanken hat. Von Wildenbruch ist in Berlin verstorben, und Berlin hat ihn mit der Neuköllner Straße geehrt.

      Durch diese Umstände ist der Name Wildenbruch für mich zu einem Engramm geworden, und immer wieder zieht es mich in die Ortschaft Wildenbruch und damit an den Rand des Naturparks Nuthe-Nieplitz. Die wuchtige Feldsteinkirche ist ein wahres Highlight, und im Restaurant »Zur Linde« kann man ausgezeichnet speisen. Beim Lesen der Ortschronik stößt man auf die für die brandenburgische Geschichte wichtigen Adelsnamen Quitzow und Rochow. Auch mit einem Golfklub wird geworben, aber ich bin nur Minigolfer. Und eine schöne Badestelle gibt es auch.

      Ist vom Großen Seddiner See die Rede, bin ich zunächst immer etwas irritiert, weil es auch den Schmöckwitzer Seddinsee gibt. Sein Bruder bei Wildenbruch hat aber mit Sicherheit das größere Anrecht auf den Namen, denn an seinem einen Ende liegt die Ortschaft Seddin. Und am Westufer des Großen Seddiner Sees kann man wunderschön von Seddin nach Wildenbruch wandern.

      Wildenbruch und der Große Seddiner See sind mir so ans Herz gewachsen, dass ich in meinem Roman Kartoffelsuppe oder Das Karussell des Lebens einen an Selbstüberhöhung leidenden Hochschullehrer und naiven Amateurmaler namens Blücher in dieser Region einen Bauernhof kaufen lasse. Die alte Scheune verwandelt er in eine Gemäldegalerie und stellt dort seine eigenen Werke aus. Bei einer Vernissage malt schließlich ein humoristisch begabter Kollege auf das von Prof. Blücher selbst hochgelobte Ölgemälde Sonnenaufgang mit Haubentaucher mit schwarzem Filzstift die Ziffern 1 bis 14 …

       Kyritz und Kampehl

      Auf meinem Schreibtisch steht ein Bierkrug mit dem Aufdruck Mord und Totschlag – Kyritz an der Knatter. Das köstliche Schwarzbier ist längst ausgetrunken, und zwei Dutzend bunte Filzstifte füllen das Glas. Leider hat Kyritz seinen Namen nicht mir, -ky, zu verdanken, dennoch ist diese Stadt für mich so wichtig, dass sie mir immer wieder in den Sinn kommt – zumal ich dort auch zwei Lesungen halten durfte. Der Beiname »an der Knatter« ist auf die vielen knatternden Wassermühlen zurückzuführen, die es hier früher an einem Nebenarm der Jäglitz gegeben hat. Manche sagen auch, die nach dem Waschen im Fluss aufgehängten Bettlaken hätten ein lautes Knattern verursacht. Wie auch immer, ich habe in Kyritz nie etwas anderes als den Auspuff eines alten Mofas knattern hören.

      Das Rathaus, der Marktplatz, die Stadtpfarrkirche St. Marien und die alte Stadtmauer sind allemal einen Besuch wert. Und mit der Geschichte der Stadt ist der Name Kurt von Bassewitz eng verbunden. Der Raubritter aus dem Mecklenburgischen ist 1381 brandschatzend in die Prignitz eingefallen, hat aber Kyritz nicht erobern können, weil die Bürger ihre Stadt überaus tapfer verteidigten. Dieses Ereignis wird von den Bewohnern noch heute jedes Jahr gefeiert. 1411 hat Bassewitz dann noch einmal versucht, Kyritz einzunehmen. Er wollte durch einen unterirdischen Gang bis ins Innere der Marienkirche vordringen und von dort aus den Kyritzer Bürgern in den Rücken fallen, während seine Mannschaft einen Sturmangriff auf die Stadtmauern unternehmen sollte. Der Plan wurde jedoch verraten, und als Bassewitz mit dem Schwert in der Hand im unterirdischen Stadtgang auftauchte, überschüttete man ihn mit heißem Brei und nahm ihn gefangen, um ihn mit seinem eigenen Schwert hinzurichten.

      »Horst, warst du schon einmal am Salzsee?«, werde ich bei einer Wanderung von unserem Leithammel gefragt, als wir am Bahnhof Kyritz aus einem Zug der RB73 steigen.

      »Nein«, antworte ich und zähle einige der Salzseen auf, über die ich in der zwölften Klasse einmal ein Referat gehalten habe, »weder in Salt Lake City am Großen Salzsee noch am Toten Meer, am Salar de Uyuni in Bolivien oder an dem in der Atacamawüste.«

      »Aber in den nächsten Stunden wirst du einen sehen.«

      Ich tippe mir kurz an die Stirn, doch als wir an der Kyritzer Seenkette entlangwandern, erreichen wir nach dem Klempow-, dem Unter- und dem Obersee tatsächlich einen Salzsee. Und nicht nur das, bei Kyritz gibt es auch eine Talsperre, vor der sich das Wasser der Dosse staut. Als ich das Wort Dosse höre, denke ich sofort an Neustadt (Dosse) und schlage spontan vor, diese Stadt auch noch zu besuchen.

      »Erst wandern wir nach Kampehl!«, befiehlt unser Wanderführer.

      Von Kyritz nach Kampehl braucht man mit dem Auto keine Viertelstunde. Kampehl ist ein märkisches Muss, denn hier ist die Mumie des Ritters Kahlebutz zu besichtigen. Christian Friedrich von Kahlebutz (1651–1702) zeichnete sich in der Schlacht bei Fehrbellin besonders aus und erhielt deshalb vom Großen Kurfürsten das Gut Kampehl bei Neustadt an der Dosse als Erblehen. 1690 wurde er angeklagt, den Schäfer Pickert aus dem Nachbarort Bückwitz ermordet zu haben, weil der ihm bei seinem Versuch im Wege gestanden habe, bei einer Magd zum »Recht der ersten Nacht« zu gelangen, also mit ihr vor ihrem künftigen Bräutigam zu schlafen. Kahlbutz musste vor Gericht, wurde aber freigesprochen. Schließlich soll er geschworen haben: »Wenn ich doch der Mörder bin gewesen, dann wolle Gott, soll mein Leichnam nie verwesen.« Und das tut er tatsächlich nicht. Ärzte und Naturwissenschaftler der Charité, darunter Koryphäen wie Rudolf Virchow und Ferdinand Sauerbruch, haben bis heute keine Erklärung dafür. War Kahlebutz doch der Mörder von Bückwitz?

      »Horst, warum willst du denn unbedingt noch nach Neustadt (Dosse)?«, fragt mich mein Wanderführer irgendwann.

      »Weil


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