Management 4.0 – Vorbereitung auf die Zukunft. Klaus Fetka
haben diese Einschätzung für Europa bestätigt, was für die Spezialisten nicht schwer herauszufinden war, denn wir sind bereits mittendrin in dieser Entwicklung und lassen uns nun gemütlich von ihr hin- und herschaukeln.
Warum verschwinden Berufe? Ausschlaggebend ist der Wandel in Technik, Arbeitsorganisation und Wirtschaft. Auch fehlende Nachfrage oder die billig produzierende Konkurrenz aus Asien verändert die weltweite Berufs- und Produktionslandschaft. Von den 900 Berufen der Nachkriegszeit sind in Deutschland gerade mal 345 geblieben, in Österreich sind es etwas mehr als 200. Werden über mehrere Jahre hinweg in einem Beruf keine Anfänger mehr ausgebildet oder ist er nicht mehr zeitgemäß, wird er ersetzt oder abgeschafft. Die Branche teilt uns mit, welche Berufe sie nicht mehr benötigt. 2011 verschwand zum Beispiel der Handschuhmacher, 2010 der Emaille-Schriftenmacher, 2009 der Schiffszimmerer, 2008 der Schirmmacher. Mit den Berufen verschwindet auch ein Stück Kultur. Manchmal regt sich Widerstand. Der Geigenbauer ist so ein Beispiel, ein Traditionsberuf, doch eigentlich kaum noch benötigt. Nicht immer ist verschwunden, was in den Listen der Ausbildungsmöglichkeiten nicht mehr auftaucht. Die Branchen modernisieren die Berufe und ändern die Ausbildung, um sie zu retten und den heutigen Gegebenheiten anzupassen. 2013 starben in Deutschland gleich elf Metallberufe aus. Sie alle werden dann vom neuen und modernisierten Beruf der Fachkraft für Metalltechnik ersetzt.
Der Geomatiker erledigt nun, was einst Vermessungstechniker, Bergvermessungstechniker und Kartografen taten. Und der altmodische Müller hat vor fünf Jahren den Zusatz „Verfahrenstechnologe in der Mühlen- und Futtermittelwirtschaft“ bekommen. Das beschreibt wohl eher, was auf moderne Müller zukommt. Auch das Verhältnis der Anteile Produktion zu Dienstleistung und Service verschiebt sich zunehmend: Bei produktionsbezogenen Berufen gehen die Experten von einem Rückgang aus. Das verarbeitende Gewerbe ist ein wichtiger Abnehmer von Dienstleistungen und hat damit einen wesentlichen Einfluss auf das Wachstum des Dienstleistungssektors. Umgekehrt sind die Impulse, die von Dienstleistungen auf das verarbeitende Gewerbe ausgehen, geringer. Zahlreiche Studien haben auf dieses Zusammenspiel von Industrie und Dienstleistungen hingewiesen, in der wirtschaftspolitischen Debatte werden diese Zusammenhänge aber immer noch viel zu wenig beachtet und dementsprechend mangelhaft sind Unternehmen und Menschen informiert geschweige denn vorbereitet. Eine eindimensionale Beurteilung der Triebfedern des wirtschaftlichen Wachstums allein auf der Basis der Wirtschaftsstruktur einer Volkswirtschaft greift zu kurz. Sie unterschätzt die Bedeutung des verarbeitenden Gewerbes und überschätzt diejenige des Dienstleistungssektors, was einen Rückgang an Technikerberufen unmittelbar zur Folge hat.
Das Arbeitsrecht ist „Out of Time“
Heute versuchen viele Unternehmen verzweifelt, die Arbeitswelt und deren Realitäten mit einem kasuistischen, übernormierten und zersplitterten Arbeitsrecht in Einklang zu bringen. Das ist eine sportliche Übung, denn zeitlich begrenzte Projektteams und Arbeitsgemeinschaften vermehren sich ebenso wie Möglichkeiten des Leasings von Arbeit und von Formen der Zusammenarbeit in wechselnden Funktionsbezügen. Dem Abbau von Arbeitskräften in der Industrie stehen beispielsweise wachsende Beschäftigungsfelder in den industrienahen Dienstleistungen gegenüber, die zusätzlich zur fachlichen Qualifikation unternehmerische Fähigkeiten voraussetzen. Die Sicherheit von verbeamteten Beschäftigungsverhältnissen wird obsolet, wenn das Verhältnis von Leistung und Kosten in Hinblick auf die globale Wettbewerbssituation nicht mehr stimmt – dies gilt nicht nur für den einzelnen Arbeitsplatz, sondern auch für Unternehmen und die Gesellschaft als Ganzes.
Diese neue Welt der Arbeit erfordert die Fähigkeit und die Bereitschaft, sich in wechselnde Arbeits- und Berufsumgebungen zu integrieren, eigene Leistungen und deren Nutzen zu präsentieren, zu vermarkten und auch in Zeiten wachsender äußerer Unsicherheit durch die Fähigkeit zur Orientierung, zur Weiterqualifizierung und durch unternehmerisches Handeln eine individuell abgestützte Sicherheit zu finden. Es ist die Aufgabe von Schule und Bildungswesen, junge Menschen mit dem für Leben und Beruf erforderlichen Wissen und Können auszustatten. Aus den oben beschriebenen Entwicklungen bzw. längst schon Realitäten ergibt sich die Verantwortung, auf Tempo und Tiefgang dieser Veränderungen in der Berufs- und Arbeitswelt hinzuweisen und endlich daran zu arbeiten, jene Fähigkeiten und Einstellungen zu entwickeln, die es jungen Menschen ermöglichen, in einem real gegebenen Berufsumfeld ihren selbstbestimmten Weg zu gestalten.
Hire slow, fire fast – Wissen ist Macht
Sourcing ist HR- und Management-Aufgabe Nummer eins. Peter Drucker schrieb vor einigen Jahren in einem Artikel im Harvard Business Review: “the only comparative advantage of the developed countries is in the supply of knowledge workers”. Der Schwerpunkt künftiger Managementtätigkeit liege darin, Wissensressourcen im Unternehmen nutzbar zu machen. Wissen ist allerdings eine äußerst mobile Ressource: Sie befindet sich in den Köpfen der Mitarbeiter und kann beim Verlassen des Unternehmens problemlos mitgenommen werden. Das macht das Management dieser Ressource schwierig.
Mitarbeiterqualifikation, Mitarbeiterzufriedenheit und Mitarbeiterbindung sind längst zu bedeutsamen Kennzahlen in Unternehmen geworden, aber nur sehr wenige Unternehmen machen diese intangiblen Wissens- und Humanressourcen messbar und managebar. Dabei gibt es schon gute Ansätze, der Scandia Navigator ist einer davon: Dahinter steht die Annahme, dass der Wert eines Unternehmens weit mehr ist als der reine Buchwert, wichtiger und wertvoller ist das intellektuelle Kapital des Unternehmens und dieses soll erfasst und gemanagt werden.
Es ist eine Notwendigkeit für Unternehmen, Wissensbilanzen zu etablieren, die aussagekräftig, authentisch und nachhaltig sind, aber vor allem: die im Unternehmensvergleich verwendbar sind und ein transparentes Bild nach außen geben. Das Ergebnis muss eine Kennzahl sein: Wie viel ist das Wissen, das in unserem Unternehmen besteht, tatsächlich wert? Nur wenige Unternehmen investieren bisher in die Sichtbarmachung ihres intellektuellen Kapitals, dabei sollten auch die börsennotierten Unternehmen (und hier vor allem die europäische Industrie) massives Interesse an diesem wichtigen Entwicklungsschritt in der Unternehmensbewertung haben, könnte man denken.
Knowledge-Workers werden sich in Zukunft zunehmend als Berater, Part-Timers oder Joint-Venture-Partner verhalten. Die Suche nach neuen Formen der Zusammenarbeit, die den Bedürfnissen solcher Mitarbeiter besser gerecht werden, wird nicht ausbleiben. Produkte, Prozesse, Ausstattung, Hardware und so weiter werden in der Zukunft immer mehr zugunsten des Wissens und der Qualifikation der Mitarbeiter als spielentscheidender Faktor für den Unternehmenserfolg in den Hintergrund treten. Die Gattung Management-Buch ist anfällig für Wiederholungen. Natürlich. Die Probleme des Zusammenarbeitens und Wirtschaftens werden immer dieselben sein. Die Worthülsen drumherum ändern sich und es kommen auch neue Worte dazu, weil neue Formen der Kommunikation entstehen und neue Technologien in unser Leben Einzug halten. Aber die Antworten wurden alle schon gegeben. Immer wieder neu ist nur das Publikum. Es gibt neue Generationen, die vielleicht ein kleines bisschen anders auf die Dinge blicken. Aber vor allem gilt: Es gibt neue Menschen, die sich für diese Dinge interessieren. Hinzu kommt, dass wir uns natürlich selbst verändern, unsere Perspektiven ändern sich. Wir sind schlecht vorbereitet auf Unvorhergesehenes und haben einen hohen Bedarf an Orientierung. Reinhard K. Sprenger sagte in einem Interview, Menschen in Führungspositionen besäßen selbst kaum noch Orientierungsautorität. Sie versuchten ständig, Verantwortung an Experten zu delegieren und sich hinter Expertenwissen zu verstecken. Erfahrungswissen würde verdrängt. Dieses Phänomen sehen wir nicht nur in der Wirtschaft, sondern auch in der Politik, und zwar in einem Ausmaß, das von der fehlenden demokratischen Legitimation für Entscheidungen bis hin zum Verfassungsbruch reicht.
Unternehmen sind immer noch Status-quo-Organisationen
Wir sind mittendrin in einer Arbeitswelt, die mit jener vor zehn Jahren so gut wie nichts mehr gemeinsam hat. Trotzdem stellen sich Unternehmen und Menschen weder auf die Gegebenheiten ein, die sie umgeben, noch bereiten sie sich auf die Zukunft vor.
Unternehmen sind Status-quo-Organisationen. Man muss zugeben, dass sie immer nur rhetorisch und theoretisch zu neuen Ufern aufbrechen und ihnen Veränderungen grundsätzlich wesensfremd sind. Ein von außen kommender Impuls, der sagt, „jetzt sind wir fünf Jahre in eine Richtung gerannt, jetzt gehen wir mal in die andere“, der fördert