Unsterblich?!. Werner Huemer

Unsterblich?! - Werner Huemer


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Schäden sind irreversibel.

      • Eine Kryo-Konservierung könnte nur Aussicht auf Erfolg haben, wenn der lebende Mensch schockgefroren wird. Eine dafür geeignete Technologie gibt es (noch) nicht.

      • Es gibt Einflüsse, zum Beispiel die natürliche Radioaktivität, die auch im gefrorenen Zustand das Erbgut nach und nach schädigen.

      Die dauerhafte oder sich über Tausende Jahre erstreckende Konservierung eines Körpers ist deshalb nicht möglich.

      • Nach der (fiktiven) Wiederbelebung des Menschen würden sein körperlicher Zustand, sein Alter und seine Lebenserwartung bestenfalls den Gegebenheiten vor dem Schockfrieren entsprechen. Es gibt grundsätzlich keine Möglichkeit, einen bereits erfolgten Alterungsprozess rückgängig zu machen.

      • Es ist nicht zweifelsfrei belegt, dass Bewusstsein allein aus der Gehirntätigkeit resultiert.

      Aber natürlich darf jeder Mensch träumen. Wenn Dr. Leonard McCoy, der gute alte „Pille“ (oder „Bones“), im Raumschiff Enterprise alle Krankheiten im Handumdrehen mit Hilfe eines seltsam piepsenden kleinen Plastikdings heilt oder menschliches Bewusstsein flugs per Datenstrom in eine Maschine übertragen wird – warum sollte das nicht irgendwann auch wirklich so funktionieren?

      Die harten Trennlinien zwischen „Science“ und „Science fiction“ sind heute in der allgemeinen Wahrnehmung schon sehr verschwommen. Davon profitiert – nicht nur in der Kryonik – die Wild-West-Weltauffassung des 21. Jahrhunderts.

      Es lebe Arizona!

      Haken wir die Kryonik (in der Biologie wird sie eigentlich „Kryo-Konservation“ genannt; eine Gefrier-Technik zum Aufbewahren lebender Zellen) als besonders auffälligen Ausbruch von Machbarkeitswahn ab. Zur Unsterblichkeit verhilft sie mit Sicherheit nicht.

      Der inzwischen schon mehrere Jahrhunderte alte menschliche Traum, den Tod mit Hilfe von Medizin und Technik zu überwinden, treibt allerdings auch gefälligere Blüten. Denn dass jedes Lebewesen ein Sterbewesen sein muss, wollen viele Forscher nicht akzeptieren, und es sollte nicht verwundern, wenn die Pharmaindustrie schon demnächst das Altern als Krankheit definiert und mit Pillen gegen dieses Leiden Milliardengeschäfte macht.

      Noch ist es freilich nicht soweit. Noch sind nicht einmal alle wichtigen Details bekannt, die den Alterungsprozess steuern.

      Grundsätzlich ist das Altern ja – im Sinne der Entwicklung – nichts Schlechtes. Schließlich kommen wir als weitgehend unselbständige Lebewesen auf die Welt und müssen älter werden, um irgendwann erwachsen zu sein und uns fortpflanzen zu können. Bis zu genau diesem Punkt werden wir von der Natur auch ausgezeichnet unterstützt. Die physische Leistungsfähigkeit nimmt zu, und psychisch betrachtet fühlt der Jugendliche sich im Grunde so, als hätte er das ewige Leben für sich gepachtet. Als könne ihn nichts und niemand aus der Bahn werfen.

      Nach diesem Aufblühen allerdings, sobald für die Arterhaltung gesorgt ist, scheint der einzelne Mensch der Natur, sofern man nur die körperlichen Aspekte in Betracht zieht, ziemlich gleichgültig zu sein. Das „alte Leben“ muss nicht mehr erhalten werden, wenn einmal die Baupläne für das „neue Leben“ weitergegeben worden sind. Der langsame Verfall beginnt. Und er endet ein paar Jahrzehnte später unausweichlich mit dem Tod.

      Aber muss der Mensch sich diesem Schicksal fügen? Wenn die genetische Ausstattung unseres Körpers im Wesentlichen nur auf die Arterhaltung ausgerichtet ist – dann ist es wohl legitim und naheliegend, dass wir kraft unserer Intelligenz ganz gezielt jene Lebensspanne fördern und verlängern, die durch die Natur vernachlässigt wurde. Oder?

      Mit solchen Gedanken im Hintergrund erforschen heute weltweit Biologen den Alterungsprozess. Ihr Ziel ist es, weitere Möglichkeiten zu entdecken, um den biologischen Verfall wenigstens zu verlangsamen. „Weitere“ deshalb, weil sich, umfassender betrachtet, eigentlich schon einiges zugunsten des menschlichen Individuums verändert hat. In den letzten 100 Jahren verdoppelte (!) sich in Deutschland die Lebenserwartung. Hygiene und Ernährung sowie eine viel bessere medizinische Versorgung dürften dafür verantwortlich sein. Aber es sollte eben noch weitere Ansatzpunkte geben – wobei es natürlich nicht nur um die Lebensdauer, sondern auch um die Lebensqualität gehen muss. Das erste Kind mit 50, Ruhestand mit 90, Sterben mit 130 – vielleicht wird das in wenigen Generationen ganz normal sein. Möglicherweise wird es dann ja die Pille gegen das Altern geben.

      Voraussetzung dafür wäre allerdings, dass es gelingt, die Mechanismen des Alterns zu durchschauen. Warum wir altern und was dabei genau geschieht, konnte nämlich bis heute nicht endgültig geklärt werden.

      Fest steht, dass die Entwicklung des menschlichen Körpers im Alter von etwa 20 Jahren ihren Höhepunkt erreicht. Der Organismus ist dann voll ausgereift und kann etwa zehn Jahre lang das Maximum seiner Leistungsfähigkeit behalten.

      Danach weist die Kurve der „Lebenskraft“ immer weiter nach unten: Die Muskeln verlieren mehr und mehr Zellen, die Haut wird schlaffer und faltiger, die Augenlinsen werden unelastischer, der Körper lagert vermehrt Fett ein, die Atemkapazität nimmt ab, ebenso die Leistung des Herzens. Gewebe, Organe und Organsysteme zeigen Verschleiß- und Vergiftungserscheinungen. Aber weshalb das alles? Führen äußere Einflüsse dazu? Wo tickt die biologische Uhr in uns? Gibt es ein genetisches Programm, das den Tod der Körperzellen vorsieht? Oder die zunehmende Beschränkung der Regenerationsfähigkeit? Weshalb reicht diese Fähigkeit zwar bis ins hohe Alter zum Überleben (etwa, wenn Wunden heilen), aber schon viel früher nicht mehr für ein optimales Funktionieren aller Organe?

      Will man Naturgegebenheiten lenken, muss man sich einen Zugang zu deren Funktionsprinzipien erschließen, klar. Aber wo liegt in diesem Fall der Schlüssel?

      Versuche mit Fadenwürmern, die in Kalifornien (USA) durchgeführt wurden, haben gezeigt, dass diese Tiere, die üblicherweise nur zwei Wochen lang leben, mit einem veränderten Gen plötzlich doppelt so alt wurden – und das unter wesentlich besseren Umständen. Sie alterten deutlich langsamer. Es war so, als würde sich ein 90-jähriger Mensch wie ein 45-jähriger bewegen.

      Die langlebigen Fadenwürmer hatten einen anderen Hormonhaushalt, weniger Insulin im Blut. Das zeigte sich als zentraler Unterschied zu den kurzlebigen. Insulin regelt die Neubildung von Zellen. Kann man daraus schließen, dass auch Menschen bei verändertem Insulinhaushalt langsamer altern? Untersuchungen von Familien, deren Mitglieder besonders alt werden, weisen darauf hin. Und es scheint diesbezüglich auch Zusammenhänge zwischen der Ernährung (unter anderem geht es hierbei um den Kohlehydrate- sowie Zuckerkonsum) und der Lebensdauer zu geben.

      Für eine weitere Entdeckung, die kürzlich die Alterungsforschung beflügelte, sorgte ein kleines Süßwassertierchen, „Hydra“ genannt. Erstaunlicherweise, so fanden Biologen heraus, gibt es bei den Hydren offenbar keinen Alterungsprozess. Die Tiere bleiben gleichermaßen vital und sterben nicht. Ein Geheimnis liegt darin, dass außerordentlich viele Zellen im Körper dieses Tierchens Stammzellencharakter haben. Stammzellen können sich immer wieder teilen. Aus ihnen können entweder Tochterzellen entstehen, die abermals Stammzellencharakter besitzen, oder auch normale Körperzellen. Bei den Hydren sorgen die Stammzellen dafür, dass sich die Tiere im 30-Tage-Rhythmus komplett erneuern.

      Bei uns Menschen werden die Stammzellen auch im Alter noch aktiv, sobald irgend etwas repariert werden soll. Dieser Effekt wird bereits medizinisch genutzt. Es gab schon erfolgreiche Herzoperationen, bei denen Patienten eigens gezüchtete Stammzellen in den Herzmuskel injiziert wurden. Die Organfunktion verbesserte sich dadurch dramatisch. Manche Forscher träumen nun sogar davon, mit Hilfe von Stammzellen, die ja Körperzellen produzieren können, komplette Herzen nachwachsen zu lassen.

      Interessanterweise fand man jenes Gen – „FoxO“ genannt –, das im Süßwassertierchen „Hydra“ das Altern verhindert, auch im menschlichen Erbgut. Es steuert den Energiehaushalt der Zellen. Und es ist, wie Studien gezeigt haben, in der DNA von Greisen besonders aktiv. Daneben wurden noch drei weitere Gene gefunden, die für die Langlebigkeit eine Rolle spielen könnten. Vermutlich gibt es noch viel mehr. Sie alle zusammen genommen dürften aber nur zu etwa einem Drittel für das Alter maßgeblich


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