Jenseits von Ego und Selbst. Bernadette Roberts

Jenseits von Ego und Selbst - Bernadette Roberts


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ist ja allerhand!“ Und während ich weiter berichtete, sann er darüber nach, was wohl mit der scholastischen Theologie geschehen würde, falls die Wissenschaft bewiese, daß in der Materie keine permanente Substanz vorhanden sei.

      Schließlich versuchte ich, ihn wieder zu beruhigen. Die menschliche Vorstellung über das Verhältnis von Geist und Materie könnte sich als Umkehrung der gewohnten Denkweise in ihr Gegenteil verkehren, sagte ich. Gott wäre dann reine Materie oder permanente Substanz, und Materie wäre reiner Geist oder Gott – mit anderen Worten, Materie und Geist wären eigentlich identisch. Das bedeutet, daß der Naturwissenschaftler eigentlich der Mystiker ist – wie der Tiefseefisch, der das Wasser sucht, in dem er herumschwimmt – und der Mystiker der ahnungslose Forscher, der schon auf reine Substanz gestoßen ist, ohne es zu erkennen.

      Doch der Pater hörte nicht zu, er war in höhere theologische Gedänkengänge entschwebt. Ich wußte, wie es enden würde. Er würde mit ausdrucklosem Gesicht dasitzen und aus dem Fenster starren, über den Hang hinaus aufs Meer, wohin alle Einsichten und Theorien letztlich entschwinden und sich in nichts auflösen. Ich überließ ihm, seine Gedankensackgassen selbst zu entdecken und wandte mich den eigenen zu: Wie kommt es, daß der Körper sichtlich vorhanden war, solange die Augen geöffnet, doch in keiner Weise vorhanden, wenn sie geschlossen waren?

      Vielleicht sollte ich erwähnen, daß das fortwährende Wegschmelzen des Körpers vollkommen anders war als eine Erfahrung vom Verlassen des Körpers. Letztere äußert sich scheinbar in einer Trennung von Körper und Geist, doch in meinem Erleben gab es keine solche Trennung. Alle Trennung ist im Selbst begründet, aber wenn es kein Selbst gibt, gibt es auch nichts mehr zu trennen und nichts, das Trennung verursacht. Aufgrund meiner Erlebnisse aber empfand ich den Körper – und alle sichtbare Form – als im Wesen irgendwie ätherisch. Da Form sich aus nicht erkennbarer und nicht berührbarer Substanz zusammensetzt, die durch alle Verwandlungen unverändert bleibt, war es anscheinend diese Substanz, die beim Vergehen des Selbst übrig blieb. Auf alle Fälle verflüchtigte sich das ganze empirische Argument der Selbst-Existenz ein für alle Mal und unwiederbringlich an jenem Abhang.

      Ich muß auch sagen, es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, daß sich der geschilderte Vorfall am Berg bei den Mönchen ereignete. Zwei Jahre zuvor, als die Mönche ihr Einkehrhaus den Frauen öffneten, mußte man zuerst eine Genehmigung vom Prior des Klosters einholen – sich sozusagen einer Auslese unterziehen. Ich fuhr eigens die Küste hinunter zu meiner ersten Zusammenkunft mit dem Pater Prior. Nachdem er gnädig seine Erlaubnis erteilt hatte, fragte er: „Was erhoffen Sie sich also von einer Einkehr bei uns?“ Ich wüßte es nicht genau, sagte ich, doch seit einem Jahr hätte ich das Gefühl, daß sich eine große Explosion vorbereite. Er wurde plötzlich steif in seinem Sessel. „Aber um Gottes Willen, tun Sie es ja nicht hier,“ sagte er. „Wir bemühen uns gerade, die Mönche an die Gegenwart von Frauen zu gewöhnen, und das würde alles zunichte machen – es buchstäblich »in die Luft gehen« lassen für alle.“

      Nun, ich hatte keine Ahnung, was sich P. Prior unter meiner „großen Explosion“ vorstellte. Ich wußte aber, daß er Doktor der Chemie gewesen war, bevor er Mönch wurde, und vermutlich hatten schlechte Erfahrungen von damals auf seine Interpretation abgefärbt. In meiner eigenen Vorstellung aber sollte die große Explosion eine wundervolle spirituelle Blüte einleiten, vorzugsweise mit kreativen Obertönen. Nie hätte ich mir träumen lassen, daß es mein „Selbst“ war, das unwiederbringlich in tausend Stücke gerissen wurde. Eine solche Erwartung stand nicht auf meiner Agenda als Christin, und noch dazu am Bergabhang bei den Mönchen! Eine Schande für die ganze Kirche! Doch wie schon gesagt, wir kennen weder Zeit noch Ort, wann uns die Bestimmung einholt. Daß es mich am Mönchsberg treffen würde, konnte ich nicht voraussehen, und die Ironie der ganzen Angelegenheit war mir nicht entgangen.

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