Führung in der Technik. Dieter Brendt

Führung in der Technik - Dieter Brendt


Скачать книгу
entlastet werden. Zudem: Mitarbeitende entscheiden sich nicht zu Veränderungsprozessen – diese werden vielmehr ‚verordnet‘. Es resultieren Kontrollverlust, Stress und Verunsicherung: ‚Werde ich die neuen Aufgaben bewältigen können?‘

      Anhand eines Beispiels aus der Praxis lässt sich dieser Gedankengang zumindest nachvollziehen. Die Bereichsleitung eines produzierenden Unternehmens hat permanent und kontinuierlich die Umsetzung ausgewählter Maßnahmen fokussiert, aktuell: die Einführung einer dritten Schicht. Die mittlere Führungsebene verweist auf Probleme bei der Arbeits- und Personalaufteilung sowie auf daraus resultierende Fehlerkosten. Sie und ihre Mitarbeitenden betrachten die angestrebte Umstrukturierungsmaßnahme als einen weiteren Change, der noch unsinniger ist als der vorherige. Selbst diejenigen, die zu Beginn noch motiviert waren, ziehen sich zurück. Als bei der Besprechung zur Einführung der Maßnahme ein Meister halblaut vor sich hin stöhnt ‚Ach, change mich doch am A …‘ löst das nicht nur in der Runde seiner Kollegen ein breites Grinsen aus, sondern wird in Windeseile zu einem geflügelten Wort im ganzen Bereich.“

      1.2 Anforderungen an technische FührungskräfteBelastungsfaktoren von Führungskräften

      FRAGE: „Aber sind es nicht die Meister:innen, die derartige Maßnahmen umzusetzen haben?“

      Externer Coach: „Während Geschäftsführung, Vorstand und/oder Bereichsleitung unternehmerische Verantwortung tragen, Ziele und Vorgaben formulieren und Visionen entwickeln, ist das mittlere Management, wie Sie richtig hinterfragen, für die Umsetzung der Ziele und Vorgaben verantwortlich. Sie befinden sich in einer Sandwichposition zwischen dem höheren Management und den Mitarbeitenden, in der ihre Loyalität sowohl gegenüber dem Unternehmen als auch den Beschäftigten gefragt ist. Sie sind gefordert mit Veränderungsängsten, sozialen und materiellen Bedürfnissen sowie mit Widerständen und Selbstzweifeln ihrer Mitarbeitenden angemessen umzugehen. Ihr Erfolg hängt – nicht nur bei Restrukturierungen – maßgeblich davon ab, inwieweit es ihnen gelingt, sich vor dem Hintergrund eigener Bedürfnisse und Ängste eindeutig zu engagieren, offen und transparent im Rahmen ihrer Möglichkeiten zu kommunizieren und klare Zielvorstellungen zu haben, sowie glaubwürdig zu sein und sich vorbildlich zu verhalten.

      Auf den Punkt gebracht benötigen sie die Fähigkeit, ihren Mitarbeitenden die Notwendigkeit der angestrebten Zielsetzung zu vermitteln und sie aktiv in die Prozesse zur Zielerreichung einzubinden.

      Als Meister:in führen heißt, Menschen dazu anzuleiten, dass sie innerhalb des Bereiches und darüber hinaus unter den Bedingungen wirtschaftlichen Handelns bestimmte Ziele erreichen, auf der inhaltlichen Ebene die Richtung bestimmen und auf der Beziehungsebene Menschen dafür in Bewegung setzen, komplexe Umweltfaktoren jonglieren und das gesamte Vorgehen ethisch vertretbar anpacken.“

      FRAGE: „Welche Kompetenzen und Skills sind erforderlich, bzw. müssen erworben und ausgebaut werden, um diesem Bündel an Erwartungen an das mittlere Management zu entsprechen?“

      Externer Coach: „Als wir vor etwa dreißig Jahren im Seminarprogramm eines Konzerns eine modulare Schulungsreihe für Meister:innen anboten, haben wir bereits postuliert, dass es früher genügte, ein guter Fachmann bzw. gute Fachfrau zu sein, welche(r) vermochte, administrative Vorgänge sauber abzuwickeln und seine/ihre Amtsautorität angemessen zu nutzen.

      Heute (damals 1990) und künftig seien im mittleren Management strategische und soziale KompetenzSoziale Kompetenz sowie persönliche Autorität gefordert. Moderne Meister:innen schaffen Rahmenbedingungen, die es den Mitarbeitenden ermöglichen, ihre Aufgaben selbstständig und effizient zu erfüllen. Abb. 1.4. zeigt, welche Anforderungen aus unserer Sicht nach und nach in den letzten dreißig Jahren an technische Führungskräfte herangetragen wurden und heute von ihnen erwartet werden.

      Gerade in Zeiten von Corona, wo die Fürsorgepflicht gegenüber den Mitarbeitenden eine besondere Bedeutung erlangt, ist anforderungsgerechtes modernes Führungshandeln eine „sine qua non“, eine unbedingte Notwendigkeit.

      Abb. 1.4.: Anforderungen an technische Führungskräfte im Zeitverlauf

      Mit Management-Skills sind Fähigkeiten und Fertigkeiten gemeint, die es Führungskräften ermöglichen, Führungsinstrumente, Techniken und Methoden einzusetzen, um erfolgreiches Führungshandeln im Führungskreislauf zu gewährleisten.

      (Vgl. diesbezüglich unsere Ausführungen zu Ziele setzen – Planen/Entscheiden – Ausführen – Kontrollieren in den Folgekapiteln 2 bis 5).

      Soziale Kompetenz bezieht sich auf eine Reihe von Aspekten, die im Folgenden gelistet sind.

Soziale Kompetenz technischer Führungskräfte
Überzeugend sprechen (rhetorische Fähigkeiten und Fertigkeiten) Ich-Botschaften vermitteln Fragetechnik beherrschen Aktiv und passiv zuhören können Argumentationstechnik (z.B. dialektischer Fünfsatz) anwenden Begeisterungsfähigkeit = intrinsisch motivieren Authentisch auftreten Feedback geben und nehmen

      Tab. 1.2.: Soziale Kompetenz technischer Führungskräfte

      Der letztgenannte Aspekt „FeedbackFeedback geben und nehmen“ weist auf die in Abb. 1.4. genannte Selbstkontrollkompetenz. In diesem Zusammenhang sei auf das sogenannte JOHARI-FensterJOHARI-Fenster (nach Johannes Luft et al.) in Abb. 1.5. hingewiesen:

      Abb. 1.5.: JOHARI-Fenster

      Letztlich geht es darum, mithilfe von Feedback etwas über den im JOHARI-Fenster aufgezeigten blinden Fleck zu erfahren. Selbstkontrollkompetenz zeigt sich darin, dass das Feedback anderer über die eigene Wirkung dazu genutzt wird, sein (Führungs-)Verhalten zu justieren und sich so im kooperativen Miteinander in einem kontinuierlichen Selbstverbesserungsprozess zu optimieren.“

      FRAGE: „Was ist im Hinblick auf Feedback geben und nehmen zu beachten, um mit Selbstkontrollkompetenz das (Führungs-)Handeln zu optimieren?“

      Externer Coach: „In unseren Coachings vermitteln wir unseren Teilnehmenden:

       Wie andere mich wahrnehmen, bleibt mir selbst normalerweise verborgen.

       Ich bin bestrebt, mehr darüber zu erfahren, wie andere mich und mein Verhalten wahrnehmen.

       Wenn ich weiß, wie andere mich wahrnehmen, verstehe ich das Verhalten anderer mir gegenüber besser als bisher.

       Ich lerne und übe, mich selbst und mein Verhalten kritisch zu überprüfen.

       Wenn ich weiß, wie ich auf andere wirke, kann ich mich selbst besser steuern.

       Ich lerne und übe, anderen in konstruktiver Weise sowohl positive als auch kritische Rückmeldungen zu ihrem Verhalten zu geben.

       Als Führungskraft bin ich u.a. auch Coach – einer der wichtigsten Aufgaben eines Coachs besteht darin, offenes Feedback zu geben.

       Ich kann als Coach nur dann wirklich effektiv sein, wenn meine Mitarbeitenden mir mitteilen, wie sie mein Führungsverhalten erleben.

      Um effektiv zu sein, bedarf es der Einhaltung von Regeln.

Regeln für persönliches Feedback
Ich bin OK – Du bist OK (gegenseitige Wertschätzung) Beschreiben – nicht bewerten Immer zuerst positive Rückmeldungen Möglichst konkrete Rückmeldungen geben Jeder spricht für sich selbst Bei Störungen „Signal“ geben Jeder ist für sich verantwortlich Strikte Vertraulichkeit

      Tab. 1.3.: Regeln


Скачать книгу