Work-Life-Balance. Uta Kirschten

Work-Life-Balance - Uta Kirschten


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in Abstimmung mit dem Arbeitgeber. Dies entspricht dem Wunsch und Verhalten vieler Beschäftigter nach flexiblen Arbeitsmodellen. So ermittelte eine Befragung des Forschungsinstitutes Yougov im Jahr 2014 von 744 beruftätigen Akademikern, dass ca. 20% der Befragten einen Tag am Wochenende arbeiten und jeder Achte Befragte täglich auch nach dem Feierabend arbeitet. Dabei arbeitet die Hälfte der Befragten freiwillig außerhalb der eigentlichen Arbeitszeit. (vgl. Haufe Online Redation 2014). Ähnliche Ergebnisse ermittelte die Befragung zum Thema „Verschmelzung von Arbeits- und Privatleben“ von Randstad im Jahr 2015. So führen knapp 70% der Beschäftigten nach Feierabend manchmal berufliche Telefonate oder versenden berufliche E-Mails, wobei von diesen 70% ebenfalls knapp 70% freiwillig in ihrer eigentlich arbeitsfreien Zeit arbeiten. Allerdings geben knapp 30% der Befragten an, dass diese berufliche Ansprechbarkeit außerhalb der eigentlichen Arbeitszeiten von ihnen erwartet wird. Auch im Urlaub sind immernoch knapp 60% der Befragten beruflich ansprechbar, wobei knapp 66% freiwillig beruflich ansprechbar sind, allerdings von knapp 33% der Befragten dies vom Arbeitgeber erwartet wird. (vgl. Randstad 2015).

      Abbildung 4:

      Befragungsergebnisse zum Thema „Verschmelzung von Arbeits- und Privatleben. Quelle: Randstad 2015: Umfrage randstadkorrespondet 3. Quartal 2015 Obs/Randstad Deutschland. www.presseportal.de/pm/13588/3154675 https://cache.pressmailing.net/content/33dbabd2-4e04-404f-93ee-9816dfb5a0d3/Umfragerandstadkorrespondent_Work-Life-Blending.jpg. Abruf: 25.12.2020.

      Das aktuelle Randstad ArbeitsbarometerRandstad Arbeitsbarometer aus dem Jahr 2020 befragte Beschäftigte aus 34 Ländern u.a. nach ihrer Erreichbarkeit nach Feierabend. Hier gaben 60% der Befragten an, dass sie außerhalb ihrer eigentlichen Arbeitszeit Emails und Anrufe beantworten und 44% reagierten sofort auf berufliche Anfragen. Allerdings wird das bei 43% der Befragten auch vom Arbeitgeber erwartet. (vgl. Randstad 2020). Wie die vorgestellten Umfrageergebnisse zeigen, arbeiten schon viele Beschäftigte auch freiwillig in ihrer Freizeit. Dies scheint den Wunsch aber auch die Akzeptanz einer höheren örtlichen und zeitlichen Flexibilität der Beschäftigten bei der Erfüllung ihrer Arbeitsaufgaben zu bestätigen.

      Mehr Selbstbestimmung: Viele Beschäftigte schätzen auch die höhere Selbstbestimmung, wann und wo sie ihre Arbeitsaufgaben erfüllen, die durch die Konzepte des Work-Life-Blending und der Work-Life-Integration ermöglicht wird. So müssen Beschäftigte nicht ihre Arbeitszeit im Büro „absitzen“, obwohl es gerade nicht so viel zu tun gibt. Stattdessen können die Arbeitszeiten und ggf. auch die Arbeitsorte an aktuelle berufliche Anforderungen und Arbeitsvolumina angepasst werden. Mit der Selbstbestimmung sind auch größere zeitliche und örtliche Freiräume sowie eigene umfangreichere arbeitsbezogenen Gestaltungsmöglichkeiten der Beschäftigten verbunden. Dies fördert bei vielen Beschäftigten ihre Arbeitsmotivation sowie ihre Arbeitszufriedenheit.

      Erleichterte Vereinbarkeit des Arbeitslebens mit dem Privatleben: Die zeitliche und örtliche Flexibilität der Berufstätigkeit ermöglicht eine bessere Vereinbarkeit des Arbeitslebens mit den Anforderungen, Aufgaben und Wünschen des Privatlebens. So können Beschäftigte besser und stressfreier die verschiedenen Anforderungen des Privatlebens (z.B. vorgegebenen Öffnungszeiten von Kindertagesstätten, Ärzten, Behörden) mit den Anforderungen ihrer Berufstätigkeit abstimmen. Dies erleichtert auch die Entscheidung, auch mit einer Familie umfangreich berufstätig zu sein bzw. auch bei einer anspruchsvollen (Voll)zeitätigkeit über die Gründung einer Familie nachzudenken, was vor allem für Frauen auch heute noch ein belastendes Konfliktfeld darstellt. Darüber hinaus können so auch bestehende Fachkräfteengpässe reduziert werden, da bestehende Fachkräftepotenziale durch die örtliche und zeitliche Flexibilität der Berufstätigkeit stärker ausgeschöpft werden können.

      Höhere Produktivität der Beschäftigten: Können die Beschäftigten ihre Arbeitszeiten selbstbestimmter auch auf ihre privaten Anforderungen und persönlichen Arbeitsrhythmen abstimmen, so fördert dies auch die Produktivität der Aufgabenbewältigung der Mitarbeitenden. Dadurch können die individuellen besonders leistungsstarken Zeiten für berufliche Aufgaben genutzt werden, ohne sich an vorgegebenen feste Arbeitszeiten halten zu müssen. Andererseits können in Abstimmung mit den privaten Anforderungen und Aufgaben diejenigen Zeiten für berufliche Aufgaben genutzt werden, in denen geringe oder gar keine privaten Anforderungen bestehen.

      Insgesamt werden die Konzepte des Work-Life-Blending und der Work-Life-Integration oft als zeitgemäße und zukunftsfähige Arbeitsmodelle bewertet, die den Wünschen aber auch Anforderungen der Beschäftigten nach einer höheren zeitlichen und örtlichen Flexibilität ihrer Berufstätigkeit entsprechen, gleichzeitig die Vereinbarkeit der verschiedenen Lebenswelten erleichtern sowie die Selbstbestimmung der Beschäftigten aber auch die Gestaltungsmöglichkeiten der verschiedenen Lebenswelten erhöhen.

      Kritikpunkte

      Neben den gerade vorgestellten Vorteilen und positiven Argumenten für den Einsatz von Work-Life-Blending und Work-Life-Integration werden in der Literatur auch viele kritische Argumente diskutiert, die gegen die Umsetzung der Konzepte sprechen (vgl. z.B. Scholz 2018). Zu den wesentlichen Kritikpunkten gehören insbesondere die folgenden:

      Entgrenzung der Lebenswelten: Ein zentraler Kritikpunkt besteht darin, dass die Verschmelzung des Arbeitslebens mit dem Privatleben zu einer Entgrenzung der Lebenswelten führt. Der Preis für die zeitliche und örtliche Flexibilität bei der Bewältigung der beruflichen und privaten Anforderungen und Aufgaben sowie der individuellen Zeiteinteilung besteht in einer dauerhaften Arbeitsbereitschaft der Beschäftigten, auch während der eigentlich erwerbsarbeitsfreien Zeiten. Damit wird das Privatleben von dem Berufsleben vereinnahmt mit der Gefahr, im Berufsleben unterzugehen und seine eigenständige Bedeutung zu verlieren. Dies wiederum kann die Unterordnung des Privatlebens unter das Berufsleben fördern, was der Vereinbarkeit beider Lebenswelten widerspricht.

      Selbstausbeutung durch steigende Arbeitszeiten und Überstunden: Die Dominanz des Berufslebens sowie die ständige Erreichbarkeit fördern steigenden Arbeitszeiten und Überstunden der Beschäftigten, die für die örtliche und zeitliche Flexibilität in Kauf genommen werden. Werden nach Feierabend oder im Urlaub häufig zwischendurch berufliche Aufgaben bearbeitet, so erschwert dies den Überblick und die Erfassung der tatsächlichen Arbeitszeiten mit der Folge, dass Beschäftigte weit mehr arbeiten, als in ihrem Arbeitsvertrag vereinbart und ggf. auch bezahlt wird. Dies kann zu einer Selbstausbeutung der Beschäftigten führen, die den Arbeitgebern zugutekommt, für die Beschäftigten jedoch dauerhaft von Nachteil ist.

      Gesundheitliche Beeinträchtigungen durch dauerhafte Überlastung: Mögliche Überstunden und auch die permanente berufliche Ansprechbarkeit, also quasi der permanente „berufliche Stand-by-Modus“, verhindern das Abschalten vom Beruf und die Regeneration der Beschäftigten in ihrer Freizeit. Verbunden mit einem kontinuierlich hohen Arbeitspensum kann dies zu dauerhaftem beruflichen Stress und Überlastung führen. Diese wiederum können – auf Dauer – die physische und psychische Gesundheit der Beschäftigten beeinträchtigen (z.B. Schlafstörungen, ständige Orientierung auf berufliche Aufgaben oder Projekte, zu geringe Regenerationsmöglichkeiten) und bei dauerhafter Überlastung auch zum Arbeitsausfall der Beschäftigten führen.

      Das Privatleben leidet: Durch die Dominanz des Berufslebens leidet das Privatleben der Beschäftigten, da ein Teil der Aufmerksamkeit immer der Arbeit gewidmet ist. Auch besteht die Gefahr, dass das Privatleben seine eigenständige Bedeutung verliert und dass private Anliegen dem Berufsleben untergeordnet werden. Dies kann zu privaten Konflikten mit Partnern, Freunden, Kindern oder betreuungsbedürftigen Familienangehörigen führen, wodurch die Vereinbarkeit der verschiedenen Lebenswelten wiederum erschwert wird. Im Extremfall fällt das Privatleben dem Job zum Opfer. (Scholz 2018; Existenzgründer Lexikon: Work-Life-Blending 2020).

      Arbeitgeber vereinnahmen die Beschäftigten: Je umfangreicher die Erreichbarkeit der


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