Mögest Du glücklich sein. Laura Malina Seiler

Mögest Du glücklich sein - Laura Malina Seiler


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eigentlich ganz easy. Wenn da nicht dieser Zwischenteil wäre, dass der Geist alles nach oben schwemmt, was bis dahin unterdrückt wurde, wenn er plötzlich nicht mehr von außen abgelenkt ist. Am zweiten Tag fing mein Verstand während der Meditationen plötzlich an, die dramatischsten Szenarien vor meinem inneren Auge abzuspielen. Ich stellte mir vor, wie ich nach den zehn Tagen zurückkommen und mein Freund mich verlassen würde oder er sich gerade in eine wunderschöne Surferin verlieben würde, während ich im Exil war. Oder dass Menschen, die ich liebe, einen Unfall haben würden, dass meinen Geschwistern etwas zustoßen könnte oder dass meine Oma vielleicht plötzlich krank werden würde. Für jede einzelne dieser Szenarien wurde mein Verstand plötzlich unfassbar kreativ, warum es nur so sein könnte und nicht anders. Er fand dafür die absolut logischen Argumente, und plötzlich saß ich da, spürte, wie mir die Tränen in die Augen schossen, wie mein Hals ganz eng wurde und die Angst in jede Zelle meines Körpers strömte. Ich fühlte mich unendlich einsam. Ich fühlte mich verlassen. Ich hatte plötzlich panische Angst, allein gelassen zu werden. Irgendwo in mir war noch ein kleiner Anteil an gesundem Verstand, der versuchte, gegen die Angst anzukämpfen, aber es war so vergebens wie bei Don Quijote, der gegen die Windmühlen antreten wollte.

      Ich versuchte, mir zu sagen, dass das alles absoluter Quatsch sei, den ich mir erzähle, dass alles in Ordnung sei, dass es keinen Grund gäbe, so beunruhigt zu sein. Aber die Angst hatte längst auf die richtigen Knöpfe in mir gedrückt, sodass alles gute Zureden ins Leere lief. Vor lauter Verzweiflung und weil die Angst irgendwann so unerträglich war, fing ich an, sie in meinem Kopf anzuschreien. So laut, dass ich dachte, es müssten bestimmt alle um mich herum hören. Ich schrie die Angst an, sie solle aufhören, mir diese schrecklichen Bilder in den Kopf zu legen. Ich schrie sie an, dass ich sie nicht fühlen wolle. Dass mir das wehtäte. Dass ich diesen Schmerz nicht fühlen wolle. Ich flehte sie an zu gehen. Aber sie ging nicht. Sie blieb sogar recht unbeeindruckt von meinem Bitten. Es bestärkte sie nur. Sie saß neben mir auf meinem Meditationskissen und rührte sich keine Millimeter von mir weg.

       Das Problem ist nie das Problem

      Nach einer schlaflosen Nacht saß ich am dritten Tag völlig zerknittert auf meinem Meditationskissen und fragte mich, wie lange ich das wohl aushalten würde. Falls die nächsten sieben Tage genau so weitergehen würden, würde ich meinen Verstand verlieren. Ich begann, mich über mich selbst zu ärgern. Ich war Coach, verdammt noch mal. Ich hatte doch eine Million Techniken, um mit Ängsten umzugehen. Wie konnte es sein, dass ich mich gerade so hilflos fühlte?

      In einem der wenigen Augenblicke während der Meditation, wo es mir gelang, mich ganz auf meinen Atem zu konzentrieren und mein Nervensystem wieder ein wenig zu beruhigen, sammelte ich mich und überlegte, was meine Möglichkeiten wären. Mein Ego und mein innerer Schweinehund plädierten dafür, so schnell wie möglich meine Sachen zu packen und zu gehen. Abbrechen war für mich aber keine Sekunde eine Option. Das heißt, es blieb nur eine Möglichkeit: Ich musste einen Weg finden, aus meinem Schmerz und aus meiner Angst herauszukommen. Ich wünschte mir so sehr, die zehn Tage wirklich für mich nutzen zu können, aber ich spürte auch, dass ich gerade mit allem rationalem Menschenverstand nicht wirklich weiterkam.

      Also tat ich das Einzige, was mir in diesem Moment möglich schien: Ich bat um ein Wunder. Ich bat darum, eine neue Perspektive auf meine Angst zu bekommen. Ich bat darum, mir ein Zeichen zu schicken, irgendetwas Unwahrscheinliches, damit ich wusste, dass die Angst nur eine Illusion war und ich vertrauen konnte.

      Vertrauen lernen wir genau in den Momenten, wenn wir eigentlich weglaufen wollen. Wenn alles in uns danach schreit, das Weite zu suchen. Wenn uns panische Angst überkommt. Genau in diesen Momenten zu vertrauen, ist die Kunst des erfüllten Lebens. Sich nicht dem Misstrauen hinzugeben, sondern der Liebe zu folgen. Der Stimme in uns, die sagt, es ist alles gut. Du bist beschützt. Auch wenn es sich gerade anders anfühlt, aber vertraue, und du wirst sehen, alles wendet sich zum Guten.

      Als ich um ein Wunder bat, hörte ich auf zu kämpfen. Ich hörte auf, die Angst anzuschreien und sie weghaben zu wollen. Ich hörte auf zu glauben, immer alles wissen zu müssen, für alles eine Lösung haben zu müssen und nie Angst haben zu dürfen. Ich erlaubte mir, die Erfahrung machen zu dürfen und es nicht besser zu wissen. Ich gab mich der Situation hin und öffnete damit das Tor für eine Lösung, die außerhalb meines Verstandes lag. Ich öffnete mich der Möglichkeit, nicht alles allein lösen zu müssen, sondern um Hilfe zu bitten und diese zu empfangen.

      Das Universum lässt nicht lange auf sich warten, wenn wir es um Wunder bitten. In dem Moment, in dem ich losließ, entspannte ich mich und war bereit, meine Angst neu zu betrachten. Mir wurde plötzlich klar, dass die Angstgeschichten, die sich in meinem Kopf abgespielt hatten, nur die Symptome von einer Angst waren, die wesentlich tiefer lag. Ich spürte, wie mein Körper mich durch die Symptome daran erinnerte, woher die Angst eigentlich kam, um sie endlich zu lösen. Mir wurde klar, dass die Angst tief in mir verwurzelt war, so tief, dass ich es gar nicht mehr wahrgenommen hatte. Dadurch dass ich das erste Mal in meinem Leben mit wirklicher Stille konfrontiert war und plötzlich nicht mehr von außen abgelenkt wurde oder mich durch übermäßiges Arbeiten, Konsumieren oder ständiges Checken von Social Media selbst ablenkte, spürte ich sie das erste Mal seit über 20 Jahren wieder ganz klar. Ich begann, mich an den Ursprung der Angst zu erinnern. All die Bilder, die ich in den letzten Tagen in meinem Kopf produziert hatte, hatten dieselbe Wurzel: die tiefe Angst davor, allein gelassen zu werden. Ich hatte dieses Gefühl über so viele Jahre vollkommen unterdrückt, weil es so schmerzhaft war. Angst ist jedoch wie Wasser bei einem sinkenden Schiff, es findet immer den Weg nach oben und zieht irgendwann das ganze Schiff nach unten. Der einzige Weg, um Ängste zu lösen und gehen zu lassen, ist, Licht auf sie zu werfen. Wir müssen den Mut haben, hinzusehen und das Gefühl in seiner Tiefe zuzulassen, um es zu heilen.

       »Deine Aufgabe ist es nicht, nach Liebe zu suchen, sondern einfach alle Schranken in dir selbst zu suchen und zu finden, die du gegen sie erbaut hast.« — Ein Kurs in Wundern

      Während meiner Meditation kamen die Erinnerungen an eine Zeit, die ich komplett aus meinem Bewusstsein gelöscht hatte, die aber dennoch durchweg unbewusst in mir wirkten und der Grund für viele weitere schmerzhafte Erfahrungen waren. Es waren die Erinnerungen an das erste Jahr nach der Scheidung meiner Eltern, die damals so schmerzhaft für mich waren, dass ich sie tief in mir verdrängt hatte. Ich hatte bis zu meinem zehnten Lebensjahr eine perfekte Kindheit gehabt. Ich wuchs zusammen mit meinen beiden Brüdern in einem Internat mit einem wunderschönen Park auf, das mein Vater damals leitete. Mit vier Jahren schenkten mir meine Eltern ein kleines, dickes Pony, das in den nächsten Jahren zu meinem besten Freund wurde. Ich war jeden Tag im Wald, galoppierte über die Felder und ritt sogar mit meinem Pony zum Unterricht. Ich war eine Mischung aus Ronja Räubertochter und Pippi Langstrumpf, ich machte mir um nichts Sorgen. Das Dramatischste, woran ich mich aus diesen Tagen erinnern kann, ist, dass mein älterer Bruder einmal einer meiner Puppen die Haare anzündete, woraufhin ich sein Holzhaus, das er mühevoll zusammen mit seinem besten Freund gebaut hatte, von oben bis unten in pinker Lackfarbe anmalte. Als ich zehn Jahre alt wurde, veränderte sich alles. Es war ein schöner Tag im Sommer, als mein Vater mit mir und meinen Brüdern einen Ausflug ins Schwimmbad machte. Wir waren den ganzen Tag draußen, haben gespielt, gelacht, und als wir abends erschöpft nach Hause kamen, wollte ich meiner Mutter sofort von dem Tag erzählen und von all den tollen Dingen, die wir im Schwimmbad erlebt hatten. Aber in dem Moment, als ich die Tür zu unserem Haus öffnete und im Flur stand, wusste ich, dass irgendwas nicht stimmte. Irgendetwas war anders, etwas fehlte. Der große goldene Spiegel meiner Mutter, der mitten im Flur hing, war nicht mehr da. Ich rief nach ihr, aber auch sie war nicht mehr da. An dem Tag, als wir schwimmen waren, ist meine Mutter ausgezogen, um ein neues Leben anzufangen – und an dem Tag hat sich mein Leben für immer verändert.

      Ich verstand die Welt nicht mehr. Es war, als wäre meine kleine Welt auseinandergebrochen, und ich verlor an diesem Tag das Urvertrauen in die Welt. Ich suchte verzweifelt nach etwas, woran ich mich festhalten konnte oder wodurch ich Sicherheit finden würde, aber da war nur der Schmerz, allein gelassen worden zu sein. Kurze Zeit später zogen wir mit meinem Vater in eine neue Stadt um, ich kam auf eine andere Schule und fühlte mich so fremd in dieser neuen Welt.

      Während der Meditation begann ich, mich plötzlich an


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