Die Zehn Gebote für Neugierige. Fabian Vogt
unbedingt kennen (so wichtig sind sie zum Glück gar nicht), sollte aber zumindest wissen, dass es da Unterschiede gibt. Warum? Na, zum Beispiel, wenn einen jemand schelmisch fragt, wie man’s denn mit dem sechsten Gebot hält. Dann denken Katholiken und Lutheraner nämlich errötend an „Ehebruch“, während Juden, Orthodoxe und Reformierte „eiskalten Mord“ im Blick haben. Um diese numerische Hürde zu umgehen, teile ich den Einleitungsteil der Gebote bewusst in drei Abschnitte, die dann jeder zueinander ordnen und zählen kann, wie er will – bin mir aber bewusst, dass ich damit das Problem nicht wirklich löse.
Ähnlich unklar wie die Nummerierung ist bis heute die Gliederung der Zehn Gebote. Gliederung? Natürlich: Da in der Geschichte vom Sinai ja berichtet wird, Gott habe sein Werk auf zwei Steintafeln gemeißelt, wird seit Ewigkeiten darüber sinniert, welche Gebote wohl auf welcher Tafel standen. Witzig, oder? Das klingt auf den ersten Blick ziemlich banal, bringt aber ganz ernsthafte theologische Fragestellungen mit sich. Zum Beispiel: Unterscheidet Gott möglicherweise zwischen den Geboten, die ihn selbst betreffen, und denjenigen, die das menschliche Miteinander beschreiben? Geht es also erst um die Gottesliebe und anschließend um die Menschenliebe? Und wenn dem so ist, gehört dann das Sabbatgebot mit zum Aspekt „Gott ehren“ oder gehört es eher auf die zweite Tafel zur Sammlung „Menschen ehren“? Höchst kompliziert. Zumal man im Judentum selbst das „Achten der Eltern“ als Einbindung der Generationen in die große Geschichte Gottes mit den Menschen versteht und es somit kurzerhand den Gottesgeboten zuordnet.
Für alle Besserwisser kommen hier die korrekten Zahlen: Im Judentum glaubt man, auf jeder Tafel hätten 5 Gebote gestanden. Katholiken und Lutheraner gehen davon aus, dass links 3 und rechts 7 Gebote standen, und der Rest pocht auf 4 + 6. Wobei das insgesamt völliger Humbug ist, weil man Hebräisch ja von rechts nach links schreibt, so dass die Aufteilung auf den Tafeln ursprünglich genau andersherum war: rechts 3 und links 7 … oder so. Irgendwie halt.
All das tut aber für das Verständnis der jeweiligen Ideale doch nicht ganz so viel zur Sache. Viel entscheidender ist, dass wir jetzt – nach Abklärung dieser letzten Details – endlich mit dem ersten Gebot einsteigen können.
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