Die besten 12 Strand Krimis Juni 2021. A. F. Morland
wozu?“, fragte Joswig.
„Ist das so schwer zu erraten?“, fragte Katharina. „Bei dieser ganzen Geschichte ging es nie um Geld oder um Erpressung. Jannick Wolfe musste sterben, damit Simon Struck seinen Platz einnehmen konnte.“
Der Stuntman schoss wie eine Rakete von seinem Stuhl hoch. „Ich konnte Sie bisher ganz gut leiden!“, stieß er hervor. „Aber das geht zu weit!“
„Was Sie nicht sagen“, fuhr Katharina fort.
„Worauf wollen Sie überhaupt hinaus?“
„Nun“, meinte die Detektivin. „Ich wollte Sie fragen, was Sie mit der halben Million gemacht haben, die …“
„Sie sind wohl wahnsinnig geworden, mich mit der Geschichte in Verbindung zu bringen, was?“, rief er aus. „Kommen Sie jetzt nur noch mit der Behauptung, ich hätte Jannick Wolfe umgebracht, dann …“
„Sie nehmen mir das Wort aus dem Mund“, unterbrach Katharina ihn ruhig.
„Blödsinn“, fauchte Simon. „Ich habe ein Alibi für die Zeit, als Wolfe erschossen wurde. Ich stand neben dem Regieassistenten. Fragen Sie ihn. Er wird meine Aussage bestätigen.“
„Das glaube ich Ihnen.“
„Na also, was soll dann der ganze Zirkus?“
„Ich habe nicht behauptet, dass Sie Jannick Wolfe erschossen haben. Das hat ihr Komplize besorgt.“
„Mein Komplize? Wer soll denn das sein?“
„Der dunkelhaarige Mann, mit dem Sie sich vorgestern im Restaurant getroffen haben. Vermute ich zumindest.“
„Aha, Sie vermuten also“, erwiderte Simon in einem überheblichen Tonfall. „Was kommt denn als Nächstes? Sagen Sie uns auch noch die Lottozahlen vom nächsten Samstag voraus? Nur zu. Ich würde sofort einen Spielschein ausfüllen. Dann wäre ich innerhalb kürzester Zeit Millionär.“
„Ihr Plan war gut“, fuhr Katharina unbeeindruckt fort. „Aber nicht so gut, dass ich nicht über einige Fehler gestolpert wäre, die Sie gemacht haben.“
„Da bin ich aber neugierig“, höhnte Simon.
„Das dürfen Sie auch sein“, entgegnete Katharina. „Der entscheidende Anhaltspunkt war Ihre Eitelkeit, endlich an Jannick Wolfes Stelle zu treten. Und dazu war Ihnen jedes Mittel recht. Zuerst musste die Sache mit den gestohlenen Filmen über die Bühne gehen, bevor Sie zur eigentlichen Tat schreiten konnten. Sie hatten sich während der ersten Dreharbeiten hier in Rom in Sophie verliebt, aber keine Gelegenheit gehabt, Wolfe zu beseitigen. Es fiel Ihnen schwer, immer im Schatten Wolfes arbeiten zu müssen. Sie besprachen die Sache mit Ihrem Komplizen, der sofort bereit war, mitzumachen. Ihr Plan verschlang viel Geld, und da kamen Sie auf die Idee, die Filmnegative zu stehlen, da Sie sich in Brankovs Kopierwerk gut auskannten.“
„Sie sollten Drehbücher schreiben“, sagte Simon gelassen.
„Ich bin noch nicht fertig“, fuhr Katharina fort. „Commissario Cariddi hat sich ein wenig in Ihrem Hotelzimmer umgesehen. Und was glauben Sie, hat er dort gefunden?“
Sie gab Cariddi ein Zeichen. Der Mann erhob sich und trat neben Katharina. In seiner rechten Hand hielt er einen weißen Pappkarton. Die Detektivin sah sofort, dass Simon bei seinem Anblick blass wurde.
„Was glauben Sie, was da drin ist?“, fragte Katharina.
Simon zuckte mit den Schultern. „Bin ich Hellseher?“
„In dieser Schachtel befindet sich einer der Erpresser. Und zwar jener Mann, der in meiner Wohnung erschienen war, um den Austausch vorzunehmen.“
Commissario Cariddi öffnete die Schachtel. Der Inhalt bestand aus einer blonden Perücke, blonden, buschigen Augenbrauen und blauen Kontaktlinsen.
„Was sagen Sie nun?“, erkundigte sich Katharina. „Sind Sie immer noch der Ansicht, dass ich mich irre?“
Simon Struck antwortete nicht.
„Ich hatte Sie schon seit einiger Zeit in Verdacht. Allein ihre gekonnte Flucht aus meiner Wohnung hätte mich darauf bringen sollen, dass ich es mit einem durchtrainierten Mann zu tun haben könnte. Natürlich wäre es ein Leichtes gewesen, Sie sofort verhaften zu lassen, aber ich dachte an Eckard Joswig und daran, dass er seinen Film endlich zu Ende drehen wollte. Nur deshalb konnte ich den Commissario auch davon abbringen, Sophie festzunehmen.“
„Sie spinnen“, sagte Simon aufgebracht. „Wo bleiben die Beweise?“
„Die können Sie haben. Ihr Komplize hat bereits ein umfangreiches Geständnis abgelegt.“
„Mein Komplize? Wer soll denn das sein?“
„Sie wissen schon, der dunkelhaarige Kerl, mit dem Sie sich im Restaurant getroffen haben. Die Polizei hat ihn heute Nachmittag am Flughafen festgenommen. Er hat bereits gestanden. Den Einbruch in das Kopierwerk, die Erpressung, den Überfall auf Rudolf Thielke und … den Mord an Jannick Wolfe.“
Während sich die Aufmerksamkeit der Anwesenden auf Simon konzentrierte, hatte niemand auf Sophie Rosenbruck geachtet. Sie sprang hoch und stürmte auf Katharina zu.
„Lassen Sie ihn in Ruhe!“
Die Detektivin packte sie am Arm und wirbelte die Frau herum. Sophie landete auf dem Boden. Dennoch gab sie nicht auf. Sofort schnellte sie hoch, sprang Katharina an und versuchte, ihr mit ihren langen Fingernägeln das Gesicht zu zerkratzen. Aber die Detektivin fing Sophies Hände ab und hielt sie fest.
„Hören Sie auf!“, rief Katharina. „Sind Sie wahnsinnig?
Sophie gebärdete sich wie eine Psychopathin. Sie hatte Kraft, kannte Tricks. Beinahe schaffte sie es, einen Arm freizubekommen, doch Katharina hatte während ihrer Polizei-Ausbildung einen Kurs in Selbstverteidigung absolviert. Sie versetzte Sophie ein paar heftige Schläge. Die junge Frau wurde gegen eine Wand geschleudert, sank daran zu Boden und blieb reglos sitzen. Sie war nicht tot, sondern nur bewusstlos.
Niemand hatte in diesem Augenblick auf Simon Struck geachtet, der langsam Richtung Ausgang schlich. Und als sie es bemerkten, war es bereits zu spät, um einzugreifen. Blitzschnell war der Stuntman nach draußen gerannt. Bremsen quietschten. Ein dumpfer, berstender Laut war zu hören und vermischte sich mit einem infernalischen Schrei. Sekunden später krachte ein Körper auf den Asphalt. Katharina und die anderen liefen nach draußen.
Zögernd ging die Detektivin zu der reglosen Gestalt. Simon lag in einer seltsam verkrümmten Haltung auf dem Boden. Seine Glieder wirkten, als hätten sie zu viele Gelenke, und der Asphalt unter ihm färbte sich langsam dunkelrot. Man musste nicht unbedingt Medizin studiert haben, um zu erkennen, dass der Mann tot war. Der Lastwagen hatte ihn fast zwanzig Meter durch die Luft geschleudert. Kein Mensch konnte diesen Aufprall überleben. Hinter Katharina erklangen hastige Schritte. Der Lkw-Fahrer hatte seinen Sattelzug zum Stehen gebracht und kam mit wachsbleichem Gesicht angerannt.
„Ich – ich habe versuchte, zu bremsen“, stammelte er in akzentfreiem Hochdeutsch. Dem Kennzeichen zufolge kam der Wagen aus Hamburg. „Aber es ging nicht. Er – er ist mir direkt vor den Wagen gelaufen. Ich konnte nichts machen.“ Seine Stimme zitterte, und auf seiner Stirn perlte kalter, glänzender Schweiß. „Ich konnte überhaupt nichts machen. Er ist einfach …“
Er verstummte. Sein Blick fiel auf den Toten und auf das Blut. Er wurde noch blasser, als er ohnehin gewesen war.
„Machen Sie sich keine Sorgen“, sagte Katharina. „Es ist nicht Ihre Schuld.“
26
Katharina schloss die Wohnungstür auf, trat ein und stellte die Reisetasche ab. Gerade als sie ihren Mantel auszog, klingelte das Telefon. Sie nahm den Hörer ab, bevor der Anrufbeantworter ansprang.
„Ledermacher.“
„Hallo. Guten Tag. Hier