Ausgewählte Briefe. Gregor der Große

Ausgewählte Briefe - Gregor der Große


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Mühe geben, daß ihn dieselben nicht zu viel in Anspruch nehmen. Deßhalb heißt es mit Recht bei Ezechiel: „Die Priester sollen ihr Haupt nicht kahl scheeren, noch sich das Haar wachsen lassen, sondern sich die Haare ringsherum zuschneiden." 63Denn was bedeuten die Haupthaare als die auf das Aüssere gerichteten Gedanken der Seele? Da jene unbemerkt über dem Scheitel wachsen, so bezeichnen sie die Sorgen für dieses zeitliche Leben, welche aus unbewachtem und lauem Herzen entspringen, ohne daß wir es sonderlich bemerkten, weil sie so un vermuthet kommen. Weil also alle Vorsteher sich mit weltlichen Sorgen befassen müssen, sich aber doch ihnen nicht zu viel hingeben dürfen, darum wird bedeutungsvoll den Priestern ebensowohl verboten, das Haupt kahl zu scheeren, als die Haare wachsen zu lassen; denn sie sollen die irdischen Gedanken hinsichtlich der Lebensweise ihrer Untergebenen weder ganz von sich fern halten noch denselben allzu freien Spielraum lassen. Deßhalb heißt es nicht ohne Grund: „Rings herum sollen sie sich die Haare abschneiden, weil man irdische Sorgen, so weit es nothwendig ist, zulassen, sie aber rechtzeitig beseitigen muß, damit.sie nicht zu sehr Oberhand nehmen. Wenn also einerseits durch sorgfältige Verwaltung der äussern Güter das zeitliche Leben der Untergebenen vor Nachtheil bewahrt und anderseits dem erhabenen Schwung der Seele kein Hinderniß bereitet wird, weil man das Zeitliche mit weiser Mäßigung besorgt — dann bleiben gleichsam die Haare aus dem Haupte des Priesters zur Bedeckung der Haut stehen, werden aber beschnitten, damit sie das Gesicht nicht verhüllen. Auf diesem Stuhle aber sehe ich nicht, wie man diese weise Mäßigung einhalten könnte, da alle Tage so viele Fälle zur Erledigung vorliegen, daß dadurch der Geist erdrückt, der Leib aber getödtet wird. Darum, heiligster Bruder, bitte ich dich bei dem zukünftigen Richter, bei dem Chore der vielen tausend heiligen Engel, bei der triumphirenden Kirche der Erstlingserlösten im Himmel,— unterstütze mich, der ich unter der Last dieses Hirtenamtes zusammensinke, durch die Hilfe Deines Gebetes, auf daß die übernommene Last mich nicht über meine Kräfte beschwere. Eingedenk indessen des Wortes: „Betet für einander, damit ihr das Heil erlanget!" 64spende auch ich, um was ich bitte. Aber möge auch mir zu Theil werden, was ich spende. Denn wenn wir durch gegenseitige Gebetsunterstützungen mit einander verbunden sind, so reichen wir uns gleichsam bei einer Wanderung auf schlüpfrigem Pfade die Hände, und es zeigt dann als herrliche Wirkung der Liebe, daß die Liebe eines jeden Einzelnen umsomehr gekräftigt wird, je mehr Einer auf den Andern sich stützt.

      Weil man aber „mit dem Herzen glaubt zur Gerechtigkeit, während mit dem Munde das Bekenntniß geschieht zur Seligkeit,"65so bekenne ich, daß ich die vier Concilien annehme und verehre wie die vier heiligen Evangelien nämlich: das zu Nicäa, welches die gottlose Lehre des Arius verwirft, das zu Konstantinopel, welches die Irrlehe des Eunomius und Macedonius widerlegt, das erste von Ephesus, auf welchem der Frevel des Nestorius verurtheilt wurde, endlich das von Chalcedon, auf welchem die Bosheit des Eutyches und Dioscorus verdammt worden ist. Mit vollem GIauben stütze ich mich auf dieselben und halte sie mit aufrigtigster Zustimmung aufrecht. Wie auf einem quadratischen Grundstein erhebt sich über denselben der Tempel des hl. Glaubens, und wer immer auf diesen festen Grund sich nicht stützt, sei sein Leben und seine Handlungsweise wie immer beschaffen, der mag zwar ein Baustein zu sein scheinen, aber er ist dem Bau nicht eingefügt — Auch das fünfte Concilium verehre ich auf gleiche Weise; dasselbe verwirft den Brief, der dem Ibas zugeschrieben wird und voll des Irrthums ist; es beweist, daß Theodor,66der die Person des Mittlers zwischen Gott und den Menschen theilt in gottlose Ketzerei verfallen sei; auch verwirft dasselbe die Schriften des Theodoret, welche den Glauben des hl. Cyrillus tadeln wagten, als ein Werk unsinniger Verwegenheit. Alle Personen, welche die genannten verehrungswürdigen Concilien verwerfen, verwerfe auch ich; die sie aber annehmen, nehme auch ich an. Denn da ihre Rechtsgiltigkeit durch allgemeine Übereinstimmung67feststeht, so zieht sich und nicht ihnen den Boden weg, wer immer zu lösen wagt, wen diese Binden, oder zu binden, wen diese lösen. Wer aber anders denkt, der sei im Banne. 68 Wer aber am Glauben der genannten Synoden festhält, dem sei Friede von Gott dem Vater durch Jesus Christus, seinem Sohn, der mit ihm lebt und regiert, gleichwesentlich als Gott in der Einheit des hl. Geistes von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.

       XIII. (26.) An den Patriarchen Athanasius von Antiochia.

      XIII. Gesammtausgabe 26.

      An den Patriarchen Athanasius von Antiochia.

       Inhalt: Der erste Theil ist fast identisch mit dem sechsten Brief dieses Buches. Gregor zeigt noch deutlich seine Verehrung für den heldenmüthigen Beekenner, dessen Recht er schon im Synodalschreiben gewahrt hatte, und sendet ihm Schlüssel des hl. Apostel Petrus. — (Daß der erste Theil des Briefes gleichlautend ist mit Brief 6, hat wohl darin seinen Grund, daß letzterer nicht abgesandt worden, sondern als Concept liegen geblieben war. Siehe 6. Brief.)

      Was die Ruhe für den Müden, die Gesundheit für den Kranken, die Quelle für den Dürstenden, das waren die Briefe Ew. Heiligkeit für mich. Denn jene Worte schien nicht die fleischliche Zunge zu sprechen, sondern ließen so sehr die geistige Liebe, von der sie eingegeben waren, erkennen, als ob die Seele selbst reden würde. Aber was Ihr weiter schreibet, ist sehr hart: Eure Liebe verlangt, daß ich die Last der Erde trage; und während Ihr zuerst mich in geistiger Weise liebet, liebet Ihr mich gleich darauf, wie mir scheint, nach Art dieser Welt und drückt mich durch die auferlegte Last zu Boden, so daß ich ganz die gerade Richtung und den Sinn für die Betrachtung verliere und nicht im Geiste der Weissagung, sondern nach Erfahrung sprechen muß: „Ich bin gebeugt und gar sehr verdemüthigt worden." Denn mich drücken so lästige Geschäfte, daß ich kaum die Seele nach oben zu erheben vermag. Denn wie von vielen Wellen werde ich von Streitigleiten hin- und hergezogen und nach so friedlicher Ruhe vom betäubenden Stürm des Lebens bedrängt, so daß ich mit Recht sagen kann: „Ich bin in die Tiefe des Meeres gekommen, und der Sturm hat mich versenkt.“ Reichet mir in dieser Gefahr durch Euer Gebet die Hand, Ihr, die Ihr am Ufer stehet. Wenn Ihr aber mich den Mund des Herrn und eine Leuchte nennet, von der Ihr behauptet, daß sie Vielen nützen, Vielen leuchten könne, so gestehe ich, Ihr habt mich in den größten Zweifel gestürzt. Erwäge ich nämlich, wer ich bin, so finde ich an mir kein Zeichen solcher Vortrefflichkeit. Erwäge ich aber, wer Ihr seid, so denke ich, Ihr könnt nicht lügen. Wenn ich also Euren Worten glauben will, so lehnt sich meine Armseligkeit dagegen auf. Will ich aber anstreiten, was zu meinem Lob gesagt wird, so steht Eure Heiligkeit dagegen. Aber ich bitte, heiliger Mann, laßt uns diesen Streit durch einen Vergleich dabin beenden, daß Euer Wort Wahrheit werde, weil Ihr es sprächet, obschon es bis jetzt nicht Wahrheit ist. Übrigens habe ich das Synodalschreiben ebenso an Euch wie an die andern Patriarchen als Eure Standesgenossen gerichtet; denn vor mir seid Ihr immer das, wozu euch der allmächtige Gott durch seine Gnadengabe gemacht hat, nicht was die Menschen durch willkürliche Entsetzung aus Euch gemacht haben. Dem Überbringer dieses Briefes, dem Defensor Bonifacius, habe ich Einiges aufgetragen, was er Euch im Geheimen melden soll. Auch übersende ich Euch Schlüssel des Apostels Petrus, der Euch lieb hat; Kranken aufgelegt, pflegen sie durch Wunder zu glänzen.

       XIV. (27.) An den Erzbischof Anastasius von Korinth.

      XIV. Gesammtausgabe 27.

      An den Erzbischof Anastasius von Korinth.69

       Inhalt: Anzeige der Wahl und Weihe. Aufforderung zur Kirchengemeinschaft. Empfehlung des Gesandten an den kaiserlichen Hof.

      So unerforschlich die Gerichte Gottes sind, so furchtbar sind sie für menschliche Gedanken; aber weil die sterbliche Vernunft sie nicht zu begreifen vermag, darum muß sich das Herz ihnen demüthig unterwerfen, und wohin der Wille des Herrn führt, dorthin muß ihm die Seele mit gehorsamen Schritten folgen. Ich wollte nun in der Erwägung, daß meine Schwäche der Erhabenheit des apostolischen Stuhles nicht zu entsprechen vermöge, dieser Last mich entziehen, um nicht in der Ausübung des Hirtenamtes durch zu ungeeignete Verwaltung zu unterliegen. Aber weil man sich dem Befehle des Herrn nicht widersetzen darf, so habe ich mich gehorsam der Arbeit unterzogen, welche die barmherzige Hand des Herrn mir angewiesen hat. Ew. Brüderlichkeit aber hatte ich es, auch wenn sich die gegenwärtige Gelegenheit nicht ergeben hatte, doch nothwendig anzeigen müssen, daß mich der Herr trotz meiner Unwürdigkeit auf den apostolischen Stuhl erhoben habe. Da also sowohl die Natur der


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