Das Manuskript der Magdalena. Tom Kenyon

Das Manuskript der Magdalena - Tom Kenyon


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spüren konnte. Meine Finger zitterten auf den Tasten, als sie zu sprechen begann. Es war, als ob die Ewigkeit den Abgrund der Zeit überspannte und schloss. Sie war da. Wir waren da. Das Stundenglas zerbrach und die Zeit hörte auf zu sein.

      Ich hoffe, dass ich ihre Worte nie vergessen werde. Ich schwöre, dass ich niemals vergessen werde, dankbar zu sein für ihre Wahrheit, für Toms offenes Herz, für die Ehre, die uns Jeshua erwies und für das Vertrauen, das sie mir entgegenbrachte, indem sie mir ihre Geschichte erzählte.

      Sie fuhr damit fort, während wir ein paar Wochen lang durch die Schweiz, die italienischen Alpen und die Toskana reisten. Sie kam auf der Fähre von Genua nach Palermo durch. Und als sich herausstellte, dass Sizilien nicht der Ort war, an dem wir überwintern wollten, besuchte sie uns auf der Fähre von Livorno nach Malta. Auf Gozo, einer kleinen Insel vor Malta, fuhr sie mit ihrer Geschichte fort, in Sichtweite der Stelle, an der sie auf ihrer Reise von Ägypten nach Frankreich gelandet war, um Proviant aufzunehmen. Sie sprach die Worte »Wir haben es vollendet« kurz vor Weihnachten 2000.

      Jeden Abend, bevor sie begann, ließ sie mich vorlesen, was ich von ihrem vorigen Besuch notiert hatte. Sie korrigierte jedes Wort, das ich nicht richtig verstanden hatte, änderte ab und zu ein Wort, um einen Sachverhalt klarer auszudrücken. Und bevor sie uns jeweils verließ, bat sie mich, ihr vorzulesen, was ich an dem Abend aufgeschrieben hatte.

      An vielen Abenden hielt sie an besonders ergreifenden Stellen ihres Berichtes inne, während Tom ihre Geschichte unter Stöhnen und Wimmern emotional durchlebte.

      Sie sagte dann zu mir: »Dieser Kanal spürt jetzt die Emotion dessen, was ich dir erzähle.«

      Mein Herz öffnet sich für Tom, weil er, wenn auch nur für einen Augenblick, gespürt hat, wie es für sie war, einen Mann so sehr zu lieben wie sie Jeshua geliebt hat, und ihn dann an den Tod zu verlieren, zum Wohle der Menschheit. Und mein Herz öffnet sich für Jeshua, nachdem ich jetzt ihre Geschichte gehört habe und weiß, dass sie wahr ist. Er liebte sie so sehr, dass er das, wofür er hergekommen war, fast nicht getan hätte.

      Als wir im Frühling Malta verließen, wurden die Computer eingepackt und nach Hause geschickt. Wo auch immer ich hinging, trug ich eine Diskette und einen Ausdruck des Manuskriptes bei mir. Auf diese Art fuhr Magdalena mit uns nach Russland, in die Ukraine, zurück nach Deutschland, in die Schweiz und nach Venedig, und kehrte so in gewisser Weise auch wieder nach Les-Saintes-Maries-de-la-Mer in Südfrankreich zurück, wo sie damals an Land gegangen war. Die Diskette und die Papiere warteten geduldig, während wir nach Rennes-le-Chateau fuhren und uns vorstellten, wie die Pyrenäen wohl damals ausgesehen hatten, als sie sich in die Wildnis dieser majestätischen Gipfel begeben hatte.

      Schließlich kam sie in dem winzigen Appartement mit Blick auf das Mittelmeer, in dem wir auf Paros lebten, noch einmal zu uns, um bestimmte Fragen hinsichtlich einiger Begriffe im Manuskript zu klären. Ohne ihre Erlaubnis änderten wir kein einziges Wort, noch nicht einmal, um grammatikalische Unebenheiten auszubügeln und sie dankte uns für unsere Genauigkeit.

      Wenn die Unwissenheit, in der wir 2000 Jahre gelebt haben, darauf zurückzuführen ist, dass jemand die Worte Jeshuas falsch herausgegeben hat, so wollte ich mein Bestes tun, dass wirklich niemand das missverstehen kann, was sie jetzt zur Richtigstellung der Geschichte zu sagen hatte.

      Ich stellte ihr etliche persönliche Fragen, von denen ich annahm, dass die Leute sie uns stellen würden, wenn wir ihnen das Manuskript zeigten. Ich kenne die Fragen, die vielen Menschen durch den Sinn gehen und wollte von ihr wissen, was ich darauf antworten sollte.

      Meistens sagte sie: »Sage ihnen, Maria Magdalena kommentiert das nicht.«

      Die Fragen, die sie beantwortete, stehen im letzten Abschnitt des Buches.

      Auf der Insel Orcas sprachen wir sie noch ein letztes Mal an. Sie erwähnte die besondere Wichtigkeit des Manuskriptes und seine Bedeutung für die Rückkehr der Kosmischen Mutter. Sie sagte, es sei: »für die ganze Erde, für die Galaxie, für das Universum und darüber hinaus«. Sie sagte auch, dass sie die Menschen aus aller Welt zu dieser Wahrheit rufen würde, und dass alle, die dafür bereit wären, das Manuskript auf die eine oder andere Art finden würden.

      Sie beglückwünscht Sie dafür, den Ruf vernommen zu haben und dankt Ihnen aus tiefstem Herzen, auch im Namen der Kosmischen Mutter, dafür, dass Sie hier sind. Sie sagt, nichts wird mehr so sein, wie es war.

      Das Manuskript der Maria Magdalena

      Ich wuchs mit einem Verständnis von Magie auf. Mein Vater stammte aus Mesopotamien und meine Mutter aus Ägypten. Vor meiner Geburt hatte sie Isis angefleht, sie mit einem Kind zu segnen. Ich bin dieses Kind. Man kannte mich als Maria Magdalena.

      Im Alter von zwölf Jahren sandte man mich zu einer geheimen Schwesternschaft von Eingeweihten, damit ich unter den Fittichen der Isis ausgebildet würde. Ich wurde in den Geheimnissen Ägyptens unterwiesen, in der Alchemie des Horus und in der Sexualmagie des Isis-Kultes. Als ich dem begegnete, den ihr Jeshua nennt, hatte ich alle meine Initiationen durchlaufen. Ich hatte mich für die Begegnung mit ihm am Brunnen vorbereitet.

      Die Evangelien berichten von mir als einer Hure, denn alle Eingeweihten meines Ordens trugen ein goldenes Schlangen-Armband, und man wusste, dass wir uns mit sexueller Magie befassten. In den Augen der Hebräer waren wir damit Huren.

      Als ich Jeshua sah und unsere Augen sich trafen, wusste ich, dass wir für einander bestimmt waren.

      Was ich euch jetzt erzählen werde, war bislang nur denen bekannt, die mit mir waren. Es gibt viele Legenden über das, was geschah. Für mich ist es eine Geschichte tiefster Liebe. Mich berührt es nicht, dass Jeshua eine Vision für die Welt hatte. Meine Geschichte ist eine Liebesgeschichte.

      Viele Menschen folgten Jeshua. Und es gab sehr selten Gelegenheit für uns, allein zu sein.

      Es steht nicht in den Evangelien, denn außer denen, die uns am Nächsten standen, wusste niemand davon. Bevor Jeshua in den Garten von Gethsemane ging, empfingen wir ein Kind, und ihr Name sollte Sar’h sein.

      Die Geschichte, die ich euch erzählen werde, klingt unglaublich.

      Ich erinnere mich an das Schilf in Les-Saintes-Maries-de-la-Mer, obwohl dieser Ort damals natürlich nicht so genannt wurde. Hier ging unser Boot an Land. Sar’h war noch sehr jung. Noch nicht einmal ein Jahr alt. Ich war hin und her gerissen zwischen Kummer und Verwunderung.

      Ich war dabei, als Jeshua gekreuzigt wurde. Ich sah ihn im Grab und seine Mutter und ich wickelten ihn in Tücher. Der Geruch von Myrrhe wird mir ewig unvergesslich bleiben. Es war eine der Essenzen, die wir verwendeten.

      Jeshua erschien mir in seinem strahlenden Licht. Ich traute meinen Augen nicht und berührte deswegen seine Wunden. Die Jünger waren eifersüchtig, dass er zuerst zu mir gekommen war.

      Es war seltsam, dass mein Geliebter in andere Reiche überging, in andere Welten, während ich und unsere Tochter alleine das Mittelmeer überquerten. In Ägypten, wo wir hingegangen waren, war es nicht mehr sicher für uns gewesen.

      Als wir die Küste dessen erreichten, was später Frankreich sein würde, war dort nichts als Wildnis. Wir wurden von Priesterinnen des Isis-Kultes empfangen und zogen dann nach Norden unter den Schutz der Druiden, denn Isis hatte zu ihnen gesprochen, und sie hatten die Aufforderung erhalten, ihre Tochter Sar’h zu beschützen. So eilten wir nach Norden und überquerten ein weiteres großes Wasser, um zu dem späteren England zu gelangen.

      Dort wurden wir im heiligsten Herzen der Druiden verborgen, am »Tor« und in Glastonbury. Obwohl wir hier sicherer waren als in Israel oder Ägypten, reichte der römische Einfluss auch bis nach England und man versteckte uns.

      Wir lebten viele Jahre lang in dieser Gegend, bis Sar’h einen Mann heiratete, von dem dann die Tempelritter abstammen. Ich ging danach Richtung Norden nach Wales und verbrachte den Rest meiner Tage dort, nahe am Meer.

      In jenen Jahren, in denen ich allein am Meer lebte, besuchte mich Jeshua oft. Natürlich war es nicht so wie zuvor,


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