Keiner ist besser als der andere. Лев Толстой
von komplizierten, unnötigen Erwägungen, von spitzfindigen Begriffs- und Wortverdrehungen, von Sophismen und Streitigkeiten umstrickt, daß alle Erwägungen solcher Fragen sich auf einer Stelle im Kreise drehen, ohne etwas zu erfassen und, wie ein Rad ohne den treibenden Transmissionsriemen, zu gar nichts führen, außer jenem einzigen Ziel, zu dessen Zweck sie auftauchen: dazu, vor sich selber und den Menschen das Böse zu verbergen, worin sie leben und was sie begehen.
(Was ist Religion?)
Die Menschen entfernen sich immer mehr und mehr, immer weiter und weiter von der Möglichkeit, die Wahrheit in sich aufzunehmen.
(Was ist Religion?)
Es scheint den Menschen, daß ihre Lage sich infolge der Änderung der äußeren Lebensformen bessert. Indessen ist die Änderung der äußeren Lebensformen stets nur eine Folge des veränderten Bewußtseins, und das Leben wird nur in dem Maße verbessert, in welchem diese Änderung auf der Änderung des Bewußtseins gegründet ist.
Alle äußeren Änderungen der Lebensformen, denen keine Änderungen des Bewußtseins zugrunde liegt, verbessern nicht nur die Lage der Menschen nicht, sondern verschlechtern sie meist noch.
(Das Gesetz der Gewalt und das Gesetz der Liebe)
Der hauptsächlichste Irrtum des Menschen ist der, daß es jedem einzelnen scheint, als ob die Richtschnur seines Lebens das Streben nach Genuß und der Verzicht auf das Vermeiden der Leiden sei.
(Der Sinn des Lebens)
Nicht der Eigennutz und der Neid, nicht Parteiprogramme und Haß, nicht Grimm und Ehrgeiz, ja selbst nicht das Gefühl der Gerechtigkeit und vor allem nicht der Wunsch, das Leben anderer Menschen umzugestalten, wird euch von dem Übel, das ihr erleidet, retten und erlösen und euch das wahre Wohl geben, nach dem ihr in so unvernünftiger Weise strebt, sondern nur die Arbeit an der eigenen Seele, die, so sonderbar es auch erscheinen mag, kein äußeres Ziel hat und keiner Erwägung bedarf, was sie zu erreichen imstande ist.
(Das Gesetz der Gewalt und das Gesetz der Liebe)
Ich habe mich vom Leben unserer Kreise losgesagt, denn ich habe erkannt, dass dies kein Leben, sondern nur Abklatsch des Lebens ist, dass der Überfluss, in welchem wir leben, uns der Möglichkeit beraubt, zu begreifen, was das Leben ist, und zwar nicht das unsrige Schmarotzerleben, sondern jenes des einfachen, arbeitenden Volkes, jenes Volkes, welches das Leben schafft.
(Meine Beichte)
Sobald ich begriffen hatte, was Reichtum und Geld sind, erkannte ich deutlich, ja mit absoluter Gewissheit, was alle anderen tun müssen, ja zwangsläufig tun werden. (…) Ich begriff, dass der Mensch nicht ausschließlich für sein eigenes Glück leben darf, sondern notwendigerweise auch dem Glück anderer Menschen dienen muss. (…) Ich begriff, dass dies das Naturgesetz des Menschen ist, jenes Gesetz, welches ihm ermöglicht, seine Bestimmung zu erfüllen, glücklich zu werden. (…) Ich begriff, dass das Unglück der Menschen in der Sklaverei liegt, welche die einen den anderen auferlegen. Ich begriff, dass die Sklaverei unserer Zeit durch den Kriegsdienst, die Aneignung von Grund und Boden und das Eintreiben von Geld herbeigeführt wird. Und nachdem ich diese drei Grundlagen der neuen Sklaverei erkannt hatte, konnte ich nur eins wünschen, nämlich daran nicht länger teilzuhaben.
(Was sollen wir denn tun?)
Die Serie der von den Mächtigen und Reichen empfundenen Gefühle, die von der Rolle der Arbeit im Leben keine Ahnung haben, ist viel armseliger, viel beschränkter und unbedeutender, als die Serie der dem arbeitenden Menschen natürlichen Gefühle.
(Gegen die moderne Kunst)
Es kam der Augenblick, da ich mich entsetzte. Wir leben von fremden Mühen, schreiben anderen vor, sie hätten für uns zu arbeiten, setzen Kinder in die Welt, die wir für dasselbe Leben erziehen. Ja, dann kommt das Alter, der Tod, und ich werde mich fragen: Wozu habe ich gelebt? Um Schmarotzer zu zeugen, wie ich einer bin?
(Und das Licht leuchtet in der Finsternis)
In ganz Rußland, ja, ich glaube nicht allein in Rußland, sondern in der ganzen Welt geschieht dasselbe. Die Reichtümer der bäuerischen Produzenten gehen in die Hände der Händler, der Gutsbesitzer, der Beamten, Fabrikanten über, und die Leute, welche diese Reichtümer empfangen, wollen sie genießen. Voll und ganz können sie dieselben nur in der Stadt genießen. Im Dorfe kann man erstens wegen der Zerstreutheit der Bevölkerung schwer die Befriedigung der Bedürfnisse reicher Leute finden, es gibt da nicht all die verschiedenen Handwerker, Verkaufsläden, Banken, Restaurants, Theater und öffentliche Vergnügungen aller Art. Zweitens kann eine der hauptsächlichsten Annehmlichkeiten, welche der Reichtum gewährt – der Ehrgeiz, das Verlangen, die Bewunderung anderer zu erwecken und sie an Luxus zu übertreffen – abermals wegen der Zerstreutheit der Bevölkerung im Dorfe schwer befriedigt werden. Im Dorfe gibt es wenig Leute, welche den Aufwand würdigen, da ist niemand, dessen Bewunderung man erregen könnte. Was für Verschönerungen seines Hauses, Gemälde, Bronzen, was für Equipagen, Toiletten der Dorfbewohner sich auch anschaffen mag – die Bauern verstehen dies alles nicht.
Und darum sammeln sich die reichen Leute bei einander und bauen sich bei eben solchen reichen Leuten mit denselben Bedürfnissen in den Städten an, wo die Befriedigung eines jeglichen luxuriösen Geschmacks sorgfältig durch die Polizei geschützt wird.
(Unsere Armen und Elenden)
Ich wollte den Armen bloß deshalb helfen, weil ich Geld habe, und ich teilte den allgemeinen Wahn, daß das Geld der Vertreter der Arbeit oder überhaupt etwas Gutes sei, doch nachdem ich begonnen hatte, dieses Geld zu geben, ersah ich, daß Geld an und für sich nichts Gutes, sondern offenbar ein Übel sei, welches die Menschen des hauptsächlichsten Heils der Arbeit und des Genusses dieser Arbeit beraubt, und daß ich dieses Heil niemandem zuwenden könne, weil ich selbst desselben beraubt sei: bei mir gibt es keine Arbeit und das Glück nicht, aus meiner Arbeit Nutzen zu ziehen.
(Unsere Armen und Elenden)
Ob die Mühe, welche auf die Erwerbung des Geldes verwendet worden war, dem Vergnügen, welches der dafür erkaufte Gegenstand gewährte, wirklich entsprach, diese Erwägung war schon lange verloren gegangen.
(Anna Karenina)
Ach, das Geld, das Geld! Wieviel Unheil verursacht das Geld in dieser Welt.
(Krieg und Frieden)
Was liegt am Geld. Geld ist Staub.
(Polikuschka)
Das Geld ist das Recht oder die Möglichkeit, von fremder Arbeit zu leben. Das Geld ist eine neue Form der Sklaverei, die sich von den älteren Formen nur durch das Unpersönliche des Sklaventums unterscheidet, durch die Befreiung von den Fesseln aller menschlichen Beziehungen zum Sklaven.
(Was sollen wir denn tun?)
Wir sind derart an den Gedanken gewöhnt, daß alles nur für uns da sei, daß die Erde mir gehöre, daß wir uns im Angesicht des Todes wundern, wenn diese meine Erde, mein Eigentum also dableibt, während ich davongehe. Der Irrtum besteht darin, daß mir die Erde als etwas Erworbenes, mir beigegeben erscheint, während ich doch von der Erde erworben, ihr beigegeben bin.
(Tagebücher)
Die Hauptursache aller Leiden ist also die, daß man das erwartet, was nicht vorhanden ist, nicht aber das erwartet, was stets da ist. Und von diesen Leiden kann man nur dadurch erlöst werden, daß man keine Freuden erhofft und nur Böses erwartet und sich darauf bereitet, es zu ertragen. (…)
Deshalb sind auch die Armen weniger unglücklich als die Reichen: sie wissen im voraus, daß ihnen Mühe, Kampf und Plage bevorsteht, und so schätzen sie alles, was ihnen Freude bietet. Weil die Reichen sich aber auf lauter Glück gefaßt machen, so sehen sie in allen Hindernissen nur Mißgeschick und übersehen und mißachten das Gute, das ihnen zuteil wird.
(Tagebücher)