Keiner ist besser als der andere. Лев Толстой
Samen auszustreuen, und der uns befiehlt, uns unwillkürlich aneinanderzuschmiegen.
Diese einzige unfehlbare, himmlische Stimme übertönt die lärmende und hastige Entwicklung der Zivilisation.
(Luzern)
Ich hatte schon mehrmals Gelegenheit, den Gedanken auszusprechen, daß der Patriotismus für unsere Zeit ein unnatürliches, unvernünftiges, schädliches Gefühl sei, welches einen großen Teil der Übel verursache, unter denen die Menschheit leidet, und daß daher dieses Gefühl nicht genährt und großgezogen werden dürfte, wie es jetzt geschieht, sondern im Gegenteil unterdrückt und durch alle Mittel, die vernünftigen Menschen zugänglich sind, vernichtet werden sollte.
(Patriotismus und Regierung)
Die elende Lage der Fabrik- und Stadtarbeiter liegt nicht darin, daß er lange arbeitet und wenig bekommt, sondern darin, daß er der natürlichen Bedingungen des Lebens inmitten der Natur beraubt ist, daß er keine Freiheit hat, daß er zur unfreien, fremden und eintönigen Arbeit gezwungen wird.
(Die Sklaverei unserer Zeit)
Die Bedingungen des Lebens aber, an welche die Menschen aus den begüterten Klassen gewöhnt sind, bildet eben jene reiche Produktion der verschiedenartigen Gegenstände, die für ihre Bequemlichkeiten und Vergnügungen nötig ist und die nur dank den jetzt bestehenden Fabriken und Werkstätten und unter ihrer jetzigen Organisation möglich ist. Wenn nun die Männer der Wissenschaft über die Verbesserung der Lage der Arbeiter diskutieren, so schlagen sie als Vertreter der begüterten Klasse immer nur solche Verbesserungen vor, unter denen die Fabrikproduktion fortbestehen, und die Bequemlichkeiten des Lebens, die sie dadurch genießen, dieselben bleiben sollen.
(Die Sklaverei unserer Zeit)
Wenn die Menschen nur begreifen werden, daß man kein Recht hat, seine Mitmenschen für die eigenen Vergnügungen auszunutzen, so werden sie alle Fortschritte der Technik so anzuwenden verstehen, daß sie das Leben ihrer Brüder nicht vernichten. Sie werden lernen, das Leben so einzurichten, daß sie alle technischen Machtmittel über die Natur benutzen, die man benutzen darf, ohne ihre Mitmenschen zu Sklaven zu machen.
(Die Sklaverei unserer Zeit)
Worin besteht denn die Sklaverei unserer Zeit? Wodurch werden die einen Menschen Sklaven der anderen? Wenn wir die Arbeiter in Rußland sowie die in Europa und Amerika, die in Fabriken und bei den verschiedenen Dienstleistungen in Stadt und Land beschäftigt sind, fragen, was die Menschen gezwungen hat, jene Lage zu wählen, in der sie sich befinden, so werden sie alle sagen, daß sie dazu geführt hat: entweder, daß sie keinen Boden haben, auf dem sie leben und arbeiten können; oder daß man von ihnen Steuern fordert, direkte und indirekte, die sie nicht anders bezahlen können, als durch Verrichtung fremder Arbeit; oder auch, daß die Versuchungen der luxuriösen Gewohnheiten, die sie sich angeeignet haben und die sie nur durch den Verkauf ihrer Freiheit und ihrer Arbeit befriedigen können, sie in den Fabriken zurückhalten.
(Die Sklaverei unserer Zeit)
Wir sind sehr besorgt um die Sonntagsruhe der Handlungsgehilfen, noch mehr um die Nichtübermüdung unserer Kinder in den Gymnasien, wir verbieten den Lastfuhrleuten aufs strengste, ihre Pferde zu überlasten, wir richten sogar Schlachthöfe ein, in denen die Leiden der zum Schlachten bestimmten Tiere auf das Minimum reduziert werden sollen.
Was ist denn das für eine sonderbare Umnachtung, die uns befällt, sobald es sich um die Millionen von Arbeitern handelt, die sich überall langsam und oft qualvoll zugrunde richten durch jene Arbeiten, deren Erzeugnisse wir zu unserer Bequemlichkeit und zu unserem Vergnügen gebrauchen?
(Die Sklaverei unserer Zeit)
Es offenbart sich immer mehr und mehr, daß die Kultur nur dank dem Zwange der Arbeiter zur Arbeit existieren kann.
(Die Sklaverei unserer Zeit)
Je mehr sich die Lage der Arbeiter verschlechtert, desto mehr wächst ununterbrochen ihre Abhängigkeit von den Reichen, und mit derselben Gleichmäßigkeit und Stetigkeit wächst der Reichtum der Reichen, ihre Macht über das Arbeitervolk, ihre Furcht und ihr Haß.
(Das Gesetz der Gewalt und das Gesetz der Liebe)
Ach, dieser Luxus, dieser Reichtum, diese unaufhörliche Sorge um das materielle Leben! Wie ein an Nährstoffen überladener Boden. Reinigt und brennt man alles ringsherum aus, so gibt der zu fette Boden gute Ernte; sonst überwuchert er mit allerlei Unkraut und wird entsetzlich.
(Tagebücher)
Es ist, als ob die Menschheit unserer Zeit an irgend etwas hängen geblieben wäre; als wäre irgendeine äußere Ursache vorhanden, welche sie verhinderte, die Stellung einzunehmen, die ihr nach dem eigenen Bewußtsein ziemt, und diese Ursache – wenn nicht die einzige, so doch die hauptsächlichste – diese Ursache ist der physische Zustand der Betäubung, in welchen sich durch Wein und Tabak die ungeheure Mehrzahl der Menschen unserer Welt versetzt.
(Warum die Menschen sich betäuben)
Es ist kein Zweifel daran, daß die Panzerschiffe, die Eisenbahnen, der Buchdruck, die Tunnels, die Phonographen, die Röntgenstrahlen und so weiter sehr gut sind. Alles dies ist sehr gut; aber gut ist auch, unvergleichlich über alles gut, wie Ruskin gesagt hat, – das Leben des Menschen, welches jetzt erbarmungslos millionenweise für die Erwerbung von Panzerschiffen, Eisenbahnen, Tunnels untergeht, die nicht einmal das Leben verschönen, sondern es nur verunstalten … Sobald die Menschen nicht alle Menschen für ihre Brüder halten, und solange das menschliche Leben nicht für den allerheiligsten Gegenstand gilt, welcher nicht nur nicht verletzt werden darf, sondern welchen zu erhalten als allererste, unerläßlichste Pflicht gerechnet wird: d. h. wenn die Menschen zueinander sich nicht religiös verhalten, so werden sie immer für ihren persönlichen Vorteil das Leben des Nächsten vernichten.
(Was ist Religion?)
Je kranker die Gesellschaft ist, desto mehr Anstalten sind für die Heilung der Symptome vorhanden und desto weniger ist man um die Änderung des gesamten Lebens besorgt.
(Über Erziehung und Bildung)
Es gibt kein leitendes religiöses Prinzip unter den Völkern der christlichen Welt.
Es gibt nur eine religiöse, eine kirchliche Lüge; und nicht nur eine, sondern verschiedene, die sich feindselig gegenüberstehen: die katholische, die griechisch-katholische, die lutherische usw. Es gibt wissenschaftliche Lügen, und zwar sehr viele verschiedene, die einander befeinden und befehden. Es gibt politische Lügen und internationale Parteilügen. Es gibt Lügen der Kunst, Lügen der Überlieferung und Lügen der Gewohnheit. Es gibt viele sehr verschiedenartige Lügen, aber ein leitendes moralisches Prinzip, das auf einer religiösen Weltanschauung basiert, gibt es nicht. Und die Menschen der christlichen Welt leben dahin wie die Tiere, nur geleitet durch ihre persönlichen Interessen und den gegenseitigen Kampf, und unterscheiden sich nur dadurch von den Tieren, daß diese sich seit undenklichen Zeiten denselben Magen, dieselben Krallen und dieselben Stoßzähne erhalten, während die Menschen mit immer größerer Geschwindigkeit von Landstraßen zu Eisenbahnen, von der Pferdekraft zu den Dampfmaschinen, von der mündlichen Rede und der Schrift zur Buchdruckerei, zu Telegraphen und Telefonen, von den Segelbooten zu Ozeandampfern, von den Handwaffen zu Pulver, Kanonen, Mausergewehren, Bomben und Kriegsaeroplanen übergehen. Und das Leben mit seinen Telegraphen, Telefonen, seiner Elektrizität, seinen Bomben und Aeroplanen und dem Haß aller gegen alle, das Leben, das von keinem vereinigenden geistigen Prinzip geleitet, sondern, im Gegenteil, von allen tierischen Instinkten, die die geistigen Kräfte zu ihrer Befriedigung benutzen, zerrissen wird, – dieses Leben wird immer mehr erfüllt von Wahnsinn und Elend.
(Das Gesetz der Gewalt und das Gesetz der Liebe)
Für Menschen unserer Welt gibt es keine einzige Frage, an welche sie schlicht und einfach herantreten könnten: alle Fragen – ökonomische, innere und äußere Fragen der Regierung, politische, diplomatische, wissenschaftliche,