Work-Life-Balance. Uta Kirschten
über die eigene Berufstätigkeit der Frauen begünstigt. Dies hatte zur Folge, dass seit den 1970er Jahren die Anzahl der Eheschließungen sowie die Kinderzahl pro Frau zurückgingen. Demgegenüber stieg der Anteil der Scheidungen an und viele Frauen bekamen ihr erstes Kind erst in höherem Alter. Ebenso nahm der Anteil der kinderlosen Frauen zu. Heute weist Westdeutschland weltweit den höchsten Anteil an kinderlosen Frauen auf (vgl. demografie-portal.de. Zusammengefasste Geburtenziffer). Vor allem hochqualifizierte Frauen haben sich immer öfter gegen Kinder und Familie und stattdessen für ihren Beruf und ihre Karriere entschieden, was wesentlich auf die unzureichende Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie die fehlenden Kinderbetreuungsmöglichkeiten zurückzuführen ist (vgl. Demografie-portal.de. Zusammengefasste Geburtenziffer).
Auch in Ostdeutschland gingen die Geburten zwischen 1965 und 1975 aufgrund der Verbreitung von Verhütungsmitteln und ab 1972 erlaubten Schwangerschaftsabbrüche deutlich zurück. Aufgrund familienpolitischer Initiativen der DDR, wie z.B. Ehekrediten und Geburtenbeihilfen stiegen die Geburtenzahlen in den folgenden Jahren wieder an. Nach der Wiedervereinigung Deutschlands sank die Geburtenziffer ab Mitte der 1990er Jahre in Ostdeutschland erheblich, was auch auf die vielfältigen Veränderungen und Unsicherheiten sowie die wirtschaftlichen Einschnitte in Ostdeutschland zurückzuführen ist. Seit der Jahrtausendwende steigen die Geburten in Ostdeutschland wieder an und lagen im Jahr 2015 mit 1,52 Geburten je Frau etwas höher als in Westdeutschland mit 1,50 Geburten je Frau. (vgl. Demografie-portal.de. Zusammengefasste Geburtenziffer).
Insgesamt sind die dauerhaft niedrigen Geburtenziffern eine wesentliche Ursache für die zunehmende Alterung und die langfristige Schrumpfung der deutschen Bevölkerung. So führen die niedrigen Geburtenziffern zu einem erheblichen Rückgang junger Menschen in Deutschland und einer deutlichen Verschiebung der Altersstrukturen hin zu älteren und hochaltrigen Menschen in Deutschland. Unterstützt wird diese Entwicklung durch das gute Gesundheitssystem, eine gesündere Lebensweise und eine insgesamt steigende Lebenserwartung der deutschen Bevölkerung. Vor allem der steigende Anteil älterer Menschen stellt die Sozialpolitik in den nächsten Jahrzehnten vor große Herausforderungen, da die zahlenmäßig stärkste Baby-Boomer-Generation in den nächsten Jahren in den Ruhestand gehen wird (vgl. Sozialpolitik aktuell o.J.).
2.1.1.5 Veränderung der Bevölkerung nach Altersgruppen 2018 bis 2060
Wie die Abbildung 14 mit den Daten der 14. Koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung zeigt, hat und wird sich die Altersstruktur der deutschen Bevölkerung im Zeitraum von 1970 bis 2060 erheblich verändern.
Bevölkerungsentwicklung nach Altersstrukturen von 1970 bis 2060. Quelle: BPB Altersstruktur 2019
Der Anteil der unter 20-Jährigen lag 1970 bei 29,7 %, im Jahr 2017 bei 18,4 % und wird nach den aktuellen Berechnungen bis zum Jahr 2060 auf einem ähnlichen Niveau bei 18,0 % verharren. Demgegenüber wird der Anteil der über 67-Jährigen von 11,1 % im Jahr 1970 bis zum Jahr 2060 vermutlich auf 27,4 % ansteigen. Die Altersgruppe der Erwerbstätigen zwischen 20 und 67 Jahren ist von 59,2% im Jahr 1970 auf 62,5% im Jahr 2018 angestiegen und wird bis zum Jahr 2060 vermutlich auf 54,6 % zurückgehen. (vgl. Statistisches Bundesamt 2018; BPB Altersstruktur 2019).
Die Anzahl der HochaltrigenHochaltrige wird sich zukünftig auch stark erhöhen. Betrug der Anteil der Hochaltrigen im Jahr 1970 nur 1,9 % (1,2 Millionen Menschen), so stieg er bis zum Jahr 2017 auf 6,2 % (6,2 Millionen Menschen) der Bevölkerung und wird sich vermutlich bis zum Jahr 2050 auf 12,1 % (9,7 Millionen Menschen) erhöhen, um dann bis zum Jahr 2060 auf 11,3 % (8,8 Millionen Menschen) etwas zurückzugehen (vgl. BPB Altersstruktur 2019).
Insgesamt wird mit einem Bevölkerungsanstieg bis zum Jahr 2024 auf 83,7 Millionen Menschen gerechnet, der bis zum Jahr 2060 wieder auf ca. 78,2 Millionen Menschen zurückgehen wird.
2.1.1.6 Erwerbsbevölkerung
Nach der internationalen Definition umfasst die ErwerbsbevölkerungErwerbsbevölkerung alle Menschen im erwerbsfähigen Alter von 15 Jahren bis unter 75 Jahren (vgl. BIB 2019). Seit 1950 ist die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter (15 -74 Jahre) in Deutschland stetig gewachsen. Im Jahr 2005 erreichte sie ihren Höchststand mit 64 Millionen Erwerbsfähigen. In den folgenden Jahren ging die Erwerbsbevölkerung Demografie bedingt wieder zurück und belief sich im Jahr 2018 auf 62,2 Millionen Menschen (vgl. BIB 2019). Bis zum Jahr 2050 wird mit einem weiteren Rückgang der Erwerbsbevölkerung um 6,1 Millionen Personen auf 56,1 Millionen Menschen gerechnet; diese entspricht der Erwerbsbevölkerung des Jahres 1968. Dieser Rückgang wird sich vermutlich auch bei einer steigenden zukünftigen Zuwanderung nach Deutschland fortsetzen.
Neben dem absoluten Rückgang der Erwerbsbevölkerung verschieben sich auch die Anteile der Altersgruppen der Erwerbsbevölkerung in den nächsten Jahrzehnten, wie die Abbildung 15 zeigt. Besonders gravierend ist der steigende Anteil der Erwerbspersonen im Alter von 60 bis 74 Jahre, ihr Anteil wird voraussichtlich von 22% im Jahr 2018 auf 27% im Jahr 2060 deutlich zunehmen. Auch der Anteil der Erwerbstätigen zwischen 45 und 59 Jahren wird von vermutlich von 31% im Jahr 2018 auf 27% im Jahr 2060 zurückgehen. Die Erwerbsbevölkerung im Alter von 30 bis 44 Jahren nimmt vermutlich nur um 1% von 25% auf 24% bis zum Jahr 2060 ab und die junge Erwerbsbevölkerung im Alter von 15 bis 29 wird wohl bei einem Anteil von 22% an der Erwerbsbevölkerung stagnieren. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Anzahl der jungen und mittelalten Erwerbsbevölkerung faktisch abnehmen wird, da sich die Gesamtzahl der Erwerbsbevölkerung verringert. Hier müssen also zwei Effekte berücksichtigt werden: Erstens schrumpft die absolute Anzahl der Erwerbsbevölkerung in Deutschland. Zweitens nimmt der Anteil der älteren Erwerbstätigen bis zum Jahr 2030 deutlich zu, d.h. bis der geburtenstarke Baby-Boomer-Jahrgang in den Ruhestand gehen wird. In den darauffolgenden Jahren wird die Erwerbsbevölkerung insgesamt zurückgehen und zeitweise leicht jünger werden (vgl. BIB 2019).
Erwerbsbevölkerung nach Altersgruppen 1960 bis 2050. Quelle: BIB 2019: www.demografie-portal.de/SharedDocs/Informieren/DE/ZahlenFakten/Erwerbsbevoelkerung_Altersgruppen.html. Abruf: 13.09.2020; 25.01.2021.
Die prognostizierten Veränderungen der deutschen Bevölkerungen haben vielfältige Auswirkungen auf die Gesellschaft, die Menschen und auch auf die Unternehmen.
Gesellschaftliche Auswirkungen
Wie die vorangegangene Datenanalyse belegt, befindet sich Deutschland bereits mitten im demografischen Wandeldemografischer Wandel. Heute sind 50% der deutschen Bevölkerung älter 45 Jahre und 20% der deutschen Bevölkerung sind älter als 66 Jahre (vgl. Destatis Demografischer Wandel 2020).
Diese starke Zunahme an älteren Menschen resultiert aus dem Altern der heute zahlenmäßig dominierenden mittleren Jahrgänge. Zusätzlich hat sich die Lebenserwartung der deutschen Bevölkerung erhöht, was dazu führt, dass der Anteil der Hochaltrigen, d.h. der über 80-jährigen Menschen im Jahr 2017 bei 5,2 Millionen bzw. 6.2% lag, bis zum Jahr 2050 auf 9,7 Millionen Menschen bzw. 12,1% ansteigen und im Jahr 2060 auf 8,8 Millionen Menschen bzw. 11,3% zurückgehen wird (vgl. BPB Altersstruktur 2019). Die Zahl der Menschen im Alter ab 67 Jahren wird von 19,1% im Jahr 2018 auf 27,4% im Jahr 2060 stark ansteigen. Demgegenüber wird der Anteil der unter 20-Jährigen ähnlich niedrig bleiben (2018: 18,4%, 2060: 18.0%). (vgl. BPB Altersstruktur 2019). Diese Entwicklung der AltersstrukturenAltersstrukturen bedeutet für unsere Gesellschaft mehrfache große Herausforderungen.
Sicherung des Generationenvertrages der gesetzlichen Rentenversicherung in Deutschland
Besonders betroffen von der Entwicklung der Altersstrukturen ist die gesetzliche Rentenversicherung in Deutschland. Seit 1957 finanziert sich die gesetzliche Rentenversicherung überwiegend durch ein Umlageverfahren, das auch als GenerationenvertragGenerationenvertrag