Work-Life-Balance. Uta Kirschten
u.a. in der Veränderung der Familienstrukturen spiegelt. Steigende Scheidungsraten, höhere Anteile alleinerziehender Elternteile sowie die zunehmende Verbreitung von sog. „Patchwork-Familien“ waren die Folge.
Im Jahr 2018 wurden ungefähr 150.000 Ehen geschieden und in ca. der Hälfte dieser geschiedenen Ehen lebten minderjährige Kinder (vgl. Patchworkfamilien o.J.). Wenn die Mütter oder Väter nach der Trennung einen neuen Partner finden, mit dem sie zusammenleben, entsteht eine sog. Patchworkfamilie. Das bedeutet, dass die Eltern und die Kinder aus ursprünglich unterschiedlichen Familien kommen und nun zusammenleben. Dabei gibt es sehr viele Variationen einer Patchworkfamilie. (vgl. Patchworkfamilien o.J.)
Diese Entwicklungen veränderten die RollenbilderRollenbilder von Männern und Frauen erheblich. Im Gegensatz zu der früheren klaren Rollenverteilung zwischen Männern als Ernährer und Familienoberhaupt und Frauen als Hausfrau und Mutter herrscht mittlerweile eine große Rollenvielfalt für beide Geschlechter. Die traditionelle Rollenverteilung ist einer individuellen Rollenvielfalt gewichen, die für beide Geschlechter von der jeweiligen Lebenssituation abhängt. Daraus ergibt sich beispielsweise für berufstätige Eltern, dass beide Elternteile sowohl ihre beruflichen Rollenerwartungen, aber auch ihre familiären und sonstigen privaten RollenerwartungenRollenerwartungen erfüllen müssen. Diese Vielfalt der verschiedenen Rollenerwartungen führt allerdings häufig zu mehrfachen Überlastungen und Überforderungen der Rolleninhaber, da die Erwartungen der unterschiedlichen Rollen zeitbedingt oder auch inhaltlich häufig Konflikte auslösen und sich oft nicht gut vereinbaren lassen. Work-Life-Balance Maßnahmen sind hier außerordentlich wichtig, um die inhaltlichen und zeitlichen Erwartungen der verschiedenen Rollen besser vereinbaren zu können.
Ein weiterer beachtenswerter Aspekt besteht in den veränderten Familienstrukturen. So wird ein steigender Anteil der Familien erst relativ spät gegründet, wenn die heute längerdauernde Ausbildung abgeschlossen ist, erste Berufserfahrungen gesammelt wurden und damit die materielle Versorgung und der berufliche Einstieg gesichert sind (vgl. Rost 2004, S. 19). Im Jahr 2019 bekamen Frauen ihr erstes Kind erst mit durchschnittlich 30,1 Jahren, die Geburtenrate lag bei 1,54 Kindern pro Frau. (vgl. Destatis Geburten 2020; Destatis Alter der Mütter 2020). Bedenklich ist der hohe Anteil an Frauen, die kinderlos bleiben. Hierbei unterscheiden sich die Anteile der kinderlosen Frauen im Hinblick auf ihren höchsten beruflichen Bildungsabschluss. Während 21% der Frauen mit einem nicht-akademischen beruflichen Bildungsabschluss in Deutschland kinderlos bleiben, liegt der Anteil bei den Frauen mit einem akademischen beruflichen Bildungsabschluss bei 26% im Jahr 2018 (vgl. Destatis 2019). Besonders hoch sind die Anteile kinderloser Frauen in den Stadtstaaten. Der hohe Anteil der kinderlosen Frauen ist u.a. auf die oft unzureichenden Angebote der Arbeitgeber zur Vereinbarung des Berufslebens mit dem Familienleben sowie auf befürchtete Karrierenachteile der zukünftigen Mütter zurückzuführen.
Frauen der Geburtsjahrgänge 1943 bis 2018 nach Anzahl der Kinder. Quelle: https://www.bib.bund.de/DE/Fakten/Fakt/F26-Kinderzahl-Frauen-Jahrgaenge.html. Abruf: 31.3.2021.
Ein wichtiger Grund hierfür ist die schwierige Vereinbarkeit der eigenen beruflichen Entwicklung mit der Gründung einer eigenen Familie. Auch hier könnten Work-Life-Balance-Maßnahmen der Unternehmen helfen, den Menschen wieder mehr Mut für eine Familie mit Kindern zu geben.
2.2 Digitale Transformation als gesellschaftliche, technologische und wirtschaftliche Herausforderung
Die DigitalisierungDigitalisierung ist aktuell der wesentliche Treiber technologischer Entwicklungen. Sie bewirkt, dass wir uns zu einer digital und global vernetzten Gesellschaft und Wirtschaft entwickeln. Mittlerweile durchdringt die Digitalisierung viele unserer Lebensbereiche und verändert unsere Gesellschaft, unsere Wirtschaft, die Leistungsprozesse, die Unternehmenstätigkeiten und dadurch auch die Arbeitswelt. Eine Schlüsselfunktion hat hierbei die Entwicklung digitaler Technologien und der Künstlichen Intelligenz.
Digitale Technologien und Anwendungsbereiche. Quelle: Eigene Darstellung.
Neue digitale Technologiendigitale Technologien verbunden mit der weltweiten Nutzung des Internets eröffnen vielfältige Möglichkeiten zur Echtzeitvernetzung, Interaktion und Kommunikation zwischen Menschen, Maschinen und Objekten. So entstehen beispielsweise cyber-physische Produktionssysteme (CPS) in der Industrie, neue Geschäfts- und Arbeitsmodelle auf digitalen Märkten und expandierende digitale Informations- und Kommunikationssysteme. (vgl. Ternés 2018, S. 3 ff.; Creusen/Gall/Hackl 2017).
Für die Unternehmen bedeutet die Digitalisierung eine Potenzierung der Komplexität, Vielfalt und Schnelligkeit an Veränderungen sowie ganz unterschiedlichen Einflussfaktoren, mit denen die Märkte und die Unternehmen umgehen müssen. Andererseits versprechen sich die Unternehmen Effizienz- und Effektivitätssteigerungen durch die digitale Transformation und den Einsatz digitaler Technologien im Unternehmen, die u.a. aus den folgenden Entwicklungen resultieren können:
Digitale Technologien verkürzen Entwicklungszyklen für Innovationen.
Digitale Technologien verringern Fehlerquoten durch Echtzeitüberwachung.
Digitale Technologien ermöglichen eine schnellere Fehlererkennung und Reparatur von Störungen.
Digitale Technologien steigern die Produktivität durch den Einsatz von cyber-physischen Produktionssystemen und eine höhere Automatisierung.
Digitale Technologien ermöglichen neue Geschäftsfelder und neue Märkte.
Digitale Technologien ermöglichen neue Formen der Zusammenarbeit und Vernetzung.
Unternehmen und Organisationen können in dieser sich immer schneller entwickelnden digital vernetzten, hoch komplexen und vielfältigen Umwelt (VUKA-UmweltVUKA-Umwelt) nur überleben, wenn sie sich selbst und ihre Mitarbeitenden weiterentwickeln und für den Einsatz digitaler Technologien die notwendigen Kompetenzen aufbauen. Die Veränderungen der Arbeit durch die Digitalisierung und die Entwicklung hin zu einer Arbeitswelt 4.0 werden im Kapitel 2.4 behandelt.
2.3 Marktwirtschaftliche Herausforderungen
2.3.1 Entwicklung zur Informations- und Wissensgesellschaft
Unsere Wirtschaft hat in den letzten rund siebzig Jahren einen deutlichen StrukturwandelStrukturwandel hin zur Dienstleistungs- und Wissensgesellschaft vollzogen.
Die Abbildung 24 zeigt den langfristigen Wandel der Wirtschaftssektoren in Deutschland anhand der Entwicklung der Erwerbstätigen in Deutschland nach Wirtschaftssektoren in Prozent aller Erwerbstätigen. Deutlich wird hier die Veränderung der Struktur der wirtschaftlichen Leistung und Anteile der Wirtschaftssektoren an der Wertschöpfung und Erwerbstätigkeit in Deutschland.
Entwicklung der Erwerbstätigen in Deutschland nach Wirtschaftssektoren in % aller Erwerbstätigen. Quelle: https://www.teachsam.de/politik/Arbeitswelt%20BRD/strukturwandel/mmf/images/erwerbstaetige%20nach%20sektoren%201950%20bis%202014.png. Abruf: 02.04.2021
Im primären Wirtschaftssektorprimären Wirtschaftssektor (Agrarwirtschaft), zu dem die Rohstoffgewinnung und -verarbeitung, die Landwirtschaft, die Forstwirtschaft und die Fischerei gehören, waren zu Beginn der 1950er Jahre ungefähr 25% der Erwerbstätigen beschäftigt. Bis zum Jahr 2017 ist die Bedeutung des primären Sektors in Deutschland drastisch gesunken, hier waren im Jahr 2017 nur noch ca. 1% der Erwerbstätigen beschäftigt. Nicht ganz so stark hat sich die Bedeutung des sekundären Sektorssekundärer Wirtschaftssektor in Deutschland verändert, zu dem das produzierende