Die Ewigkeit ist jetzt. Ayya Khema
Es muss doch einen Weg geben, ein Bewusstsein dafür zu entwickeln. In meditativer Sammlung können wir uns die Bewegung auf der Haut und unter der Haut bewusst machen. Danach werden wir uns selbst und die Welt um uns herum mit anderen Augen betrachten, weil wir aus persönlicher Erfahrung wissen, dass es nichts Festes und Statisches gibt. Am allerwenigsten in unserem Körper.
Wissenschaftler haben nachgewiesen, dass es im ganzen Universum nicht einen einzigen stabilen Baustein gibt. Alles Existierende besteht aus Energiepartikeln. Sie bewegen sich mit solcher Geschwindigkeit – treffen aufeinander und entfernen sich wieder –, dass die Illusion von Stabilität entsteht. Ebendies sagte der Buddha, als er vor zweieinhalbtausend Jahren von solchen Partikeln sprach. Er benötigte allerdings kein Labor, um dies herauszufinden und zu beweisen. Er selbst machte diese Erfahrung. Daraus erwuchs seine Erleuchtung. Unsere Wissenschaftler wissen alles darüber. Dennoch kann man sie kaum als erleuchtet bezeichnen. Was ihnen fehlt, ist die persönliche Erfahrung.
Wir können selbst erkennen, dass es nirgendwo etwas Festes gibt. Sogar die verstandesmäßige Logik zeigt uns, dass es nichts Statisches geben kann, sonst wären wir keine menschlichen Wesen, sondern nur leblose Körper. Das verstandesmäßige Wissen genügt aber nicht, diese Tatsachen müssen erfahren werden. Erst wenn wir dies in der Meditation empfinden, wissen wir Bescheid. Was man aus persönlicher Erfahrung weiß, lässt sich nicht wegdiskutieren. Würde euch auch alle Welt von der Beständigkeit des Körpers zu überzeugen versuchen, ihr würdet euch nicht überzeugen lassen, denn ihr habt eure eigenen Erfahrungen gemacht. Als die Menschen über die Lehren des Buddha diskutierten, widersprach er niemals. Er hatte keinen Standpunkt zu verteidigen, denn er sprach über seine eigene Erfahrung.
Wenn wir uns besser sammeln und in tiefere Schichten vordringen können, werden wir diese unablässige Bewegung in uns erkennen. Für den Geist ist klar, dass diese Bewegung, wenn sie denn innen ständig vorhanden ist, auch außen stattfinden muss. Wo also ist etwas Festes zu finden? Der Geist mag fragen: «Wenn alles ständig in Bewegung ist, wo bleibt dann das Ich? Empfindungen ändern sich andauernd, von Augenblick zu Augenblick. Der Körper ist in Bewegung. An nichts kann ich mich halten. Die Gedanken sind unablässig in Bewegung. Wo also bin ich?» Um sich selbst «finden» zu können, ersinnen die Menschen etwas Imaginäres wie zum Beispiel ein höheres Selbst, einen festen Wesenskern oder eine Seele. Bei genauerer Nachforschung stellt sich allerdings heraus, dass es sich hierbei wiederum nur um Illusionen handelt. Vergänglichkeit muss erfahren werden.
Einen anderen Aspekt unserer Meditationspraxis hat der Buddha in den Lehrreden über die Grundlagen der Achtsamkeit erwähnt: Die Meditation über die vier Elemente – Erde, Wasser, Feuer und Luft. Die Empfindung von Festigkeit im Körper entspricht dem Erdelement. Ebenso die Festigkeit des Sitzkissens, das wir spüren. Das Erdelement ist überall gegenwärtig, auch im Wasser, sonst könnten wir nicht schwimmen; auch in der Luft, sonst könnten weder Vögel noch Flugzeuge fliegen.
Das Feuerelement ist gleichfalls überall gegenwärtig. Innerlich wird es für uns spürbar, wenn wir unsere Aufmerksamkeit darauf lenken. Normalerweise nehmen wir es nur wahr, wenn uns eiskalt oder glühend heiß ist oder wenn wir Fieber haben. Aber Temperatur (die Ausdrucksform des Feuerelements) ist stets und überall vorhanden – in allem, was lebt.
Das Wasserelement können wir in unserem Blut, im Speichel und im Urin wahrnehmen. Das Wasserelement ist die verbindende Kraft. Um einen Teig herzustellen, muss man dem Mehl etwas Wasser hinzufügen. Wasser ist das überall anzutreffende Verbindungselement. Ohne Wasser würden all die sich ständig bewegenden Zellen auseinanderfallen. Ohne die haltgebende Kraft dieses Verbindungselements würde niemand von uns hier sitzen.
Das alles klingt sehr interessant, hilft uns jedoch nicht weiter, solange wir es nicht selbst erfahren haben. Erst durch die persönliche Erfahrung entwickelt sich die Einsicht, wie die Dinge wirklich sind: Die Dinge so erkennen und sehen, «wie sie wirklich sind» – dieser Worte bedient sich der Buddha häufig.
Wir können als fünftes Element den Raum hinzufügen. In uns ist Raum im Sinne von Öffnungen vorhanden, Mund und Nase beispielsweise. Entsprechendes gilt für das Körperinnere. Das Universum ist Raum. Wenn wir uns dies klarmachen und uns mit der Tatsache anfreunden können, dass diese Elemente überall gleichermaßen zu finden sind, werden wir etwas von unserer Gewohnheit, alles zu trennen, aufgeben können – dieses: «Das bin ich – mag der Rest der Welt in Frieden leben, aber ich sorge zuerst mal für mich selbst. Die anderen sollen mir bloß nicht zu nahe kommen.»
Begreifen wir, dass wir lediglich aus Energiepartikel bestehen, die zusammentreffen und sich wieder trennen, nichts weiter als die fünf Elemente – was ist dann jenes «Ich», das wir so eifrig schützen? Und was ist der Rest der Welt, der so bedrohlich scheint?
Meditation bedeutet nach Einsicht streben. Einsicht ist das Ziel der buddhistischen Meditation. Die Techniken dienen dabei als Werkzeug. Ihr nutzt sie, so gut ihr eben könnt. Jeder geht mit Werkzeug ein wenig anders um. Je geschickter wir damit umzugehen lernen, desto einfacher und schneller erzielen wir Resultate. Die volle Aufmerksamkeit muss jedoch auf das Werkzeug gerichtet sein und nicht auf das eventuelle Resultat. Erst dann können sich Geschicklichkeit und Leichtigkeit entwickeln.
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Ruhe und Einsicht
Es gibt viele verschiedene Meditationstechniken. Im «Weg zur Reinheit» sind vierzig erwähnt. Diese Techniken richten sich aber nur auf zwei Ziele: Ruhe und Einsicht. Diese beiden gehen Hand in Hand. Wissen wir nicht, in welche Richtung wir gehen, ist es höchst unwahrscheinlich, dass wir unser Ziel erreichen. Wir müssen unseren Weg kennen, um ihn gehen zu können.
In beidem – Ruhe und Einsicht – müssen wir uns üben, um tatsächlich die Resultate zu erzielen, die in der Meditation möglich sind. Jeder sucht nach innerem Frieden, nach dieser Empfindung glücklicher Zufriedenheit. Wer in der Meditation auch nur ein Zipfelchen davon erhascht, fühlt sich richtig glücklich und will mehr davon haben. Mit einem hübschen Anteil daran wären die meisten schon zufrieden. Doch dazu ist die Meditation nicht da.
Die Ruhe, der innere Frieden, ist ein Hilfsmittel und dient einem Zweck: Ruhe ist das Mittel – Einsicht das Ziel. Hilfsmittel sind wichtig und notwendig, dürfen aber nie mit dem eigentlichen Ziel verwechselt werden. Weil es hier aber um eine so ganz und gar angenehme Erfahrung geht, erwächst daraus eine neue Anhaftung.
Unser ständiges Problem ist, dass wir festhalten wollen, was uns angenehm ist, und zurückweisen, was uns nicht gefällt. Weil wir das zu unserem Lebenszweck machen, hat unser Leben keinen wirklichen Zweck. Es ist unmöglich, alles Unangenehme auszuschalten und nur das Angenehme zu behalten. Solange wir das als Ziel betrachten, haben wir kein Ziel. Das Gleiche gilt für die Meditation.
Wie können wir also zu etwas Ruhe finden, und was haben wir davon? Halten wir unsere Aufmerksamkeit auf den Atem gerichtet, wird irgendwann Ruhe einkehren. Der Geist wird einen Moment aufhören zu denken und sich entspannen. Ein denkender Geist wird nie zur Ruhe kommen, weil der Denkprozess an sich Bewegung ist und Bewegung immer ablenkend wirkt. Dennoch kann für einen Augenblick Ruhe einkehren, und wir können ihn vielleicht sogar verlängern. Je länger wir üben, umso mehr sind wir dazu imstande. So schwer ist es gar nicht. Anfangs mag es schwierig scheinen, aber alles, was wir brauchen, ist Geduld und Entschlossenheit, ein wenig gutes Karma1 und einen ruhigen Platz.
Wir alle verfügen über ein wenig gutes Karma, sonst säßen wir nicht hier. Menschen, die viel schlechtes Karma geschaffen haben, kommen in der Regel nicht zu einem Meditationsseminar. Kommen sie trotzdem, dann bleiben sie nicht. So muss also das gute Karma bereits vorhanden sein.
Was die Geduld anbelangt – allein schon damit wir hierbleiben, müssen wir Geduld haben. Hinzu kommt ferner Entschlossenheit. Wenn ihr euch zum ersten Mal hinsetzt, fasst einen Entschluss: «Ich will wirklich bei meinem Atem bleiben, und jedes Mal, wenn ich abschweife, fange ich wieder von vorn an.» Das ist eine regelrechte Gratwanderung. Jedes Mal, wenn ihr abschweift, müsst ihr euch erneut dem Atem zuwenden. Dazu braucht man Entschlusskraft.
Tritt jenes ruhige und angenehme Empfinden ein, das der Buddha als wohltuendes Verweilen