In Dankbarkeit und Freude. Adalbert Ludwig Balling

In Dankbarkeit und Freude - Adalbert Ludwig Balling


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die schwere Zeit des Kindseins und allmählichen Erwachsenwerdens. Gerade das Leben auf dem Lande hat mir persönlich unendlich viel gegeben; hat mein Leben bereichert; hat mir für meine späteren Aufgaben wesentliche Erfahrungen geschenkt, die ich sonst kaum hätte machen können.

      Mein Wirken in Afrika3 wäre für mich um vieles schwieriger gewesen, hätte ich nicht auf Erfahrungen meiner Kinder- und Jugendjahre im Ochsenfurter Gau zurückgreifen können. Denn auf der Embakwe-Mission in Rhodesien (Simbabwe), wo ich ab Dezember 1959 tätig war (davor elf Monate in Bulawayo, der zweitgrößten Stadt des Landes), hatten wir neben den Pastoralaufgaben in der Pfarrei und den schulischen Verpflichtungen (vom Kindergarten bis zur Highschool mit Cambridge-Examen) jede Menge handwerkliche und agrarwirtschaftliche Aufgaben zu erledigen.

      Wir hatten auf der Station im Schnitt 300 Stück Vieh, an die 50 englische Morgen unter künstlicher Bewässerung, mehrere Dämme als Wasserspeicher, mehrere Windmühlen als Wasserpumpen, eine weiträumige Werkhalle zur Ausbildung junger Afrikaner, ein kleines Buschhospital, 50 afrikanische und farbige (Mischlings-) Lehrer, 100 schwarze Tagesarbeiter (Frauen und Männer), 480 Mischlingskinder und Jugendliche an der Internatsschule – und somit täglich über 600 Münder zu verköstigen.

      Ständig gab es etwas zu reparieren und auszubessern. Und viel zu bauen! Etwa mehrere Außenschulen, weit über das Hinterland verstreut. Ferner, auf der Hauptstation, ein Schwimmbad für die Internatsschüler/innen, einen Kuhstall für die trächtigen und milchgebenden Kühe (die Mehrzahl der Tiere blieb ganzjährig auf der Weide), Schul- und Wohngebäude sowie eine moderne Kirche für rund 850 Sitzplätze.

      Die Ziegelsteine für unsere Neubauten stellten wir selber her; die Maurer und deren Gehilfen waren Afrikaner, einst angelernt und ausgebildet von unseren tüchtigen Brüdermissionaren, die inzwischen im Altenheim im südafrikanischen Mariannhill lebten – oder bereits verstorben waren.

      John Jakob und andere Mitarbeiter des Missions-Teams

      Natürlich war ich nie allein; nie der einzige Weiße auf der Station. Zeitweise standen mir zur Seite: Neben zwei Mariannhiller Patres (einer aus den Niederlanden und einer aus Österreich) noch zwei Brüder, 13 Ordensschwestern (mehrheitlich ausgebildete Gymnasiallehrerinnen aus Großbritannien) und ein englischer Missionshelfer.

      Der Schweizer, Bruder Mauritius, war ein erstklassiger Schreiner und Zimmermann; aber auch Schlosser, Elektriker und Reparateur für schier alles. Er war unter anderem zuständig für defekte Autos, altersschwache Windmühlen, lecke Wassertanks, kaputte Stromkabel und dgl. mehr. Er redete nicht viel. Leute, die ihn nicht kannten, hielten ihn für einen kauzigen Einzelgänger. Er war aber alles andere als verschroben, sondern vielmehr ein treuer Ordensmann; ein Vorbild für uns Jüngere. Als er uns verließ – krumm, bucklig und hochbetagt –, um die letzten Jahre seines Lebens in einem ordenseigenen Seniorenheim in Südafrika zu verbringen, vor allem im Gebet und in der Erwartung eines neuen Lebens jenseits irdischer Mühen, Plagen und Ängste, da vermissten wir ihn sehr.

      Bruder Lambert stammte aus den Niederlanden; er sorgte sich um das Vieh und die Landwirtschaft. Seine Sprache war meist ein Mix aus Deutsch, Englisch und Afrikaans (die Sprache der Buren in Südafrika). Unsere Schul- und Internatskinder sowie die schwarzen Tagelöhner, die er beschäftigte, nannten ihn Bradder Kommkomm. Später, als ich schon nach Deutschland zurückgekehrt war, verließ er die Mission, zog sich in die Wankie-Region zurück, lebte mitten unter Schwarzen, erkrankte schwer und verstarb in noch relativ jungen Jahren.

      Der aus Tirol stammende Pater Alfons kümmerte sich um die Außenschulen, war Schulinspektor, dem die schwarzen Volksschullehrer unterstanden, und gleichzeitig mein Assistent (Kaplan) auf der Hauptstation, vor allem in pastoralen Angelegenheiten. Diesen Aufgabenbereich hatte er 1960/1961 von mir übernommen, als mir von meinem Vorgänger, Martin Elmar Schmid, eine neue Aufgabe zugewiesen wurde und ich die Verantwortung für den Gesamtkomplex Embakwe-Mission4 übernehmen musste. – Pater Alfons wurde später allseits geschätzter und respektierter bischöflicher Finanzmann der Diözese Bulawayo. Eines späten Abends stolperte er eine Art Kellertreppe hinunter – und starb bald darauf an seinen Verletzungen.

      Pater Damian, Niederländer wie Bruder Lambert, hatte während des 2.Weltkriegs ein deutsches Arbeitslager kennengelernt und daher keine guten Erinnerungen im Rucksack. Dass ausgerechnet ein Deutscher (ich war der einzige Deutsche vor Ort) sein Chef sein sollte, schmeckte ihm nicht so recht. Aber seine Aufgaben machten es ihm einfacher: Als Bubenpräfekt für vorwiegend farbige Jungen war er weithin selbständig. Gelegentlich hatte er es auch mit den Lehrern und Lehrerinnen der High School zu tun und mit den englischen Nonnen. Letztere machten ihm das Leben nicht immer leichter. Dennoch – er hielt mehrere Jahre in Embakwe aus, ehe er, wie er meinte, einen leichteren Job übernahm, auf einer anderen Missionsstation.

      John Jakob, Engländer mit deutschen Wurzeln, war ein Glücksfall für die ganze Station, vor allem aber für mich, den gerade erst mal 28 Jahre alten Baba-Umkhulu (Großer Vater) des Missionssprengels und Prinzipal der High-School. Ohne John wäre vieles von dem, was wir in Embakwe unternommen haben, kaum möglich gewesen. Als ich von Seiten der Ordensobern buchstäblich gezwungen wurde, unterm Gehorsam, wie man früher zu sagen pflegte, die, wie ich erst viel später erfuhr, schwer verschuldete Station zu übernehmen, sprich, Chef des Gesamtkomplexes zu werden, da bat ich Bischof Schmitt5, mir eine Englisch sprechende Hilfe für das Büro zu besorgen. Ich hatte an eine pensionierte Lehrerin bzw. Sekretärin, eventuell eine ältere Ordensschwester, gedacht. Nach einem Monat meldete sich Schmitt und erwähnte den Namen eines Briten, der bei Cooks Travelling Agency über Jahre als Accountant tätig gewesen sei, erst in Durban (Südafrika), dann in Bulawayo und zuletzt in Salisbury (heute: Harare).

      Dieser Mister Jakob sei willens, künftig auf einer Missionsstation zu arbeiten. Ob ich ihn haben wolle? – Meine Frage an den Bischof: Können Sie ihn empfehlen? Er antwortete, er kenne ihn nicht, aber Frau Dr. Hanna Davis-Ziegler kenne und empfehle ihn sehr; sie halte Mr. Jakob für einen tüchtigen Mann, er sei katholisch und aus gutem Hause. Der Bischof fügte hinzu: Seine Kündigungsfrist bei Cooks betrage vier Wochen; wenn ich einverstanden sei, käme er nächsten Monat. – Ich sagte zu, und vier Wochen später brachte ihn Schmitt zu uns auf die Station. Wir hatten uns vorher weder gesprochen noch gesehen. Doch von der Sekunde unseres Kennenlernens an verstanden wir uns; John wurde mein bester Helfer und Berater; mein Sekretär und Stellvertreter, der fast alle englische Korrespondenz für mich erledigte, vor allem den Briefverkehr mit den Regierungsstellen in Salisbury, zum Beispiel mit dem Social- und Educational Departments. Aber das war nur ein Bruchteil dessen, was John in den kommenden Jahren auf der Station bewältigte.

      Schon nach wenigen Wochen zeigte es sich, dass er neben der Büroarbeit (amerikanische Buchführung) schon bald zum Man of all Trades wurde, ein Fachmann für (fast) alles: Er verstand sich auf (alte) Autos, die nicht mehr richtig funktionierten, aufs Reparieren von Wasser- und Stromleitungen und vieles mehr. Auch über die Probleme der Landwirtschaft sowie des Bauwesens machte er sich kundig und natürlich über alles, was den Schulbetrieb betraf. Viele handwerkliche Kenntnisse hat er von Bruder Mauritius gelernt; die beiden verstanden sich bestens. Kurzum, ohne John ging in Embakwe fast nichts mehr.

      Wenn ich mal für ein paar Tage oder Wochen abwesend war, wie z. B. während zweier Trips nach Mariannhill im heutigen Kwa-Zulu-Natal, dann machte ich John zum Finanzmeister der Station. Er verfügte dann als einziger vom gesamten Missionsteam über die Schlüssel zum Safe. Damit waren alle anderen des Teams einverstanden, Ordensleute und Laien. John arbeitete umsonst, ohne Lohn; er verzichtete sogar auf ein Taschengeld. Kost und Unterkunft waren für ihn frei, auch Zigaretten und Drinks. Oder was er sonst für den täglichen Gebrauch unbedingt nötig hatte.

      1965, als ich Embakwe verlassen musste (um nach einer Ausbildung zum Journalisten die Redaktion der Mariannhiller Zeitschriften und Kalender in Deutschland zu übernehmen), blieb John zunächst vor Ort, aber nicht mehr lange. Es kam zu Unstimmigkeiten zwischen John und meinem Nachfolger, was zur Folge hatte, dass John die Station verließ und vorübergehend bei einem benachbarten weißen Farmer unterkam – als Hilfsarbeiter in der Landwirtschaft und bei der Viehzucht. Als er mich in dieser Zeit in Köln besuchte,


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